eco hat jüngst eine Kampagnen-Website unter dem Motto „JOINTHESOLUTION: Wir sind Teil der Lösung – die Internetwirtschaft“ gelauncht. Im Fokus der Kampagne stehen digitale, Technologien und Dienste, die Antworten auf brennende gesellschaftliche Themen wie den Klimawandel, den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, die Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit oder die frühzeitige Identifikation lebensbedrohlicher Krankheiten liefern.
Wir haben mit eco Geschäftsführer Alexander Rabe über die Potenziale der Digitalisierung zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, die zentrale Bedeutung digitaler Infrastrukturen, politische Rahmenbedingungen sowie Partizipationsmöglichkeiten für eco Mitgliedsunternehmen gesprochen.
Zum Launch der eco Kampagne „JOINTHESOLUTION: Wir sind Teil der Lösung – die Internetwirtschaft“ stehen die Unternehmen, die das Fundament der Wertschöpfungskette Internet darstellen, im Fokus – nämlich Betreiber digitaler Infrastrukturen wie Rechenzentren oder Colocation-Anbieter. Inwiefern sind digitale Infrastrukturen und Rechenzentren denn ein Teil der Lösung zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele?
Alexander Rabe: Betreiber digitaler Infrastrukturen setzen sich seit Jahren für mehr Energieeffizienz & Nachhaltigkeit ein und daher zählen Rechenzentren in Deutschland im internationalen Vergleich bereits heute auch zu den energieeffizientesten. Fakt ist: Die CO2-Emissionen europäischer Rechenzentren sind trotz steigender Bedarfe seit Jahren rückläufig. Ebenso ist der Energieverbrauch pro Recheneinheit heute etwa zwölfmal niedriger als noch vor zehn Jahren. Es lohnt sich insbesondere die Migration in die Cloud, können so doch signifikante Effekte in Sachen Energieeinsparungen im Vergleich zum lokal betriebenen Server im Unternehmen erzielt werden.
Aber auch die Modernisierung digitaler Infrastrukturen zahlt positiv auf die Energiebilanz ein: So benötigen Glasfaserleitungen rund fünfmal weniger an Energie als Kupferleitungen. 5G-Mobilfunk kann die Energieeffizienz im Vergleich zu 3G und 4G um bis zu 80 Prozent steigern. Das sind durchaus beeindruckende Zahlen.
Enorme positive Effekte auf die Gesamtbilanz in Sachen Energieverbrauch und -kosten erzielen innovative Lösungen in Kooperation mit Energieversorgern, beispielsweise durch die Abwärmenutzung von Rechenzentren, oder aber auch das Hosting in Windrädern.
Last but not least gilt: Rechenzentren sind das Rückgrat der Digitalisierung und Enabler weiterer technologischer Anwendungen in den Domänen, die sich wiederum positiv auf die CO2-Bilanz Deutschlands und Europa auswirken. Allein durch die Optimierung von Verkehrsflüssen im städtischen Pkw-Verkehr lassen sich mittels vernetzter Mobilität bis 2030 bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Nur durch einen Tag Homeoffice in der Woche können in Deutschland beispielsweise mindestens 1,6 Millionen Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden. Die Effizienzsteigerungen und somit das Energieeinsparpotential im produzierenden Gewerbe und der Logistik durch digitale Technologien und Anwendungen sind ebenfalls signifikant.
Was braucht es seitens der Politik, um eine nachhaltige Digitalisierung zu gestalten?
Rabe: Der zeitgleiche Ausbau leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen und erneuerbarer Energien ist Grundvoraussetzung, um die Klimaziele und somit die angestrebte CO2– Reduktion mithilfe der Digitalisierung zu erreichen. Seitens der Politik gilt es somit, effektive Rahmenbedingungen für eine grünere Zukunft zu schaffen. Um beispielsweise den im Koalitionsvertrag verankerten klimaneutralen Rechenzentrumsbetrieb zu gewährleisten, muss in Deutschland vor allem die Energiewende entsprechend beschleunigt werden, wir benötigen schnellstmöglich einen deutlich höheren Anteil an Energie aus regenerativen Quellen als aktuell am Markt verfügbar ist.
