Größtes Meeting in der Geschichte von ICANN
Mit mehr als 3.100 Teilnehmern war das ICANN57 Meeting im indischen Hyderabad nicht nur das bisher größte in der Geschichte von ICANN, sondern auch das erste Meeting im C-Format der neuen Meeting-Strategie, das erste Meeting mit zwei Public Forums und auch das erste Meeting nach der erfolgreichen IANA Stewardship Transition.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Transition nahmen die so genannten Public Technical Identifiers (PTI) ihren Betrieb der IANA-Funktionen auf. Die PTI´s führen die IANA-Funktionen gemäß dem „IANA Naming Functions Contract“ mit ICANN und den Unterverträgen mit ICANN über die Durchführung der Nummern- und Protokollparameter-Dienste durch. Gleichzeitig nahm das „Customer Standing Committee“ (CSC) seine Arbeit auf. Es hat die Aufsicht über die Durchführung der IANA-Namensfunktion, analysiert die monatlichen Leistungsberichte und veröffentlicht seine Ergebnisse. Das CSC ist berechtigt Maßnahmen zu ergreifen, falls es bei der IANA-Namensfunktion Anlass zur Beanstandung gibt. Sofern vom CSC identifizierte Probleme nicht behoben werden, ist das Committee berechtigt, diese zur weiteren Überprüfung an das ccNSO und GNSO zu eskalieren. Darüber hinaus kann das CSC Änderungen an den Naming Service Level Expectations sowie Verbesserungen für die Bereitstellung der IANA Namensfunktion empfehlen.
eco wurde beim ICANN57 von Thomas Rickert (GNSO / CCWG Accountability), Wolf-Ulrich Knoben (GNSO / ISPCP) und Lars Steffen (UASG / ISPCP) vertreten. Für die Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Accountability-Maßnahmen bei ICANN (CCWG) begann das Meeting bereits am 2. November mit einem ganztägigen Workshop zum so genannten „Work Stream 2“. Die CCWG erörterte die Zwischenergebnisse der Unterarbeitsgruppen und führte eine besonders angeregte 70-minütige Diskussion mit dem ICANN-CEO Göran Marby über die Funktion des geplanten Beschwerdebeamten, der von ihm kurz vor Beginn des ICANN57 Meetings angekündigt wurde. Marby zeigte großes Interesse an der Arbeit der CCWG und bot einen kontinuierlichen Dialog mit der Gruppe an.
Die offizielle Begrüßungszeremonie für das ICANN57 Meeting fand am Samstag den 5. November statt. Die Eröffnungsreden hielten Samiran Gupta (Leiter ICANN Indien), Rama Rao (Minister für Justiz, Elektronik und Informationstechnologie), Ravi Shankar Prasad (Minister für Informationstechnologie von Telangana), Dr. Steve Crocker (Vorsitzender des ICANN-Vorstandes) und Göran Marby (Präsident und CEO von ICANN). Während der Zeremonie wurde eco Director Names & Numbers Thomas Rickert gemeinsam mit mehreren anderen Persönlichkeiten der ICANN Community, die sich um die erfolgreiche IANA Stewardship Transition verdient gemacht haben, mit dem Leadership Award ausgezeichnet. Die Ehrung würdigt jährlich Mitglieder der Community für ihr außerordentliches Engagement für ICANN.
