10.03.2015

„Regulierung zum Schutz der Verbraucher“

eco Kompetenzgruppenleiter Prof. Dr. Hofmann im Interview

Der Onlinehandel boomt und viele lokale Handelsunternehmen bekommen die Konkurrenz aus dem Netz zu spüren. Während der stationäre Handel einer Regulierung unterworfen ist, fehlen für den digitalen Handel selbst rechtliche Definitionen. Im Interview erklärt Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann, Leiter der eco Kompetenzgruppe E-Commerce, das herrschende Ungleichgewicht.

Herr Prof. Dr. Hofmann, warum muss der Onlinehandel überhaupt reguliert werden?

Man kann und muss fragen, wie die Formen der Regulierung im stationären Handel auf den Onlinehandel übertragen werden können. Dabei bedeutet „Regulierung“ keine negative Beschränkung der Freiheiten der Händler, sondern ist in aller Regel zum Schutz der Verbraucher gemacht. Beispiele der notwendigen Regulierung sind elektronisch nicht-konforme, sonst wie gefährliche und unsichere oder illegale und besitzregulierte Waren.

Weiter adressieren Regulierungen den Bereich der qualifizierten Zahlungssysteme, der Rückverfolgbarkeit der Marktteilnehmer. Soll der Gesetzgeber festlegen, dass Händler registriert und Zahlen wie Umsatzerlöse, Kundenzahlen und Internationalität des Handels ermittelt werden können?

Kann eine deutsche Regierung dem Phänomen „globaler E-Commerce“ überhaupt regulatorisch begegnen?

Im klassischen stationären Handel ist zurzeit – bekanntermaßen – im Bereich der Marktüberwachung die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit dem Zoll tätig. Nicht-konforme Produkte (wie nicht EMV-konforme Produkte) oder Produktfälschungen etc. werden im Zuge der Ermittlungstätigkeiten vom Markt genommen. Die Tätigkeit erfolgt im Kontext der europäischen Inverkehrbringer sowie in Kooperation mit anderen europäischen Marktüberwachungsbehörden.

Die Internetmarktüberwachung („e-Commerce investigation“) hat spezielle Probleme, da hier zum Beispiel eine Verschleierung von Anbieteradressen erfolgen kann. Es gibt auch noch keine hinreichende übergeordnete europäische wie auch nationale Abstimmung zum Onlinehandel.

Muss der Regulierung aus Ihrer Sicht auch direkt eine entsprechende Kontrolle folgen?

Ja, sicher, wenn irgend möglich müssen nicht-konforme Produkte umgehend gesperrt und vom Markt genommen werden. Eine typische Problemklasse stellen etwa die diversen „Störsender“ dar. Das sind alle möglichen „funkenden“ Geräte, einschließlich Kopfhörer, Fernbedienungen, diverse ferngesteuerte Spielzeuge etc., die die regulären Funkanwendungen einschränken bzw. unmöglich machen.

Experten sprechen von „Benchmark-Problemen“ im E-Commerce. Wie sehen diese aus?

Man sollte besser von „Definitionsproblemen“ reden, die Benchmark-Probleme resultieren daraus. Damit ist gemeint, dass wir zurzeit noch viele fehlende Legaldefinition haben. Was ist – im Sinne des Handelsrechts – genau ein Plattformbetreiber, ein Onlinehändler oder ein Fulfillment-Center? Können Online-Handelsunternehmen einer generellen Definition und Registrierpflicht unterzogen werden, so wie das beim stationären Handel (Handelsregister, IHK etc.) üblich ist?

Daraus resultierend fehlen Benchmarks für Online-Handelsunternehmen, wie Betriebsgröße, die Personalstärke, eingesetzte Shop- und Payment-Systeme, eingesetzte Marketinginstrumente, vertretene Branchen und vertriebene Produkte, oder diverse Quoten, wie die der Personalkosten, der Versandkosten oder des Wareneinsatzes.

Das Marktsegment des Onlinehandels wird volkswirtschaftlich zunehmend wichtig, das Einkommen immer mehr Beschäftigter hängt vom Onlinemarkt ab, die Akzeptanz des Onlinehandels auf Seiten der Verbraucher nimmt zu – aber wirklich belastbares offizielles Zahlenmaterial fehlt. Dieses wäre aber nötig, um politisch in diesem Bereich der Netzökonomie handlungsfähig zu sein.