17.04.2015

Nachbericht: eco Zukunftsdialog III – Neuausrichtung der Internetverwaltung

Internationale Community treibt Transition voran

Berlin, 10.04.2015 – Wer wird in welcher Form ab Oktober 2015 die Aufsicht über die IANA-Funktionen übernehmen? Je mehr dieser Termin näher rückt, desto intensiver wird die Diskussion geführt, nachdem die US-Regierung zu Beginn des vergangenen Jahres angekündigt hatte, die Aufsicht über ICANN und damit auch über die IANA-Funktionen abgeben zu wollen. Um über den aktuellen Stand zu informieren, luden ICANN und eco inzwischen zum dritten Mal zum „Zukunftsdialog“ ein. Mit mehr als 30 Teilnehmern wurde der Prozess der IANA Stewardship Transition intensiv diskutiert und analysiert.

Technische Community sieht keine Brisanz

Nach der Begrüßung durch die eco Vorstände Prof. Michael Rotert und Oliver Süme stellten ICANN Vice-President Europe Jean-Jaques Sahel und Thomas Rickert, eco Director Names & Numbers, Mitglied des GNSO Council sowie Co-Chair der Cross-Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability, den aktuellen Stand des Prozesses dar. Dabei unterstützt wurden sie von den Vertretern der technischen Community Axel Pawlik (Managing Director, RIPE NCC) und Hans-Peter Dittler (Vorstand, ISOC Deutschland). Wie bereits beim vorangegangenen Zukunftsdialog II im Dezember 2014 stellten sie dar, dass aus technischer Perspektive die IANA Stewardship Transition keine politische Brisanz in sich berge. „Wir lassen am besten alles so, wie es ist“, so Pawlik. Schließlich sei die technische Community mit den Services von IANA zufrieden. Auch Dittler sah den bisherigen Verlauf der Stewardship Transition positiv, solange die Sicherheit und Stabilität von ICANN gewährleistet bleibe. So befinde sich das IETF (Internet Engineering Task Force) mit der ICG (IANA Stewardship Transition Coordination Group) in intensivem Austausch.

Vorschläge zur IANA Transition

Thomas Rickert wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Prozesse zur IANA Stewardship Transition und zu Enhancing ICANN Accountability nicht von ICANN gesteuert werden. Vielmehr stelle ICANN nur den Rahmen und Ressourcen für die Multi-Stakeholder Community zur Verfügung, in dessen Rahmen die Wege zur Transition diskutiert und abgestimmt werden. Dazu gehöre beispielsweise die Einholung unabhängiger Rechtsberatung. „Dagegen steckt in der Vergabe der Webadressen deutlich mehr Konfliktpotenzial“, so Wolf-Ulrich Knoben als Vertreter der IANA Stewardship Transition Coordination Group (ICG). Diese Gruppe koordiniert und aggregiert die Vorschläge zur IANA Stewardship Transition aus den Communities für IP-Adressen, Protokolle und Namen. Zentral ist dabei die Frage, ob die Kontroll-Instanz über IANA, welche die Aufsicht der US-Regierung ersetzen soll, in Zukunft außerhalb oder innerhalb von ICANN angesiedelt werden soll. Daher werden derzeit unterschiedliche Vorschläge diskutiert und durch die ICG auf ihre juristische Anwendbarkeit überprüft. Ein anwendungsfähiger Vorschlag soll bis zum Ende des ICANN Meeting in Buenos Aires im Juni vorgelegt werden.

Die Arbeit der CCWG

In diesem Zusammenhang erläuterte Thomas Rickert die Aufteilung der Stewardship Transition in den so genannten „Workstream 1“ und „Workstream 2“. Der erste Prozess beinhaltet alle notwendigen Schritte, die bis zum Oktober 2015 vollzogen werden müssen. Der zweite Prozess wiederum widmet sich der Optimierung von ICANN, die darüber hinaus geht. In der folgenden Diskussion stellten auch Thomas Schneider (Chair des Regierungsbeirats bei ICANN), Hubert Schöttner (Mitglied des Regierungsbeirats bei ICANN) und Wolfgang Kleinwächter (Mitglied des ICANN Board) heraus, dass inzwischen eine sehr international aufgestellte Community daran arbeitet, wie eine bisher in den USA angesiedelte Aufsicht zukünftig gemeinschaftlich geregelt wird, bei denen alle Ebenen – von den jeweiligen Regierungen bis zu den Zivilgesellschaften – berücksichtigt werden. Um dafür den entsprechenden Rahmen zu stellen, schlägt die CCWG Reformen in den Bereichen „Empowered Community“, „ICANN Board“, „Principles“ und „Independent Appeal Mechanisms“ vor. Dabei stellte Rickert eine Reihe wichtiger Aspekte vor, die hier berücksichtigt werden müssen.