Gewinner des 2016 Leadership Award
- Alissa Cooper,
Chair, IANA Stewardship Transition Coordination Group - Marc Blanchet,
Co-Chair, IANAPLAN Working Group - Leslie Daigle,
Co-Chair, IANAPLAN Working Group - Mohamed El Bashir,
Vice Chair, IANA Stewardship Transition Coordination Group - Patrik Fältström,
Vice Chair, IANA Stewardship Transition Coordination Group - Lise Fuhr,
Co-Chair, Cross Community Working Group to Develop an IANA Stewardship Transition Proposal on Naming Related Functions - Nurani Nimpuno,
Vice Chair, Numbering Resources: Consolidated Regional Internet Registry IANA Stewardship Proposal Team - Izumi Okutani,
Chair, Numbering Resources: Consolidated Regional Internet Registry IANA Stewardship Proposal Team - Thomas Rickert,
Co-Chair, Cross Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability - Jonathan Robinson,
Co-Chair, Cross Community Working Group to Develop an IANA Stewardship Transition Proposal on Naming Related Functions - León Sánchez,
Co-Chair, Cross Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability - Mathieu Weill,
Co-Chair, Cross Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability
Internet Service Providers and Connectivity Providers Constituency (ISPCP)
Während des ICANN57-Meetings veranstaltete die ISPCP mehrere geschlossene und offene Sitzungen, in denen unter anderem folgende Themen diskutiert wurden: Updates zur Arbeit aus dem GNSO-Council, zu den Vorschlägen des Councils zum „GNSO Bylaws Draft Report“ und den Wahlen der GNSO Vice-Chairs/Chairs. Die Universal Acceptance Steering Group (UASG) trug ebenfalls einen Vortrag zum aktuellen Stand ihrer Arbeit bei. Die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der IANA Stewardship Transition sowie der ICANN Accountability wurden ebenso erörtert. Zum Abschluss hielt die Commercial Stakeholder Group mit Teilnahme der ISPCP ein Treffen mit dem ICANN Board und ICANN-CEO Göran Marby ab.
Innerhalb des GNSO wird noch immer eine grundsätzliche Debatte darüber geführt, wie und durch wen die Community in der zukünftigen „Empowered Community“ vertreten sein wird. Schließlich berührt die Frage die aktuellen Strukturen im GNSO-Council. Der bestehende Wahlmechanismus benachteiligt die Commercial Stakeholder Group gegenüber den Registry and Registrar Stakeholder Groups, denen die Möglichkeit eingeräumt wird, jede Entscheidung der CSG zu blockieren. Ein Kompromissvorschlag mit entsprechender Public Forum Phase sowie einer anschließenden rechtlichen Bewertung wurde nicht akzeptiert, womit die Entscheidung vertagt wurde. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die US-Administration weiterhin sehr genau darauf achten wird, wie sich ICANN und die ICANN-Community nach der Transition entwickeln und ob der eingeschlagene Weg aus ihrer Sicht nachhaltig ist.
Am 7. November 2016 veranstaltete die ISPCP in Zusammenarbeit mit ICANN ein 5-halbtägiges Outreach Event für ISPs, Telcos und Regierungsvertreter aus Indien und angrenzenden Ländern. Unter dem Titel „Connect with What’s Next – Unternehmen, Kunden und Konnektivität“ fanden vier Podiumsdiskussionen und Lightning Talks mit mehr als 150 Teilnehmern statt. Das erste Panel diskutierte die Frage, wie Unternehmen vom Beispiel der digitalen Transformation indischer Unternehmen lernen können. Da die Bereitstellung von Internet-Konnektivität Umsatzwachstum und Innovation vorantreibt, würde eine koordinierte Strategie dazu beitragen, die nächste Milliarde Nutzer online zu bringen, so die einhellige Meinung der Diskutanten. Insbesondere die Schwierigkeiten der Internetversorgung in ländlichen Gebieten wurde diskutiert. Die indische Regierung hat dafür ein Programm gestartet, um „jedem Dorf“ bis 2020 Zugang zu Breitband-Diensten zu ermöglichen. Damit sei die Erwartung verknüpft, dass die Anzahl der Nutzer im gleichen Zeitraum um ungefähr 200 Millionen steigen wird.
Das zweite Panel diskutierte die Rolle von Internet Exchange Points (IXPs). Sie stellen für ISPs, Connectivity Provider und Content Delivery Networks Infrastrukturkomponenten von zentraler Bedeutung bereit. IXPs können dabei helfen, Entwicklungsländer wirtschaftlich autonomer zu machen, Millionen an Telekommunikationskosten zu sparen und zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Gleichzeitig unterstützen sie die Beschleunigung des lokalen Datenaustauschs und die Förderung lokal gehosteter Inhalte und Dienste. Die Panel-Teilnehmer diskutierten dabei Best Practices und Hürden beim Aufbau neuer IXPs in unterversorgten Regionen. Lars Steffen vertrat auf diesem Panel den DE-CIX als Teil der eco-Gruppe.
