- EU-Kommission ignoriert digitale Revolution
- Pläne für ein europäisches Leistungsschutzrecht nicht nachvollziehbar
- Neue Auflagen: Provider müssen mit Wettbewerbsnachteilen rechnen
Das europäische Urheberrecht ist angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen nicht mehr zeitgemäß. Eine Novellierung böte die Chance, den rechtlichen Rahmen neu zu definieren und dabei nicht nur an die gegenwärtige Realität anzupassen, sondern die Regelungen zukunftstauglich zu machen. Doch mit dem heute von der Europäischen Kommission veröffentlichten Entwurf zur Urheberrechts-Richtlinie scheint diese große Chance vertan. „Das neue Urheberrecht verfehlt seinen Sinn und Zweck. Es soll Schutzlücken schließen, die nicht existieren und Probleme lösen, die Rechteinhaber durch ihre träge Reaktion auf die digitale Revolution selbst verursacht haben“, sagt Oliver Süme, eco-Vorstand Politik und Recht.
Pläne für ein europäisches Leistungsschutzrecht
Mit der neuen Urheberrechts-Richtlinie soll unter anderem ein neues verwandtes Schutzrecht auf europäischer Ebene, ähnlich dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland, eingeführt werden. Damit wird Verlagen 20 Jahre lang das exklusive Nutzungsrecht an Online-Nachrichten eingeräumt. Eine ähnliche Regelung gibt es in Deutschland bereits – wenn auch nicht mit einer derartig langen Nutzungssperre. Die neuen Vorgaben sollen dabei nicht nur die Betreiber von Suchmaschinen treffen, sondern alle Unternehmen, die Nachrichten im Internet verbreiten. Dazu sagt Oliver Süme: „Es ist unbegreiflich, dass nach der deutschen Bundesregierung nun auch die Europäische Kommission diesen Irrweg beschreiten möchte. Es ist noch untertrieben zu sagen, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger habe sich in den vergangenen drei Jahren in Deutschland nicht bewährt – warum die Regelungen trotz dieser Erfahrung nun in ganz Europa übernommen werden soll, bleibt undurchsichtig. „Ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene wird sich langfristig zum Hemmschuh für die gesamte Informationsgesellschaft und Digitalisierung entpuppen. Damit droht allen Akteuren eine dauerhafte massive Rechtsunsicherheit“, sagt Süme.
Neue Auflagen: Provider müssen mit Wettbewerbsnachteilen rechnen
Darüber hinaus sieht die Richtlinie der Kommission vor, Host Provider zu verpflichten, eine Software zu installieren, die Inhalte automatisch erkennt und so illegal hochgeladene Werke ausfiltern kann. Sie sollen zudem verpflichtet werden, Lizensierungsvereinbarungen mit Rechteinhabern abzuschließen. Auch diese Überlegungen zum sogenannten „Value Gap“ sind aus Sicht der Internetwirtschaft hochproblematisch: Unternehmen werden so zu Vertragsabschlüssen mit den Rechteinhabern gezwungen. Derzeit ist noch vollkommen unklar wie die geplanten Regelungen zu interpretieren sind. Klar ist aber, dass sie sich massiv auf die bestehenden Regelungen der E-Commerce-Richtlinie und das dort geregelte Haftungsgefüge auswirken werden. „Die Pläne der EU-Kommission sind ein herber Rückschritt für die Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts“, so Süme.
Dazu kommt ein enormer Wettbewerbsnachteil für kleinere Unternehmen: Denn Plattformen wie YouTube nutzen bereits Software zur Erkennung von „Content ID“. Für kleinere Marktteilnehmer könnte ein solches Erfordernis, aufgrund des finanziellen Aufwands bei der Einführung und Implementierung allerdings zu massiven Problemen führen. „Ein Urheberrechtsgesetz mit entsprechenden Einschränkungen würde kleine, innovative Firmen oder Start-ups benachteiligen, denen es bei den Lizenzverhandlungen unter Umständen an der Verhandlungskraft gegenüber den marktmächtigen Rechteverwertern fehlt. Ebenso werden diese Unternehmen oft nicht über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten verfügen, die von der Kommission geforderte Content-ID-Systeme zu entwickeln“, sagt Süme. So könnte sich die neue Richtlinie schnell zu einem Instrument entwickeln, das kleinere Unternehmen vom Markt verdrängt.