Smarter, nachhaltiger und sozialer – so wird die Logistik 4.0. Wie das Internet of Things (IoT) Lieferkosten spart, Transporte beschleunigt und Rohstoffe vom Kunden bis zum Erzeuger zurückverfolgt. Multimodale Logistiknetzwerke standen im Zentrum der IoT Business Trends 2020.
Nicht nur in Zeiten der weltweiten Coronavirus-Pandemie ist die Logistik gefordert. Was es bedeutet, wenn sich Nachfrageschwankungen vom Konsumenten bis zum Lieferanten aufschaukeln, hat fast jeder Deutsche bei Klopapier und Küchentüchern kennengelernt. Die Lösung liefern vollständig über das Internet of Things digitalisierte Liefernetzwerke. Denn wenn sich Waren und IoT-Daten zeitsynchron bewegen, lassen sich gefährliche Peitscheneffekte über Analysen ausgleichen.
Umschlagplatz mit IoT: Zeitfenster planen und Wartezeiten reduzieren
Prozesse digitalisieren und Wertschöpfungsketten elektronisch abbilden: „Das sind die Top-Trends der Branche, wie unsere aktuelle Umfrage zeigt“, sagte Dr. Christian Grotemeier. Der Geschäftsführer bei BVL.digital gehörte zu den insgesamt vier Referentinnen und Referenten, die am 22. Juni auf der Online-Konferenz vor rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprachen. Grotemeier: „Spediteure setzen auf digitale Technologien, um Tonnagen zu erhöhen, ihre Fahrzeit pro Fahrerstunde zu maximieren und die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu steigern.“ Beispiel Zeitmanagement: Treffen Ladungen am Bestimmungsort ein, brauchen Transporteure zumeist Geduld. Oft sind Rampen belegt und zu wenig Mitarbeiter zur Be- und Entladung vor Ort. „Über das IoT lassen sich Transporte verfolgen, Zeitfenster planen und Wartezeiten reduzieren“, sagte Grotemeier. Das Ergebnis: Mehr Fracht in weniger Zeit.
Egal, ob dynamisches Zeitfenstermanagement, elektronische Papiere oder Predictive Analytics für den Umschlagplatz: Was Fahrern wie Kunden gefällt, scheitert aber noch an der Umsetzung. „Zwar schätzen die Unternehmen die Chancen der Digitalisierung als hoch ein. Aber noch zu wenige digitalisieren ihre Abläufe oder stellen notwendige Planungsdaten für Partner bereit.“ Dass sich der Sprung von der Theorie in die Praxis lohnt, zeigt das Projekt SaSCh. „Fließen IoT-Daten übergreifend entlang multimodaler Supply Chains, lassen sich nicht nur Ankunftszeiten prognostizieren, sondern auch die Qualität von Bauteilen überwachen“, sagte Sandra Hohenecker, Senior Manager Identifikation/Datenträger bei GS1 Germany.
Just-in-Time-Produktion mit IoT: Probleme remote erkennen
Wo das besonders wichtig ist? Beispielsweise in der Automobilfertigung. Hersteller halten Bauteile nicht mehr kostenintensiv auf Vorrat, sondern lassen sie sich bedarfssynchron zuliefern. Bei der sogenannten Just-in-time-Produktion drohen Ausfälle, wenn etwa empfindliche Karosserieelemente, Verkleidungen und Elektronikkomponenten unterwegs Schaden nehmen. „Sensor-Daten sorgen für Transparenz“, sagte Hohenecker. „Erschütterungen und Umwelteinflüsse lassen sich überwachen, Schwellenwerte definieren und Mitarbeiter im Zweifelsfall benachrichtigen.“ Wer Probleme remote erkennt, leitet potentiell beschädigte Bauteile auf einen Diagnoseplatz um und nicht in die laufende Produktion.
Intermodale Mobilität mit IoT: Mit einer App durch die EU reisen
Störungen aus der Ferne erkennen, Routen in Echtzeit optimieren und nebenbei das Klima schützen: Auch im intermodalen Verkehr sorgt das IoT für Bewegung. „Wir sammeln, verarbeiten und analysieren urbane Daten“, sagte Prof. Dr. Lutz Heuser, CEO, CTO & Co-Founder beim Urban Software Institute. „So ermöglichen wir neue Dienstleistungen für Städte, Kommunen und Versorger.“ Beispielsweise arbeitet das Projekt ProSeMo an einer App, mit der Reisende nahtlos intermodal in der EU unterwegs sind. Künstliche Intelligenz unterstützt die Planung über unterschiedliche Verkehrsträger hinweg und optimiert die Route auch in puncto Kohlendioxid-Ausstoß. Heuser: „Ziel des Projektes ist es, im Verbund ein marktfähiges Mobilitäts-Ökosystem zu erforschen und umzusetzen.“
Rückverfolgbare Agrarlieferketten mit IoT: Internationale Standards einhalten
Neue IoT-Lösungen für Logistikketten entwickeln und sogar weltweit anwenden – nicht anders arbeitet die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ. „Wir machen Agrarlieferketten über das IoT rückverfolgbar“, sagte Maike Möllers, stellvertretende Leiterin des Programms Nachhaltige Agrarlieferketten und Standards. „Und das vom Bauern, der Rohstoffe produziert, über alle Transportwege hinweg bis in den Handel.“ Unternehmen sollen bei ihrer Geschäftstätigkeit nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen verhindern und mildern. Möllers: „Transparente und rückverfolgbare Lieferketten gewährleisten, dass internationale Standards in den Bereichen Menschenrechte, Ökologie und Soziales eingehalten werden.“ Das ist gut für Verbraucher, Erzeuger und Ökologie: Bauern in den Anbauregionen profitieren von fairen Löhnen. Nachhaltig angebaut lassen sich Rohstoffe im Einklang mit Ökologie und Biodiversität erzeugen – und das jederzeit digital nachweisbar.
„Zu Lande, zu Wasser und in der Luft – die Logistik ist prädestiniert, ihre Prozesse und Abläufe über das Internet der Dinge abzubilden“, sagte Dr. Bettina Horster, Vorstand bei VIVAI Software, und Leiterin der Kompetenzgruppe IoT bei eco. „Speditionen arbeiten rund um den Erdball und rund um die Uhr,“ sagte Thorsten Stuke, Geschäftsführer bei m2m-Tailors, und Experte Mobility bei eco. „Dezentrale, multimodale und globale Liefernetzwerke lassen sich über digitale Technologien beherrschen.“