28.05.2019

„Jetzt muss nur der Nutzer noch mehr darauf vertrauen“

Vernetzte und autonome Mobilität ist nicht nur für die Automobilindustrie und Internetwirtschaft ein wichtiges Thema. Über aktuelle Trends, Notwendigkeiten und Komfortfeatures berichtet Thorsten Stuke, eco Experte Mobility, im Interview.

Herr Stuke, was sorgt derzeit für größere Veränderungen im Automobilsektor: alternative Antriebe oder die Digitalisierung der Fahrzeuge?

Bei dieser Frage teilt sich die Welt aus meiner Sicht in zwei Hälften: die gefühlten Trends und die realen Trends. Gefühlt ist autonomes Fahren das Thema Nummer eins. Die Diskussion ist zwar spannend, jedoch fehlt es noch an allen Ecken und Enden. Rechtlich ist nahezu nichts verlässlich geklärt und auf EU-Ebene wird es noch dünner.

Teilautonomes Fahren ist sicherlich spannend, aber eher ein Komfortfeature, welches zur eigentlichen Zielsetzung, nämlich den Verkehr besser steuern zu können, nur sehr wenig beiträgt. Den Fahrer entlastet es nur wenig und aufgrund der geringen Verbreitung ist der positive Effekt für den Verkehrsfluss eigentlich nicht vorhanden. Aus meinen persönlichen Erfahrungen schätze ich es für den Verkehrsfluss eher negativ ein. Hält mein teilautonomes System den rechtlichen Rahmen des Abstandes ein, ist es eine Einladung für die anderen Verkehrsteilnehmer, diesen Abstand zu nutzen.

Das ist ein Thema, über das man lange diskutieren kann. Auch darüber, wie denn die Einführung stattfinden soll. Wie erkennt ein autonomes System die Daten der manuellen Mitspieler? Wie erkennt es Bremswege von anderen Fahrzeugen? Ein Fahrzeug aus den Neunzigern hat einen Bremsweg aus 100 Stundenkilometern von etwa 40 Metern (die Norm liegt bei 100) und ein modernes Fahrzeug von bis zu 32 Metern. Klingt wenig, ist es aber nicht. Die Aufprallgeschwindigkeit liegt bei über 40 Stundenkilometern.

Als wichtiger sehe ich die Vernetzung der Infotainment–Systeme an. Hier ist viel passiert. Staus werden in Echtzeit angezeigt und die Verkehrsbeeinflussung wird immer besser. Jetzt muss nur der Nutzer noch stärker darauf vertrauen. Bezahlen aus dem Fahrzeug wird für die nicht aufzuhaltende E-Mobilität ein Megatrend sein. Die kontaktlosen Bezahlsysteme der Gegenwart sind doch ein Relikt der Steinzeit!

Informationen, wann und wo getankt oder geladen werden kann, sind mehr als Komfortfeatures.

Welchen Informationsaustausch halten sie bei Autos für notwendig, welchen für angenehm und welchen für überflüssig?

An erster Stelle stehen bei den heutigen Nutzungsprofilen die Flussdaten. Das bedeutet, wie gut läuft der Verkehr und wo kann präventiv eingegriffen werden, um den Fluss zu halten? Dann sollten Fahrzeuge untereinander den Fahrbahnzustand austauschen. Das kann nachfolgenden Fahrzeugen helfen, ihren Nutzer vor möglichen Gefahren zu warnen und gegebenenfalls steuernd einzugreifen.

Überflüssig finde ich jede Form der Übermittlung von fahrerbezogenen Daten. Es sei denn, der Fahrer stimmt dem zu und hat einen klaren Nutzen davon. Auf keinen Fall dürfen fahrerbezogene Routenprofile und gefahrene Strecken und Geschwindigkeiten gespeichert werden!

Wie könnte aus Ihrer Sicht ein Datenaustausch zwischen den Beteiligten aussehen?

Hier würde ich zunächst gern eine technische Lösung sehen wollen. Warum werden alle Daten über das gesamte Netz zur Verfügung gestellt? In der Regel würde eine Kommunikation in einer oder zwei Funkzellen ausreichen. Wen bitte interessiert in Japan, wie die aktuelle Parkplatzsituation auf der Kö in Düsseldorf aussieht? Dann muss eine sichere Infrastruktur aufgebaut werden. Den Herstellern diesen Part zu überlassen, halte ich für grob fahrlässig. Wer bitte garantiert hier für Sicherheits-Updates?

Wie schätzen Sie dabei die rechtliche Seite ein?

Die ist hier hilflos. Angreifer kümmern sich wenig um die rechtliche Situation. Das Recht wird hier niemals der technischen Entwicklung folgen können. Ich würde mich freuen, mich würde jemand vom Gegenteil überzeugen.

Thorsten Stuke