08.10.2010

Mit innovativen Kühltechnologien neue Maßstäbe in „Green IT“ setzen

Dr. Matthias Kaiserswerth, Direktor IBM Forschungslabor, stellt “Aquasar” vor

Köln, 29.09.2010 – Die Kühlung von Computersystemen und Hochleistungsrechnern bietet das größte, bisher weitgehend ungenutzte Potenzial fürEffizienzsteigerung und Nachhaltigkeit. Aquasar, ein neuartiger heißwassergekühlter Supercomputer, der von IBM entwickelt wurde, zeigt auf, was mit innovativen Kühlkonzeptenmöglich ist.

Die Inbetriebnahme des Systems an der ETH Zürich ist ein Meilenstein in der Entwicklung von energiesparenden und umweltfreundlichen Hochleistungsrechnern und Rechenzentren.

Computersysteme und Rechenzentren sind wahre Energiefresser: Laut den Marktanalysten von IDC wurden im Jahr 2009 weltweit geschätzte 330 Terawattstunden Energie für den Betrieb vonRechenzentren aufgewendet. Dies entspricht etwa 2 Prozent der weltweiten Stromproduktion. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind deshalb zu zentralen Themen in der Computerentwicklung geworden:angefangen vom einzelnen Transistor bis hin zum Rechenzentrum.

Großes Potential in der Kühlung

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Kühlung, denn im Durchschnitt entfällt rund die Hälfte des Stromverbrauchs eines Rechenzentrums auf den Betrieb derKühlinfrastruktur. Der Bedarf an leistungsfähiger Kühlung fußt auf dem steten Anstieg der Wärmeentwicklung über die letzten Generationen von Mikroprozessoren. Mitfortschreitender Miniaturisierung der Transistoren – gegenwärtig werden Chips der 32 Nanometer-Generation hergestellt – verbrauchen Leckströme mittlerweile mehr Energie als dietatsächlichen Rechenprozesse.

Mit einer Wärmestromdichte von rund 50 Watt/cm2 entwickelt ein Mikroprozessor rund zehnmal mehr Hitze als eine Kochplatte. Für den sicheren Betrieb muss der Prozessor auf eine Temperaturvon 85°C gekühlt werden. Luftgekühlte Rechenzentren, wo Tausende solcher Wärmequellen auf kleinster Fläche operieren, erfordern daher energieintensive Kältemaschinen, dierund 15°C kalte Luft durch vergitterte Bodenplatten in den Raum blasen. Die abgeführte Wärme wird schlussendlich in den meisten Fällen an die Außenluft abgegeben. Dabei hatWärme einen reellen Wert, wenn sie eine hohe Temperatur hat und effizient transportiert werden kann.

Aus thermodynamischer Sicht ist Kühlen mit Flüssigkeiten bedeutend wirksamer als mit Luft: Die Wärmekapazität von Kühlflüssigkeiten ist um Größenordnungenhöher als die von Luft, jene von Wasser etwa rund viertausendmal. Dies erlaubt neue Kühlkonzepte – wie etwa das Kühlen mit heißem Wasser – die das Potenzial bieten, denEnergieverbrauch im Rechenzentrum signifikant zu verringern, und sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht nachhaltig sind.

Aquasar – mit heißem Wasser gekühlt


Wassergekühltes IBM BladeCenter HS22 System mit Kühlkörpern für die Prozessoren (graue Elemente mit Y-Klammern), Speichereinheiten (längliche Elemente) und weiterenKomponenten (Quelle: IBM Research – Zürich)

Ein solches zukunftsweisendes Flüssigkühlkonzept wurde nun erstmals mit dem Supercomputer Aquasar realisiert: Der Rechner wird mit bis zu 60°C heißem Wasser gekühlt. Aquasarverbraucht so bis zu 40 Prozent weniger Energie als ein vergleichbares luftgekühltes System.

Und auch die CO2-Bilanz des Rechners kann deutlich verbessert werden: Durch die direkte Abwärmenutzung – die abgeführte Wärme wird direkt für die Gebäudeheizung verwendet– kann das System im Betrieb die effektiven Emissionen um bis zu 85 Prozent reduzieren.

