Aus der Reihe „IoT-Akteure“ (4)
In der Kolumne „5 Fragen an…“ sprechen wir regelmäßig mit innovativen Köpfen aus dem IoT-Bereich. In dieser Woche stellen wir Maik Morgenstern, CTO von AV-Test, vor.
Wir wollen wissen, was uns das Internet der Dinge in diesem Jahr noch bringen wird und wo es Einfluss auf Maiks Alltag nimmt…
Maik ist Geschäftsführer und Technischer Leiter der AV-TEST GmbH. Er steuert die Planung und Durchführung neuer Testszenarien, die technischen Innovationen sowie die kontinuierliche Reaktion auf neue Bedrohungen.
AV-Test werden am 5. Juli 2018 auf den eco IoT-Business Trends an einer Diskussionsrunde teilnehmen und mit ihrer Expertise zu IoT-Security einen wertvollen inhaltlichen Beitrag leisten.
Herr Morgenstern, wo kommen Sie privat mit dem IoT in Berührung?
IoT-basierte Assistenzsysteme halten bereits auf breiter Front Einzug in unser Privatleben. Ob im Auto, als Smart Home-Systeme, Sprachsteuerung von Multimedia-Komponenten und Haushaltsgeräten sowie natürlich im Mobilbereich. Da bildet das Zuhause meiner Familie keine Ausnahme. Viele dieser Produkte haben zwar derzeit noch den Status von Gadgets, allerdings mit dem Potential, in naher Zukunft eine tragende Rolle etwa in der Heimvernetzung zu spielen. Exemplarisch dafür ist die die Integrationsgeschwindigkeit von Sprach-Assistenten, wie Amazons Echo beziehungsweise Alexa. Ich gehe davon aus, dass in absehbarer Zeit kaum noch jemand von sich sagen kann, keine Berührungspunkte mit IoT-Produkten zu haben.
Was reizt Sie am Internet of Things?
Das Thema wird unser zukünftiges Leben sowie das Leben unserer Kinder radikal verändern. Darum müssen wir es jetzt aktiv und verantwortungsbewusst gestalten. Es gilt die Chancen zu ergreifen, die IoT bietet, und gleichzeitig die Risiken abzuschätzen und zu minimieren. Dazu zwei Beispiele: Smart Home wird unser Leben deutlich komfortabler gestalten, trotzdem ist solch eine Entwicklung nur fortschrittlich, wenn sie beispielsweise die Rechte des Einzelnen auf Privatsphäre nicht beschneidet. Die eigenen vier Wände müssen die eigenen vier Wände bleiben. Gleiches gilt etwa für eHealth-Angebote. Gerade für strukturschwache und ländliche Regionen mit geringer ärztlicher Abdeckung bietet die Telemedizin immense Chancen, auch für mobilitätseingeschränkte Patienten. Trotzdem müssen natürlich auch hier Datenschutz und Patientenrechte gewahrt bleiben. Das fängt bei der Garantie des Patientengeheimnisses durch sicher verschlüsselte Kommunikation an.
Die Vernetzung von Industrieanlagen und kritischer Infrastruktur wird massiven Einfluss nicht nur auf unsere Arbeitswelt, sondern auch auf unsere Gesellschaft als Ganzes haben. Durch die Digitalisierung weiter Bereiche unseres Lebens werden wir allerdings auch deutlich angreifbarer. All diese Fragen machen IoT zu einem der spannendsten Zukunftsthemen überhaupt.
Das neue Jahr hat vor ein paar Wochen begonnen. Worüber wurde in Bezug auf IoT bisher zu viel gesprochen, worüber müssen wir mehr reden in 2018?
Beim Einsatz internetangebundener Geräte und entsprechender Dienstleistungen ist vielen Menschen deren Funktionsweise unklar. Das müssen wir ändern. Sonst können Nutzer bestenfalls erahnen, was der Einsatz von IoT mit sich bringt. Das zeigt beispielhaft der recht unbedarfte Einsatz von Fitness-Trackern und angebundenen Diensten. Von den Geräten erzeugte Daten können ihren Nutzern selbstverständlich bei der Optimierung ihrer Fitness unterstützen. Auf der anderen Seite dienen sie aber schon heute Versicherern und anderen Unternehmen als Futter ihrer Algorithmen zur Berechnung von Krankenversicherungstarifen, Krediten oder anderen Verträgen mit langfristiger Kundenbindung. Hier ist es dringend notwendig, Verbraucher verständlich zu informieren und ein Gefühl für den Wert der eigenen Daten zu vermitteln. Wer einmal auf sein Smartphone blickt und prüft, wie viele Gratis-Apps für die unterschiedlichsten Einsatzbereiche darauf installiert sind, sollte sich fragen, wie die Anbieter kostenloser Apps ihr Geld verdienen. Das AV-TEST Institut geht darum bei seinen regelmäßigen Produktüberprüfungen nicht nur auf die Sicherheit von Produkten selbst ein, sondern prüft auch das Erfassen, Weiterleiten, Speichern und Nutzen von Daten durch Hersteller.
Was muss 2018 und darüber hinaus passieren, damit der deutsche IoT-Markt internationales Schwergewicht wird?
Tatsächlich kann der deutsche IoT-Markt ein internationales Schwergewicht werden. Allerdings müssen wir uns dafür einen Wettbewerbsvorteil erarbeiteten, den andere nur schwerlich erreichen beziehungsweise uns kaum streitig machen können. Darum sollten wir bei der Entwicklung unserer Produkte und Dienstleistungen bereits in der Planungsphase Security by Design denken. Einige deutsche Hersteller gehen diesen Weg mit uns bereits seit einigen Jahren und bieten ihren Kunden Geräte und Dienste mit überprüfter und zertifizierter Sicherheit. Doch aktuell ist meist noch das Gegenteil der Fall. Schnelle Markteinführung nicht ausgegarter Produkte steht oft noch im Vordergrund. Die Angriffe des Mirai-Botnetzes auf Massen ungeschützter IoT-Geräte ab September letzten Jahres waren hier sicher für einige ein Augenöffner. Allerdings macht sich seither auch Aktionismus breit und viele, die sich bisher keinen Deut für die Sicherheit von IoT-Geräten interessiert haben, avancieren plötzlich zu „Sicherheitsexperten“.
Wie wird unser Leben 2030 aussehen?
Natürlich sehr viel digitaler. Sehr sicher werden wir anders arbeiten, reisen und wohnen. Auch unsere Kommunikation wird anders funktionieren. 1990 gab es die ersten kommerziellen Ableger des Internets, das ist gerade mal 25 Jahre her, war gesellschaftlich aber ein vergleichbarer Meilenstein, wie Buchdruck oder Elektrifizierung. Berücksichtigen wir die aktuelle Entwicklungsgeschwindigkeit sind 15 Jahre bis 2030 ein sehr langer und kaum überschaubarer Zeitraum, in dem es weitläufige Auswirkung auf unser alltägliches Leben geben wird. Ich würde mir wünschen, dass wir in die digitale Zukunft Werte hinüberretten, die uns ein menschenwürdiges Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ermöglichen, denn mit unseren technischen Möglichkeiten sind wir den Befürchtungen, die Georg Orwell vor 70 Jahren hegte, schon weit voraus. Ich wäre zugegebenermaßen auch nicht ganz unglücklich, wenn einiges Altbewährte die Zeit überdauert. Ich denke da etwa an die von mir doch recht lieb gewonnene Automobiltechnologie.