Die eco Kompetenzgruppe Mobility freut sich über das neue Beiratsmitglied Dr. Julian Weber. Als Senior Consultant In-car Data, Cybersecurity & AI beim Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) will er Potenziale der smarten Mobilität ausbauen, sie vor Risiken absichern und die Branche gemeinsam für die Zukunft fit machen.
Welche Aspekte der digitalen Transformation im Mobilitätssektor halten Sie für besonders vielversprechend und warum?
Zunächst einmal halte ich es grundsätzlich für schwierig, die digitale Transformation im Mobilitätssektor losgelöst von anderen Entwicklungen zu betrachten. Digitalisierung ist ein geradezu klassisches Querschnittsthema und kennt – anders als der Mensch, der in der Regel feste Strukturen braucht [lacht] – keine Abteilungs-, Branchen- oder Sektorengrenzen. Sie verändert bestehende Lösungen und Geschäftsmodelle gnadenlos quer über alle Bereiche hinweg, oft disruptiv.
Erinnern Sie sich daran, wie Uber 2013 mit nichts als zwei Apps quasi über Nacht das über ein Jahrhundert alte Taxigewerbe mit all seinen Regeln, Lizenzen, Verträgen und Tarifen überholt hat? Und das, ohne selbst auch nur ein einziges Auto zu besitzen, einen einzigen Fahrer zu bezahlen, oder dazu irgendwelche technischen Veränderungen an Fahrzeugen zu benötigen.
Aber zurück zur Frage. Im Umfeld der Mobilität sehe ich heute drei Themen als besonders vielversprechend: Die Nutzung der von vernetzten Fahrzeugen generierten Daten, die Sicherheit vor Cyberangriffen und natürlich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Wie möchten Sie als Beiratsmitglied die Arbeit der Kompetenzgruppe Mobility bereichern?
Die Kernaufgabe des eco Verbands sehe ich in der Vertretung der Interessen der Internetwirtschaft, die in ihrer Breite und Heterogenität wiederum maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft der Mobilität hat. Und genau in diesem Bereich würde ich mich – ohne rot zu werden – als Experte bezeichnen.
Meine persönliche Expertise in der „Future Mobility“ möchte ich als Beiratsmitglied in die Kompetenzgruppe Mobility einbringen, um gemeinsam zukünftige Potenziale und Risiken der Internetwirtschaft im Bereich der Mobilität zu identifizieren, für entsprechende strategische Weichenstellungen zu sorgen und diese gegenüber Politik, Gesellschaft und anderen Stakeholdern zu vertreten.
Welche Erfahrungen oder Projekte aus Ihrer beruflichen Laufbahn können einen Mehrwert für die Aktivitäten der Kompetenzgruppe bieten?
Meine Erfahrungen, die ich nun in die Kompetenzgruppe einbringen möchte, habe ich in drei Bereichen gesammelt. In erster Linie in inzwischen über 25 Jahren als Führungskraft in der Automobilindustrie, mit sehr unterschiedlichen, aber immer sehr innovativen Aufgaben – etwa einem Think Tank für nachhaltige Mobilität, dem Aufbau der Fahrzeugdateninfrastruktur oder der Nutzung von fahrzeuggenerierten Daten für den Bereich Service & Repair. Zum anderen durch meine aktuelle Tätigkeit als Interessenvertreter für In-Vehicle Data, Automotive Cybersecurity und KI beim Verband der Automobilindustrie. Und darüber hinaus als Adjunct Professor, Wissenschaftler, Buchautor, Berater, Beirat und Speaker in den Bereichen Future Mobility, Digitalisierung und Automotive Engineering.
Welche Rolle schreiben Sie innovativen Technologien wie KI und Big Data in der zukünftigen Entwicklung des Mobilitätssektors zu?
Künstliche Intelligenz hat an vielen Stellen bereits Einzug in die Mobilität gehalten, das Potenzial bleibt aber weiterhin enorm. Dabei geht es um die Umsetzung innovativer Fahrzeugfunktionen, um smarte Anwendungen in der Fahrzeugentwicklung und -produktion sowie um intelligente Verkehrssteuerung. In den von Fahrzeugen generierten Daten steckt ein enormes Potenzial für neue Funktionen und Services. Insbesondere durch digitale Verknüpfung bislang getrennter Sektoren lässt sich hier Mehrwert generieren.