Darüber hinaus müssen aber auch Genehmigungsprozesse und- verfahren für den Neubau sowie die Modernisierung von Rechenzentren deutlich verschlankt werden und Neuansiedlungen von Betreibern digitaler Infrastrukturen städtebaulich als Chance für eine nachhaltige Zukunft betrachtet werden.
Die Abwärmenutzung von Rechenzentren wird in den kommenden Jahren definitiv zu den Best Practices zählen, wenn wir Energiekosten und noch dazu CO2-Emissionen senken wollen. Dazu müssen jedoch die Betreiber bei der Anbindung an Nah- und Fernwärmenetze stärker unterstützt werden. Rein rechnerisch wäre es bereits 2030 möglich, sämtliche Bürogebäude und Wohnungen in Frankfurt am Main mit der Abwärme aus Rechenzentren zu versorgen. Dies verdeutlicht eindrücklich das immense Potential für diesen Ansatz.
In der Praxis zeigt ein Pilotprojekt von Mainova und Telehouse in Frankfurt, was möglich ist. Ab 2030 werden rund 1.300 Wohnungsneubauten und Gewerbeeinheiten zu mindestens 60 Prozent aus der Abwärme des benachbarten Rechenzentrums versorgt.
Damit dies an vielen weiteren Standorten in Deutschland möglich wird und die Nachhaltigkeitspotenziale bundesweit gehoben werden können, kann die Politik beispielsweise mit entsprechenden Abnahmeverpflichtungen für Wärmenetzbetreiber dafür sorgen, dass Rechenzentren vor Ort eben auch die Möglichkeit haben, ihre Abwärme in das Nah- oder Fernwärmenetz einzuspeisen. Diese Zusammenarbeit wird aktuell von den Netzbetreibern noch viel zu zögerlich proaktiv angegangen. Hier gilt es, ganzheitliche Konzepte gemeinsam in den Kommunen zu entwickeln.
Digitale Infrastrukturen sind somit das Rückgrat einer nachhaltigen Digitalisierung und Grundvoraussetzung für weitere digitale Dienste und Technologien für mehr Nachhaltigkeit und CO2 -Ersparnisse. Inwieweit werden diese denn im Rahmen der Kampagne eingebunden?
Rabe: Unser Anspruch der Kampagne ist es ein ganzheitliches Bild der Nachhaltigkeitspotentiale durch Digitalisierung aufzuzeigen. Das Motto „Wir sind Teil der Lösung -die Internetwirtschaft“ beschreibt es doch eigentlich bereits perfekt: Ohne die Digital- und Internetwirtschaft werden wir unsere Klimaziele nicht mehr erreichen können.
Der aktuelle Launch der Landingpage der Initiative ist jetzt der Anfang, perspektivisch wird eco die Positionierung der Internetwirtschaft als Teil der Lösung in vielfältiger Hinsicht in Bezug auf Herausforderungen wie den Klimawandel weiter forcieren.
Es gilt digitale Technologien und Anwendungen als Werkzeug und als Mittel zum Erreichen der Klimaziele zu verstehen – das ist unsere Mission im Jahr 2022.
Wir arbeiten aktuell beispielsweise mit Arthur D. Little an einem Impulspapier, das den positiven Impact der Digitalisierung anhand fundierter Analysen und anschaulicher Best Practices verdeutlichen wird. Wir werden zudem mit politischen Entscheidungsträgern und führenden Köpfen der Internetwirtschaft in hybriden Eventformaten über die aktuellen Herausforderungen der Branche bei der Nutzung der Chancen für mehr Nachhaltigkeit diskutieren.
Ebenso in Planung ist die Weiterführung unserer Reportage-Reihe, die vom RBB-Redakteur Sven Oswald realisiert wird. Thematisch werden wir die Kampagne auch um Lösungen aus der Arbeitswelt wie etwa Industrie 4.0, Antworten auf die zunehmende Urbanisierung wie nachhaltige Mobilitätskonzepte oder Smart Cities erweitern. eco Mitgliedsunternehmen laden wir an dieser Stelle explizit herzlich ein, mit uns in den Austausch zu Partizipationsmöglichkeiten zu gehen und sich im Rahmen der Kampagne als Teil der Lösung brennender gesellschaftlicher Herausforderungen einzubringen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Rabe.