Das letzte Panel diskutierte jüngste Entwicklungen im Domain Name System, wie beispielsweise Internationalized Domain Names (IDNs) und neue generische Top Level Domains (neue gTLDs). Diese Entwicklungen definieren neu, wie Unternehmen neue Kunden und Märkte erreichen. Neue Internet-Protokoll-Adressen (IPv6) ermöglichen das Internet der Dinge (IoT) und wichtige Upgrades im DNS ermöglichen die Verbesserung von Sicherheit (DNSSEC / KSK Rollover) und Kompatibilität (UA). Der finale Flash Talk befasste sich mit der Frage, welche Vorteile der Einsatz von L-Root verspricht.
High Interest Topics & ccNSO
Thomas Rickert war in Hyderabad bei mehreren Panels und Sessions vertreten. Eine High Interest Topic Session befasste sich mit dem möglichen Missbrauch des Domain Name System, um den Zugriff auf Inhalte im Internet zu verhindern. Diese Session umfasste zwei Blöcke: zum einen, ob Fragen der Content-Regulierung überhaupt im Einflussbereich von ICANN liegen und zum anderen, ob es auch Grenzen in der Gestaltung von Geschäftsbedingungen (AGBs) der Registries gibt. Ein Blick in die Satzung von ICANN zeigt, dass die Kontrolle von Inhalten tatsächlich nicht in der Zuständigkeit der ICANN liegt. Allerdings wurden in jüngerer Vergangenheit Klauseln aus den Verträgen für neue gTLDs in die Satzung von ICANN übernommen. Diese Klauseln bieten die Möglichkeit, Registrierungen unter bestimmten gTLDs zu beschränken, die als inhaltsbezogen angesehen werden können. Die Session bot einen Überblick zum aktuellen Stand der Diskussion, einen Austausch über die Grenzen privatwirtschaftlicher Nutzungsbedingungen sowie die Grenzen innerhalb der von ICANN festgelegten Regeln.
Die Attraktivität, die von der Durchsetzung von Content-Regulierungen durch ICANN und ihre Vertragspartner ausgeht, besteht natürlich darin, dass sie einen bequemen Zugriff auf die meisten Inhalte, die online gehostet werden, bietet. Falls eine Regulierung auf diesem Weg durchgesetzt werden kann, stellt dies natürlich für den Beschwerdeführer einen sehr schnellen und kostengünstigen Weg dar, insbesondere im Vergleich zu einer regulären strafrechtlichen Verfolgung. Dies gilt insbesondere für grenzüberschreitenden Streitigkeiten, bei denen mehrere unterschiedliche Standorte des Beschwerdeführers, des Website-Hosters, des Website-Inhabers, der Registry oder des Registrars berücksichtigt werden müssen. Die Kehrseite dieser Methode ist jedoch, dass keine geregelten Prozesse und Rechenschaftspflichten gegenüber rechtlichen Prozessen aus nationaler Ebene berücksichtigt werden. Sobald private Parteien für die Durchsetzung bei Fragen der Content-Regulierung verantwortlich gemacht werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auf eine Art und Weise durchgesetzt werden, dass sie den betroffenen Parteien die geringsten Kosten und das geringste Risiko darstellen. Nutzerrechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre können dabei ins Hintertreffen geraten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ICANN oder Vertragspartner im Falle von Untätigkeit rechtlich für Inhalte von Registranten belangt werden sollen.
Thomas Rickert war außerdem einer der Moderatoren der High Interest Topic Session „How to do outreach innerhalb jeder SO / AC“, die vom ccNSO organisiert wurde. ICANN-Meetings sind ein zentrales Element für das Multi-Stakeholder-Modell von ICANN. Sie bieten eine Plattform, um die Arbeit an Policies voranzubringen, den Austausch von Erfahrungen und Best-Practices zu fördern sowie die Möglichkeit der Interaktion zwischen Mitgliedern der ICANN-Community – einschließlich Board and Mitarbeitern. Außerdem bieten die Meetings jedem die Möglichkeit, ICANN kennenlernen. Die Teilnehmer der Session diskutierten das Cross-Community-Engagement und die unterschiedlichen Outreach-Aktivitäten: Wie schafft man Bewusstsein für bestimmte Themen? Was bedeutet Outreach für ICANN? Was wurde bisher in den SOs und ACs getan und wie sehen die nächsten Schritte zu diesem Thema aus? Was bedeutet Outreach für jede SO beziehungsweise AC? All diese Fragen wurden mit Mitgliedern der Community und bekannten SO-Leadern diskutiert. Besonders für ICANN-Neulinge stellte diese Session wertvolle Informationen zur Verfügung.
