Herr Demir, vor welchen Herausforderungen steht die Industrie auf dem Weg zur Smart Factory?
Digitalisierung und Industrie 4.0 in der Fertigungsindustrie sind keine neuen Themen mehr. Aktuell erfolgt aber die Umsetzung vorwiegend szenarienbasiert und deshalb geht es sehr schleppend voran, denn jede einzuführende Lösung bedeutet einen Basisinvest in die Infrastruktur. Da aktuell kein einziges Szenario für sich betrachtet diesen Invest rechtfertigt, ist eine der Hauptherausforderungen, die für das Unternehmen richtigen Szenarien zu definieren und entsprechend auszurollen.
Unabhängig davon, ob man durch die Digitalisierung Optimierungspotentiale wie z.B. Kosteneinsparungen oder auch Weiterentwicklungen um neue Funktionalitäten erreichen möchte – um die volle Entfaltungskraft der digitalen Transformation ausschöpfen zu können, muss die IT-Architektur des Unternehmens/Werkes umfangreich darauf vorbereitet sein. Hier ist insbesondere die kabellose Fertigung zu erwähnen. In der Fertigung gehören Prozessanpassungen zum Tagesgeschäft, um neue Produktanläufe oder auch Anläufe veränderter Produkte (Modelljahre, Facelifts bei Autos) zu unterstützen. Hier würde die kabellose Fertigung nicht nur Abhilfe schaffen, um solche Prozessänderungen in wesentlich kürzerer Zeit durchzuführen, sondern sie hilft auch, die Kosten der Instandhaltung des verkabelten Netzes langfristig zu reduzieren.
Wie bringen Sie künstliche Intelligenz (KI) in die Fabrik der Zukunft?
Huawei unterstützt die Einführung künstlicher Intelligenz in der Fertigung mit Komponenten und Lösungen nicht nur im Bereich der drahtlosen Technologien (5G, Wi-Fi 6, etc.), sondern auch mit Storage, Edge Computing und mit KI-Lösungen. Bei den KI-Lösungen handelt es sich hauptsächlich um Chipsätze, Module als auch AI Embedded Edge Computer, die in die entsprechenden Lösungen wie Predictive Maintenance, 3D Vision Robot Control oder auch Visual Quality Inspection integriert werden. Diese Lösungen führen bei den entsprechenden Prozessen in der Fertigung, Logistik oder auch Instandhaltung zu gravierenden Verbesserungen.
Welche Aufgaben hat die Internetwirtschaft bei der digitalen Transformation der Industrie?
Das Internet ist die Basis der Digitalisierung, um vernetzte Produktionsprozesse und Dienstleistungen anbieten zu können. Deshalb ist hier zu erwähnen, dass auf der einen Seite die Verfügbarkeit der Netzte abgesichert werden muss, aber auf der anderen Seite auch entsprechende Geschäftsmodelle generiert werden müssen, um den Massenabsatz solcher Dienste zu ermöglichen.
Welche Anforderungen stellt die Smart Factory an Wireless Connectivity?
Um eine umfangreiche Flexibilisierung der Fertigung, insbesondere die kabellose Fertigung zu ermöglichen, müssen Kriterien wie hohe Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Latenzzeiten unter 10 Millisekunden und hohe Bandbreiten erfüllt werden, was mit den bisherigen drahtlosen Lösungen (Wi-Fi 4/5, 3G/4G) noch nicht möglich war. Deshalb steht mit 5G und Wi-Fi 6 nun erstmalig eine Infrastrukturbasis für die kabellose Fertigung zur Verfügung.
Welchen Forschungsbeitrag leistet dazu Ihr OpenLab in Ismaning bei München?
Neue Szenarien und Lösungen müssen in einer Testumgebung pilotiert werden, bevor diese in die Fertigung ausgerollt werden können. Da reine Pilotierungen kein Investment in ein eigenes 5G-Netz rechtfertigen, bietet das Huawei OpenLab dafür den gesamten Technologiestack, inklusive 5G und Wi-Fi 6. Dort ist auch eine laufende Produktionslinie installiert, als ein Plattform, auf der solche Lösungen und Szenarien gemeinsam mit Partnern und Kunden evaluiert und pilotiert werden können.
Vielen Dank für das Interview!