Ein weiterer runder Geburtstag: Die deutsche ict + medienakademie (dma) feiert in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen. Geschäftsführer Ekkehart Gerlach ist von Anfang an dabei. Im Interview erinnert er sich an die Entstehung in den 90er–Jahren sowie an diverse Höhepunkte und gibt zudem einen Ausblick auf die Zukunft der Akademie.
Herr Gerlach, woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Gründung der dma denken?
Dass Wolfgang Clement, damals Ministerpräsident von NRW, Ende der 90er-Jahre mit mir bei einer Konferenz über Internet zusammenstand und mich fragte, ob es gottgegeben sei, dass hiesige Führungskräfte und Unternehmen häufig hintendran seien, verglichen mit der Weltspitze. Und mir entfuhr dann der Satz: „Diagnose okay, aber Therapie unbekannt.“ Aus diesem nicht gerade tiefsinnigen Wortwechsel entstand dann die Medienakademie als Projekt der Bertelsmann Stiftung.
Natürlich stellten sich auch Fragen nach der Zielgruppe und dem Format der Akademie. Zunächst erfolgte die Einengung auf Führungskräfte, um Multiplikatoreffekte zu nutzen. Und als Format konnte es unserer Ansicht nach nicht um die ach so üblichen Ex-Cathedra-Monologe von Experten gehen, die den Zuhörern die Welt erklären wollen – und auch nicht um wenig tiefgängige Podiumsdiskussionen mit netto sieben Minuten Redezeit selbst für äußerst angesehene Experten oder Vorstände.
Aus diesen Überlegungen ist unser Konzept eines Gleichgewichts von Impuls-Statements und Diskussion entstanden, was inzwischen verschiedentlich kopiert wird.
Welche Highlights aus den letzten Jahren fallen Ihnen spontan ein?
Ach, eigentlich erlebe ich in fast jedem Roundtable ein Highlight, das ich so nicht erwartet hätte. Zum Beispiel die Diskussion einer nicht-interessengeleiteten Abwägung unterschiedlicher Breitbandstrategien, die Diskussion um Cloud- und Future-Internet-Strategien oder die Diskussion der Weiterentwicklung der Mikroelektronik.
Oder auch das Thema „Anything as a Service“ – weil bei diesem Experten-Roundtable herauskam, dass es sehr wohl Gebiete gibt, die viel besser als Dienstleistung von anderen bezogen werden können als sie selbst zu machen – bis hin zu KI as a Service für KMU.
Zudem würde ich die Blockchain als interessantes Highlight ansehen: Erst war da die sich überschlagende Euphorie (jemand gebrauchte sogar den Begriff „Weltrevolution“), dann der Katzenjammer und die freundliche Empfehlung, wir sollten doch alle Veranstaltungen dazu einstellen.
In unseren Roundtables haben wir das Thema unbeirrt immer wieder auf mehrwertige seriöse Anwendungen abgeklopft und anders als die meisten anderen Veranstalter nicht die Krypto-Währungen in den Vordergrund gestellt. Und die tatsächliche Entwicklung – etwa die Blockchain-basierte Ausstellung von Zeugnissen und Zertifikaten – geht ja genau in diese Richtung.
Ähnlich ist es beim Thema Connected Car: Während 2015/2016 die CxOs der großen Hersteller laut davon träumten, dass zwischen 2018 und 2022 bei uns in Deutschland überall autonome Fahrzeuge fahren würden, haben die Experten bei uns über eine eher langsame, aber nachhaltige Evolution im Kontext mit alternativen Antrieben diskutiert.
Ein Aha-Erlebnis möchte ich noch herausstellen: Während in den Zeitungen noch immer über die Notwendigkeit von 5G beim autonomen Fahren gesprochen wird, wies einer der Experten auf die eher größeren als kleineren Funklöcher bei 5G hin, in denen das Fahrzeug aber ja auch noch autonom fahren müsse … Reaktion der Euphoriker: Dann lieber keine autonomen Autos.
Ein weiteres Highlight ist für mich der Bereich Digital Health: Jedes Jahr haben wir im Experten-Roundtable auf Neue untersucht, wo die Druckpunkte liegen, wie es vorangehen kann, weil darin ganz einfach enormes gesellschaftliches und auch ökonomisches Potenzial liegt, selbstverständlich unter Beachtung aller Datenschutzaspekte. Insoweit war es ein wichtiger Punkt für uns, dass im letzten Jahr der Digital Health Germany e. V. in Köln gegründet wurde, der nunmehr auch unsere diesbezüglichen Roundtables unterstützt.
Worauf sind Sie persönlich stolz, wenn Sie die Geschichte der dma betrachten?
Darauf, dass es frühzeitig und nachhaltig gelungen ist, mit einem riesigen Netzwerk von Experten zu fast jeder digitalen Fragestellung sehr schwierige und sehr dynamische Themen kontinuierlich auf Chancen und Risiken, Pros und Cons abzuklopfen. Und so Führungskräfte bei ihren Entscheidungen oder Entscheidungsvorbereitungen zu digitalen Themen zu unterstützen – um keine Chancen zu verpassen, aber auch nicht in Sackgassen hineinzulaufen.
Und noch etwas: Dass VIPs aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bereit sind, zu ihrem persönlichen Coaching unter vier oder sechs Augen zu digitalen Sach- und Fachfragen zur dma zu kommen – angefangen von CxOs, Headhuntern, Ministern bis hin zu OBs oder Olympiasiegern. Das ist schon etwas ganz Besonderes, was sicherlich an der Exzellenz der Coaches, der Neutralität und dem kompakten, auf diese Zielgruppe ausgerichteten Format liegt.
Wie kam die Eingliederung in den eco Verband zustande und was waren die Gründe dafür?
Die ursprüngliche Gründungsidee von Wolfgang Clement war ja gut. So gut, dass jeder, der sich mit komplexen Fragen rund um IT, TK, Internet befasst, dankbar war und ist, innerhalb weniger Stunden bei uns in einem neutralen Roundtable zu den relevanten Fragen rund um das Internet aus verschiedensten Blickwinkeln und Bewertungen vertraut gemacht zu werden – und es ausdiskutieren zu können.
eco bietet mit seiner Vielschichtigkeit die Möglichkeit und das Umfeld, diese Ansätze weiterzuentwickeln – und vor allem passt das inhaltliche Umfeld perfekt, sodass eine ganze Menge Synergien mobilisiert werden können.
Und wie wird sich Ihrer Meinung nach die Akademie weiterentwickeln?
Wir sind dabei, die Instrumente der dma zur Weiterbildung ständig quantitativ und qualitativ weiterzuentwickeln: Zunächst haben wir uns als Speerspitze auf die Experten-Roundtables für Führungskräfte konzentriert, dann kam der Ausbau der eco Akademie in Richtung Trainings für die Mitarbeiter von eco Mitgliedsfirmen und dieses Jahr ist die eco Akademie mit Webinaren gestartet.
Da die Notwendigkeit, sich ständig weiterzubilden, in Zukunft immer wichtiger werden wird, gehen wir davon aus, dass wir zusammen mit relevanten Partnern auch in Zukunft weitere Instrumente entwickeln werden. Ein Instrument, dass in unserer Headline- und Stakkato-Gesellschaft geradezu prädestiniert dazu erscheint, ist Micro- und Nano-Learning in kleinen, appetitlichen, aber kontinuierlichen Häppchen.