Handel ohne Grenzen? eco diskutiert Regeln für globalen E-Commerce
Von Fulfillment-Centern bis zum Geoblocking: Die Globalisierung des Online-Handels ändert die Spielregeln, der Gesetzgeber hinkt hinterher. Wieviel Freiheit tut dem digitalen Handel noch gut und wo besteht die Notwendigkeiten, Märkte zu überwachen und politisch zu gestalten? Muss über eine „Digitale Beschlagnahmung“ zweifelhafter Produkte gesprochen werden?
Köln, 25. Oktober 2016 – Auf den bundesdeutschen Markt gelangen – aus Nicht-EU-Drittstaaten – immer mehr Produkte, die in der EU nicht zugelassen sind. Beispielsweise ist der Strom an Elektrogeräten aus Fernost mit zweifelhafter CE-Kennzeichnung kaum noch zu kontrollieren. Zugleich möchte die EU Barrieren im grenzüberschreitenden E-Commerce abbauen. Wieviel Regulation ist also nötig und sinnvoll? Gibt die aktuelle Gesetzgebung den zuständigen staatlichen Organen die Handlungsmöglichkeiten, die Regulationen zu überwachen? Darüber diskutierten am 25. Oktober die Mitglieder der beiden eco Kompetenzgruppen E-Commerce sowie Recht & Regulierung im Rahmen der Internetwoche 7 in Köln.
Zum Fachgespräch begrüßte Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann, Leiter der Kompetenzgruppe E-Commerce die Teilnehmer in den Räumen des eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. Prof. Hofmann arbeitete in der ATRT-Projektgruppe „Online-Handel“ der Bundesnetzagentur mit. Diese Projektgruppe beschäftigte sich mit Herausforderungen für die Marktüberwachung, etwa durch neue Entwicklungen im internationalen Online-Handel. Beispielsweise ist es für die Verbraucher schwer zu überprüfen, ob das ihm bekannte CE-Kennzeichen bei einer Ware aus Fernost tatsächlich echt ist. Im stationären Handel ist es den Behörden möglich, durch stichprobenweise physische Beschlagnahmungen eine wirksame Marktüberwachung durchzuführen. Ein vergleichbares Instrument der „Digitalen Beschlagnahmung“, um beispielsweise online gehandelte Ware zu beschlagnahmen, fehlt den zuständigen Behörden.
Fulfillment Center mit unklarer rechtlicher Stellung
Die Mitglieder der ATRT-Gruppe beschäftigten sich damit, Vorschläge zur Verbesserung der Marktüberwachung im Onlinehandel zu erarbeiten; sie wiesen auf eine juristische Lücke hin: Denn häufig ist in der Lieferkette an der einführenden Stelle ein Fulfillment-Center (FFC) eingesetzt, das zu keinem Zeitpunkt Eigentümer der Ware ist, sondern im Auftrag eines Anbieters außerhalb des EU-Binnenmarktes agiert.
Wie die deutsche Wirtschaft unter Fulfillment-Centern leidet, die im quasi-rechtsfreien Raum agieren, berichtete aus der Praxis Herr Konrad Kraus, Geschäftsführer der Sabko GmbH. Einer seiner früheren Lieferanten – und heutigen Mitbewerber – führt nun über ein chinesisches FFC mit Lager in Bremen Maschinen ein, die er als nicht CE-konform ansieht. Der Weg geht über Hong Kong nach England und vor dort nach Bremen. Da die englischen Behörden sehen, dass die Ware für Deutschland bestimmt ist, haben sie kein gesteigertes Interesse an der sorgfältigen Prüfung. Kraus beklagte, dass dies ein rechtsfreier Raum sei, da es keine Rechtsgrundlage gäbe, Ware zu beschlagnahmen um die Echtheit der CE-Kennzeichen zu überprüfen. Die derart im rechtsfreien Raum agierende Konkurrenz schädigt sein hiesiges vorschriftsmäßiges Geschäft massiv.
Brauchen wir eine Lieferpflicht ins Ausland?
Im darauf folgenden Vortrag sprach Herr Philipp Ehmann, Referent Internetrecht und Telemedienregulierung im eco über die aktuelle Geoblocking-Praxis. Die EU-Kommission hat einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, der Geoblocking verhindern möchte. Online-Shops sollen nichtmehr anhand des Wohnortes des Käufers entscheiden dürfen, ob sich der Kaufvorgang abschließen lässt. Derzeit wird eine Reihe von Verordnungen zur Beseitigung des Geoblockings erarbeitet, die im Januar 2017 verabschiedet werden sollen. Vor der Verabschiedung dieser Verordnungen zur Beseitigung des Geoblockings seien noch viele offene Fragen zu klären, betonte Ehmann. Hier werden eigentlich nicht Personen, sondern eher Handelsplätze diskriminiert, gab Prof. Hofmann zu bedenken – der Verband eco wird diese Fragen weiter aktiv verfolgen.
Wie freundlich ist Deutschland zu seiner Internetwirtschaft?
Nutzen oder schaden Marktregulierungen der jungen digitalen Wirtschaft in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigte sich im folgenden Vortrag Herr Florian Kohl, Geschäftsführer des Revista Verlags und Pressesprecher der Wirtschaftsjunioren in Bayern. In Deutschland gibt es viele bürokratische Hemmnisse, nicht zuletzt, um ein Unternehmen zu gründen. Zudem gibt es kulturelle Gründe, warum die Quote der Selbstständigen in Deutschland eher gering ist. Eine der Ursachen sei, dass man in Deutschland generell immer gerne zunächst die Risiken und Probleme sehe statt der Chancen. Es gibt zwar genügend Gründerzentren, Internetanschlüsse mit hohen Bandbreiten seien in ganz Deutschland jedoch noch nicht flächendeckend vorhanden.
Bei den Wirtschaftsjunioren verfolge man unter dem Stichwort „Ermöglichen statt verhindern“ unterschiedliche Ansätze zur Steigerung der Gründerquote in der digitalen Wirtschaft: Infrastrukturelle Grundlagen schaffen, bessere Ausbildung in den Bereichen Programmierung, IT und Medienkompetenz, Bürokratie und Regulierungen vereinfachen und Start-Up-Visa einführen. An der abschließenden Diskussion beteiligten sich alle anwesenden Experten lebhaft.
Downloads
Lars Steffen:
Begrüßung, Termine und Neues aus der Kompetenzgruppe vom 25.10.2016
Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann:
Herausforderungen für die Marktüberwachung
Florian Kohl:
Marktregulierungen – Nutzen oder Schaden für die Junge Digitale Wirtschaft?
Katja Leimeister: