08.10.2010

RZ-Klimatisierung – Kaltgang, aber anders

Rainer von zur Mühlen und Oliver Woll über neue Kaltgang-Konzepte

Köln, 29.09.2010 – Wenn man systemanalytisch an die Klimatisierung von Rechenzentren herangeht, kommt man zu erstaunlich einfachen Erkenntnissen, die sich sowohl beineuen Rechenzentren als auch in der Sanierung oder Modernisierung realisieren lassen – auch bei stufenweisem Vorgehen im laufenden Betrieb.

Jeder Server hat, wie auch alle anderen aktiven Komponenten, mindestens einen internen Lüfter. Dieser Lüfter ist durch den Server thermostatisch drehzahlgeregelt. Arbeitet er mehrRechenoperationen ab, wird mehr Strom in Wärme umgesetzt und es steigt der Kühlungsbedarf. Die interne Steuerung des Lüfters erkennt das, steigert seine Drehzahl und führt mehrLuft durch das Gerät.

Wir kennen das alle von unserem Notebook. Arbeitet es heftig, hören wir das Aufdrehen des Lüfters. Arbeitet es weniger, wird es leiser. Nichts anderes passiert mit den Servern undanderen aktiven IT-Komponenten, die wir in den Racks schichten.

Was also müssen wir tun, damit es unseren IT-Systemen in den Rechenzentren und Serverräumen genauso gut geht?

  1. Wir müssen ihnen die erforderliche Kaltluft zum Kühlen zur Verfügung stellen.
  2. Wir müssen ihnen dabei ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können.
  3. Dafür ist sicherzustellen, dass die Luft in gleichmäßiger Qualität an allen Stellen, wo wir Systeme mit Kühlungsbedarf betreiben, zur Verfügung steht.
  4. Die Luft darf nicht mehr Druck haben, als die Lüfter in den Systemen verarbeiten können.
  5. Die Luft darf nicht ungenutzt an den Systemen vorbeigeführt werden. Fast alle Rack-Installationen sind undicht. Verschwendung.
  6. Für die Klimatisierung unserer Rechner müssen wir ein geschlossenes System des Luftversorgungskreislaufs schaffen ähnlich dem Blutkreislauf. Der Druckboden führt die frischeKaltluft zum Organismus (IT-Geräte) hin wie die Arterien das Frischblut vom Herzen durch den Körper. Die erwärmte Luft wird aus dem Raum abgesaugt (Venen) und dem Herzen, demUmluftkühlgerät (UKG), wieder zugeführt.
  7. Alle Bodenflächen außer in den Kaltgängen sind konsequent geschlossen. Nebenzug von dieser Seite wird dadurch ausgeschlossen.

Drei Grundgedanken sind teil der Problemlösung:

  1. Der gute alte Kaltgang, der aber bei Weitem nicht seine Möglichkeiten ausschöpft und einer Optimierung insbesondere in der Steuerung bedurfte. So wurde zusammen mit Kunden einEinhausungskonzept nach dem KISS-Prinzip (Keep IT Simple and Solid) mit höchster Dichtigkeit und niedrigen Investkosten entwickelt (Einsparungen um die 30 Prozent gegenüberherkömmlichen Racks).
  2. Umluftkühlgeräte mit ihrer hochsensiblen Steuerung stören sich oft gegenseitig. Weg also von der störungsanfälligen Steuerung, hin zu einer simplenDruckdifferenzsteuerung. Die ausgeklügelten Systeme der Hersteller wissen besser, was sie an Kaltluft brauchen als unsere Raumklimaplaner. Fahren die internen Lüfter durch ihre Sensorikhöher, ziehen sie mehr Luft. Es verringert sich der Druck in Druckboden und Kaltgang und erhöht sich im Warmbereich. Die Differenzmessung fährt die Lüfter der UKGsdrehzahlgeregelt nach, so dass mehr oder auch weniger Luftmenge – ganz nach Bedarf – umgewälzt wird. Wir brauchen nicht das Raumklima, sondern das Prozessorklima!
  3. Damit braucht man die Präzisionsklimaschränke nicht mehr in ihrer aufwendigen Form mit viel Elektronik. Es reicht die simple Konstruktion bestehend aus Filter, Wärmetauscher,Kaltwasserventil und drehzahlgesteuertem Lüfter. Das hat noch weitere Vorteile:
    • Die störanfälligen Steuerungen, die sich oft gegenseitig beeinflussen, werden vermieden.
    • Die Investitionskosten für Umluftkühltechnik können gesenkt werden.
    • Der Energiebedarf lässt sich um 15 bis 20 Prozent reduzieren (Messungen verschiedener Anwendungen zeigen inzwischen sogar noch bessere Optimierungswerte!).
    • Die Ausfallhäufigkeit durch Temperaturschäden wird gesenkt.
    • Die Investitionskosten für die Racks sinken in der Regel um mehr als 30 Prozent.
    • Die Flächennutzung in der Klimaspange wird optimiert, die UKGs können größere Wärmetauscher aufnehmen. Das fördert die Leistungsfähigkeit und Effizienz jeGerät.