Meine Lieblingsbeispiele für solche innovativen Verknüpfungen sind das Trunk-Delivery, also die Möglichkeit für Zusteller, Briefe, Päckchen oder Pakete im Kofferraum eines geparkten Fahrzeugs abzulegen. Ein anderes Szenario ist die Integration von Elektrofahrzeugen und gebrauchten EV-Batterien ins Stromnetz, um so erneuerbare Energien besser speichern und nutzen zu können. Ein weiterer, vielversprechender Bereich ist das Monitoring des Zustands von Fahrzeugen und ihrer Komponenten zur Schadensprävention, Prädiktion und von Wartungs- und Reparaturbedarfen – sowie im nächsten Schritt zur Umsetzung einer smarten Circular Economy. Zu guter Letzt, ermöglicht die Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur es, Verkehrsflüsse unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrslage, Hindernisse, Gefahrenquellen, Wetterbedingungen effektiv zu steuern und zu optimieren.
Zusätzlich ist unter den digitalen Technologien in der Mobilität die Cybersecurity quasi zum Shooting Star geworden – und die aktuellen geopolitischen Entwicklungen werden diese Bedeutung weiter verstärken. Neben dem Risiko der Spionage, also des Informationsabflusses, steht bei vernetzten Kraftfahrzeugen das Risiko der Sabotage im Vordergrund, also der böswilligen Manipulation von Antrieb, Lenkung oder Bremse. Wenn solche Angriffe nicht nur auf Einzelfahrzeuge, sondern ganzen Flotten abzielen, erhalten diese Risiken eine ganz neue Dimension. Regulatorisch kommt nun also zu passiver Sicherheit (und Emissionsarmut) die Forderung hinzu, Cyberangriffe auf Fahrzeuge abzuwehren und so Spionage und Sabotage zu verhindern. Dazu muss die gesamte Wertschöpfungskette für Hardware und Software betrachtet werden, inklusive der zur Entwicklung und Produktion eingesetzten IT-Systeme.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für nachhaltige Mobilität, und wie kann die eco Kompetenzgruppe dabei unterstützen?
Diese Frage schreit förmlich nach einer Gegenfrage: Wie definieren wir nachhaltige Mobilität? Nachhaltigkeit umfasst ja bekanntlich drei Säulen: Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Meinen wir hier nur die Emissionsarmut von Kraftfahrzeugen? Oder auch Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer? Gleichermaßen nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten optimierte Produktionsprozesse?
Hier kann die Kompetenzgruppe Mobilität des eco Verbands mit ihrer Expertise in der Nutzung von Fahrzeugdaten und KI meines Erachtens insbesondere zu zwei Punkten wirksam werden: Bei der Reduzierung von Fahrzeugemissionen und gleichzeitiger Kostenoptimierung der Verkehrsinfrastruktur durch intelligente Verkehrsplanung und Verkehrsführung. Außerdem durch optimierte Nutzung, Wiederverwertung und Recycling von Fahrzeugkomponenten beim Life Cycle Engineering.
Welche Prioritäten sollten im Bereich Regulierung und Recht für den Mobilitätssektor gesetzt werden?
Über die letzten Jahre sind national und vor allem europaweit eine Vielzahl von Rechtsakten in Kraft getreten, die die Digitalisierung des Mobilitätssektors betreffen und die Industrie stark belasten. Hier gilt es meines Erachtens nun, die entstandene Regulierungslandschaft zu konsolidieren und diese schlank, widerspruchs- und überlappungsfrei zu gestalten, insbesondere auf europäischer Ebene. Einen inhaltlichen Schwerpunkt sehe ich hier beispielsweise in der Herstellung einer belastbaren Balance zwischen der Möglichkeit zur Datennutzung auf der einen und der Gewährleistung von Datenschutz und Cybersicherheit auf der anderen Seite.