BMWi engagiert sich für deutsche Position

Nach der ersten Pause ergriff Hubert Schöttner vom Bundeswirtschaftsministerium das Wort. Als deutscher Vertreter im Regierungsbeirat von ICANN hat er die Erarbeitung einer gemeinsamen deutschen Handlungsempfehlung zur IANA Stewardship Transition mit eco und weiteren Institutionen – sowohl aus der Wirtschaft als auch aus der Zivilgesellschaft – vorangetrieben. Schöttner wies darauf hin, dass „das offene Selbstverwaltungsmodell von ICANN unbedingt geschützt und weitergeführt werden muss, um die positive Entwicklung des Internets fortzuführen.“ Noch zu lösen sei die Situation, dass Institutionen, die von Entscheidungen von ICANN betroffen, aber nicht bei ICANN repräsentiert sind, in Prozesse eingebunden werden können. Als Beispiel nannte er Entscheidungen von ICANN, die in Datenschutzrechtsfragen nationalen Gesetzen widersprechen.

ICANN stellt Rahmen für Transition zur Verfügung

Tarek Kamel als Senior Berater des ICANN Präsidenten bedankte sich, dass ICANN durch Veranstaltungen wie den Zukunftsdialog auch für die deutsche Community die Möglichkeit bekomme, den Transition Prozess zu unterstützen. Außerdem wies er auf die enge Zusammenarbeit mit ISOC, RIPE, IETF und anderen Organisationen hin. Dabei gab er den Anwesenden einen historischen Abriss, wie es zur Gründung von ICANN gekommen ist. „Der Multistakeholder-Ansatz ist für uns alternativlos“, so Kamel zur weiteren Zukunft der Institution. Darüber hinaus sei es bemerkenswert, dass alle Gruppen und Vertreter auf Augenhöhe miteinander verhandeln.

Im Anschluss stellte Wolfgang Kleinwächter die aktuelle Lage des ICANN Board dar. Dabei unterstrich er, dass nicht das Board den Takt bei ICANN vorgebe, sondern die Community. Daher warnte er vor Forderungen, dass „die Zukunft des Internet in der UN-Vollversammlung besprochen werden soll. Schließlich ist die Vollversammlung kein Multistakeholder-Gremium.“ Es sei weder die technische Community noch die Zivilgesellschaft vertreten. Trotzdem sei sich das ICANN Board bewusst, so Kleinwächter, dass es sich fortwährend um die Schaffung von Vertrauen aus der Community gegenüber dem Board bemühen muss – „Offener Dialog“ sei hier die einzige Lösung.

„Das new gTLD Program hat einen Prozess in Gang gesetzt“, führt Kamel fort. Mit dem Start des Programms wurden auf internationaler Ebene Fragen mit regionaler Bedeutung diskutiert, was in dieser Form zuvor nicht stattfand, so der Berater des ICANN Präsidenten. Dies habe zu einer aktiveren und miteinander interagierenden Community beigetragen. Abschließend stellte Thomas Schneider, Sprecher des Regierungsbeirats bei ICANN, dar, dass man bei der Diskussion nicht vergessen dürfe, dass das Internet aus historischen Gründen amerikanische Wurzeln hat. Trotzdem: „Das Mindset von ICANN ist bereits viel stärker internationalisiert“, so Schneider, „auch wenn es da noch Verbesserungsbedarf gibt.“ Das habe sich bei einigen Diskussionen gezeigt, wie zum Beispiel bei „.vine“. „Wichtig ist es“, so Schneider weiter, „dass man an diesem Prozess dranbleibt.“

Zum Schluss sprach Thomas Rickert an, wie sich die aktuelle Arbeit an der IANA Stewardship Transition auf die Beteiligten auswirkt. Die Intensität der Arbeit beinhalte bereits einen Auswahlprozess, wer dies zu leisten bereit und imstande sei. ICANN sei hier aufgefordert zu gewährleisten, möglichst viele an dem Prozess beteiligte Stakeholder und Communities nachhaltig zu erreichen und mitzunehmen. Dies war der Auftakt für eine rege Diskussions- und Fragerunde zum Abschluss der Veranstaltung.

ICANN und eco werden voraussichtlich im Juni 2015 zum nächsten Zukunftsdialog einladen, um die Vorschläge der ICG und CCWG im Rahmen des ICANN Meetings in Buenos Aires zu diskutieren.

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