Während der ccNSO Member Days veranstaltete Thomas Rickert weitere Sessions zum IANA Transition Work Stream 2 für die ccTLD Community gemeinsam mit León Felipe Sánchez Ambía (ALAC) und zum Thema „Datenschutz und Privatsphäre“. Zusammen mit Michele Neylon diskutierte Rickert mehrere Aspekte mit Blick auf Directory Services und Whois. In einer Industrie, die einer massiven globalen Konsolidierung unterliegt und in der die Welten von ccTLDs und gTLDs nicht immer eindeutig voneinander trennt sind, skizzierten die Moderatoren die Notwendigkeit eine Debatte darüber zu führen, wie die Industrie zukünftig mit dem Thema Datenschutz und Privatsphäre umgehen möchte. Das Work Stream 2 Update informierte die anwesende Community über den aktuellen Stand der Umsetzung von Work Stream 1 (Mechanismen zur Verbesserung der ICANN-Verantwortlichkeit, die innerhalb des Zeitrahmens für die IANA Stewardship Transition implementiert sein muss) und gab Updates zum Work Stream 2 (Handhabung von Aspekten zur Rechenschaftspflicht, für die ein Zeitplan zur Entwicklung von Lösungen und die vollständige Umsetzung über den IANA Stewardship Transition hinausgehen kann) sowie die Arbeit des ccNSO Guidelines Review Committee. Das ccNSO prüft weiter seine eigene Rechenschaftspflicht und Transparenz.
Universal Acceptance Steering Group (UASG)
Am 3. November startete die Universal Acceptance Steering Group das ICANN57-Meeting mit einem halbtägigen Workshop, gefolgt von einem öffentlichen Outreach-Meeting am Sonntag. Der Workshop erweckte vor allem bei der IDN-Gemeinde aus Indien viel Aufmerksamkeit mit einem intensiven Austausch von Wissen und Know-how. Darüber hinaus präsentierten einige UASG-Mitglieder eine Reihe von Updates in mehreren SOs und produzierten ein Interview-Video mit ICANN. Der ICANNwiki Quickie und der ISPCP-Newsletter berichteten über ebenfalls über die Aktivitäten der UASG.
Seit dem letzten ICANN-Treffen in Helsinki hat die UASG Fortschritte bei einer Reihe von Initiativen und Projekten erzielt. Nachdem im vergangene Jahr eine solide Basis mit Informationsmaterialien aufgebaut wurde, beginnt die Gruppe nun mit ihren Aktivitäten, um Softwareentwickler, Unternehmen, Verbände und Institutionen zu erreichen. So wird die erste Ausgabe des UA-Case Study Program kurz nach Hyderabad veröffentlicht werden, gefolgt von den ersten Aktivitäten, um Analysten zu involvieren. Darüber hinaus wird die UASG beginnen, Verbände zu informieren sowie ein influencer and media outreach program zu starten. Das Online-Supportformular, das die Möglichkeit bietet, Probleme mit Universal Acceptance direkt an den ICANN Global Support zu schicken, wurde als Beta-Version in Hyderabad in Betrieb genommen.
Ausblick & Deutscher Abend
Aus Networking-Perspektive war der Deutsche Abend – gemeinsam organisiert von DENIC und eco – für viele Teilnehmer ein Kickoff-Event für ICANN57 in Hyderabad. Die Dachterrasse des Westin Hotels war der ideale Ort für einen Abend voll Networking zwischen den Mitgliedern von eco und DENIC mit der internationalen ICANN Community.
Das nächste ICANN-Treffen findet vom 11. bis 16. März 2016 in Kopenhagen statt..