Gleichzeitig rückt vor dem Hintergrund der sich aktuell vor unser aller Augen vollziehenden geopolitischen Veränderungen die Wahrung der nationalen und europäischen Sicherheit in den Vordergrund. Wo im Umfeld der vernetzten Mobilität technologische Abhängigkeiten bestehen, sollten wir uns schnellstmöglich daraus lösen – wobei Unabhängigkeit nicht heißt, dass wir nicht auch weiterhin außereuropäische Lösungen nutzen werden. Die erforderliche Abwehr von Spionage durch und Sabotage von vernetzten Fahrzeugen sollten wir möglichst mit technischen Mitteln realisieren, um nur in Ausnahmefällen auf handelspolitische Maßnahmen wie Einfuhrverbote zurückgreifen zu müssen.
Wie können wir Ihrer Ansicht nach die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Forschung und öffentlicher Hand verbessern?
Es gibt eine zugegebenermaßen sehr vereinfachte Erklärung für den Unterschied zwischen Forschung und Entwicklung, die es aber meines Erachtens im Kern gut auf den Punkt bringt: Forschung macht Geld zu Wissen, Entwicklung macht Wissen zu Geld. Wer also – zum Wohle aller – die Wirtschaft ankurbeln möchte, sollte Forschung schwerpunktmäßig dort fördern, wo zum einen die Ergebnisse von möglichst vielen genutzt werden können, und zum anderen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nachhaltig gestärkt wird. Für die Mobilität sind das für mich wieder die drei schon genannten Technologiebereiche: Infrastrukturen für die Nutzung von Daten und die Anwendung von KI sowie Methoden zur Abwehr und Risikoreduzierung von Cyberangriffen.
Nur wenn sich Wirtschaft, Forschung und öffentliche Hand regelmäßig gegenseitig die Karten legen, idealerweise orchestriert durch die öffentliche Hand, lassen sich die bereitgestellten Mittel optimal einsetzen. Umgekehrt ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, Forschung nicht politisch zu instrumentalisieren und etwa Studien gezielt zur Stützung eigener Agenden zu beauftragen.
Was motiviert Sie persönlich, sich für die eco Kompetenzgruppe Mobility zu engagieren?
Ich sehe mich als Advokat einer attraktiven und zukunftsfähigen Mobilität. Individuelle Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis, das aber – speziell im urbanen Raum – immer stärker mit anderen Bedürfnissen kollidiert, etwa dem nach Sicherheit, Luftqualität oder Nutzung des öffentlichen Raums.
Das Internet und die Internetwirtschaft sind für mich der Schlüssel zur Auflösung dieses inzwischen in der Gesellschaft tief verankerten Interessenskonflikts. Es ermöglicht die Gestaltung sicherer, nachhaltiger und gleichzeitig auch attraktiver Fahrzeuge. Es macht das Fahren sicher, emissionsarm und ermöglicht attraktive Zusatzfunktionen für (Mit-)Fahrerinnen und Fahrer sowie andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Das Internet und die Internetwirtschaft, die Schwerpunkte des eco-Verbands, kann man also getrost als das Herz der Mobilität von morgen bezeichnen. Somit liegt für mich nichts näher, als mich für beides einzusetzen.
Eine letzte Frage: Welche Impulse für den Bereich Mobilität wünschen Sie sich von der 2025 neu gewählten Bundesregierung?
Neue digitalpolitische Impulse sind dringend erforderlich. Eine neue Bundesregierung sollte insbesondere für einen schlanken regulatorischen Rahmen sorgen: einer, in dem vernetzte, Software-zentrierte und autonome Fahrzeuge entstehen können, in dem Wertschöpfung aus Daten nicht nur gefordert, sondern auch gefördert wird, und der unabhängige Lieferketten und Infrastrukturen erlaubt.
Und natürlich erhoffe ich mir wieder mehr Sachlichkeit in den Debatten – weg von Ideologien hin zu Lösungen. Die hat schon vorher gelitten und ist im Wahlkampf vollends unter die Räder gekommen. Da können wir alle wieder besser werden.
Brennen Sie ebenfalls für die Transformation der Mobilität? Dann werden Sie Teil des eco Verbands und engagieren Sie sich in unserer Kompetenzgruppe Mobility. Kontaktieren Sie uns hier!