Der Hochleistungsrechner wurde in einem einjährigen Pilotprojekt von IBM-Forschern und -Ingenieuren in Zürich und Böblingen für die ETH Zürich entworfen und gebaut. Erbesteht aus 28 speziell für das Projekt angefertigten wassergekühlten IBM BladeCenter Servern (22 QS22 mit jeweils 2 IBM PowerXCell 8i Prozessoren und 6 HS22 mit jeweils 2 Intel XeonProzessoren).

Für eine direkte Vergleichbarkeit mit herkömmlichen, luftgekühlten Rechnern sind im Gesamtsystem auch 14 luftgekühlte IBM BladeCenter Server (11 QS22 und 3 HS22) untergebracht.In toto erreicht das System eine Rechenleistung von 6 Teraflops (1.012 Gleitkommazahl-Operationen pro Sekunde) und erzielt eine Energieeffizienz von 450 Megaflops /Watt. Zusätzlich werden 9Kilowatt Wärmeenergie dem Gebäudeheizsystem der ETH Zürich zugeführt.

Das innovative Kühlsystem setzt direkt dort an, wo am meisten Wärme entsteht: beim Prozessor. Leistungsfähige Mikrokanalkühler sind auf der Rückseite des Chips angebracht.Die etwa 2 qcm großen, aus Kupfer gefertigten Wasserkühler verfügen über eine kammförmige Mikrostruktur im Inneren, durch die das Wasser effizient verteilt undhindurchgeleitet wird. Dies ermöglicht es, die Chips selbst mit bis zu 60°C heißem Wasser noch auf ihre Betriebstemperatur von rund 80 bis 85°C zu kühlen und wertvolle Abwärme zugewinnen.

Das gesamte Kühlsystem des Rechners ist ein geschlossener, hermetisch abgedichteter Kreislauf. Mit Hilfe einer Pumpe wird das Wasser im System, insgesamt etwa 20 Liter, miteiner Rate von 30 Litern pro Minute durch den Hochleistungsrechner gepumpt. Durch den einzelnen Mikrokanalkühler strömen so ca. 0,5 Liter pro Minute. Die durch das Wasser transportierteAbwärme wird durch einen Wärmetauscher an einen externen, zweiten Wärmekreislauf weitergegeben – im Fall von Aquasar das Gebäudeheizsystem der ETH Zürich – und so sinnvollweiterverwendet.

Mit heißem Wasser zu kühlen verbindet also mehrere Vorteile: Es werden keine energieintensiven Kältemaschinen benötigt, was den Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent reduziert.Durch direkte Abwärmenutzung gewinnt man zudem wertvolle Wärmeenergie zurück, die sich vielfältig verwenden lässt. Im Vergleich zu ähnlichen Systemen reduziert sichdadurch auch die effektive CO2-Bilanz erheblich – bei Aquasar bis zu 85 Prozent.

Paradigmenwechsel in der IT: Effektive Energieeffizienz

Neue Generationen von Supercomputern werden nicht nur an ihrer Rechenleistung gemessen. Signifikante Energiekosten und der Wunsch, den Energieverbrauch zu optimieren, haben zu einem Umdenken beiheutigen Käufern geführt. Daher wird seit 2008 offiziell auch die Energieeffizienz der leistungsstärksten Supercomputer der Welt in der Green-500-Liste erfasst. Ausschlaggebend ist dieZahl der pro Watt ausgeführten Rechenoperationen – Flops pro Watt. 2009 sind unter den 20 effizientesten Rechnern 18 von IBM. Die energieeffizientesten Rechner sind dabei wassergekühlteQPACE Cluster mit IBM PowerXCell 8i Prozessoren mit 722 Megaflops /Watt gefolgt von IBM BladeCenter QS22 Systemen mit 458 Megaflops /Watt.

Die Energieeffizienz des Aquasar-Supercomputers ist vergleichbar mit den in der Liste geführten IBM BladeCenter QS22 Systemen. Aquasar kann aber, dank der Heißwasserkühlung, einenGroßteil der aufgenommenen elektrischen Leistung für Heizzwecke wieder verwenden. Mit der Inbetriebnahme von Aquasar ist somit ein neues Rennen um die Energieeffizienz und damit deneffektiven CO2-Ausstoß eröffnet.