Müssen es denn Schränke sein?

Wie bei allen neuen Gedanken – sie liegen zumeist auf der Hand – und wenn man Probleme zu Ende denkt, dann kommt man eines Tages auf die Frage: Warum stellt man die IT-Komponenten, welche im19“-Gehäuse untergebracht sind, immer aufwendig in vormontierte Standard-Racks? Antwort: Weil man das schon immer so macht.

Besser und billiger: Profilrahmengestelle statt herkömmlicher Schränke. Ohne Zwischenwände, ohne Türen (weder vorn noch hinten). Die Abdichtung erfolgt durch einfachste undbillige, verzinkte Blechplatten, die auf die Alu-Profile geschraubt werden und damit die gesamte Frontpartie (insbesondere den Bereich zwischen zwei 19“-Befestigungsspuren) einzudichten in der Lagesind.

Abb. 1 zeigt den Bodenbereich eines so konstruierten Kaltgangs mit den Blindplatten (in der Testphase noch nicht voll installiert). Man erkennt, wie einfach mit billigen Mitteln die Abdichtungperfekt funktioniert. Man erkennt ferner, wie die Steckverbindungen der Querholme und der Sockelschiene stufenlos verschoben werden können, wenn dafür Bedarf ist.

Abb. 2 zeigt eine Reservefläche. Der Kaltgang ist hier nur an einer Seite komplett bestückt. Die gegenüberliegende (hier sichtbare) Seite nimmt zurzeit nur eine Systemeinheit auf.Nur mit den Frontprofilen ist der Gang komplett verschließbar. Jederzeit können Platten entfernt und der Weiterbau ergänzt werden. Hier wird auch deutlich, dass großeSystemeinheiten genauso wie auch Racks, Komplettinstallationen der Hersteller etc., sofern gewünscht, integriert werden können

Die Profile haben nämlich noch weitere positive Nebeneffekte:

  • Man kann auch problemlos Systeme integrieren, die wie die Massenspeicher oder Großrechner ausschließlich in eigenem Gehäuse geliefert werden.
  • Man kann mit diesem Baukastensystem Luft auch so in Geräte einleiten, die seitlich oder sonstwo ihre Luft hernehmen müssen.
  • Sie sind günstig.
  • Jedes Maß ist machbar in Länge, Höhe und Breite.
  • Wenn die Profile geflanscht werden (siehe Abb. 1), sind auch in späteren Jahren noch Maßveränderungen stufenlos machbar. Man ist nicht an eine Breite gebunden und damit auch in derLage, künftig andere Maße von Rechnern stufenlos zu integrieren.
  • Auch die Tiefe der Systeme kann im Lebenszyklus eines RZ an die jeweils aktuellen Systemerfordernisse angepasst werden.
  • Der regelmäßige Generationenaustausch von Racks entfällt. Ein Plus für Investitionssicherheit und Nachhaltigkeit. Teure Schränke nach wenigen Jahren zu verschrotten, tutimmer weh.
  • In die Gestelle werden bewährte Techniken zur Kabelführung, Stromversorgung etc. integriert. Alles so, wie man es individuell braucht, wie man es kennt. Denn fast alle Einbauteile derSchrankhersteller bauen diese nicht selbst, sondern kaufen sie als OEM-Produkte zu. Das kann auch der Lieferant der Profile.

Genauso wie die Einhausung der Server mit Blindplatten erfolgt, wird durch die Abdeckung des Kaltganges und das Verschließen des Ganges ein weiterer Schritt zur Klimaeffizienz gemacht. Wovielleicht einmal eine weitere Installation oder eine ganze Reihe notwendig wird, wird nur das Profil zum Kaltgang installiert und mit einem oder mehreren Dichtblechen simpel verschlossen. Jederzeitreversibel – aber immer dicht.

Auch Schranksysteme, die wassergekühlt extreme Wärmeanforderungen zu erfüllen haben, sind integrierbar. Sie verhalten sich im Kaltgang neutral, denn sie ziehen ja keine Kaltluft.Die Druckdifferenzüberwachung kann sie ignorieren. Die Luftversorgung wird nur den Komponenten im Kaltgang angeboten, die versorgt werden müssen.

Oliver Woll und Rainer v. zur Mühlen sind Rechenzentrumsplaner der VON ZUR MÜHLEN’SCHE GmbH, Bonn, die in fast 40 Jahren über 550 Rechenzentrenbeplant oder saniert hat oder an deren Planung oder Sanierung maßgeblich beratend beteiligt war.