eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. übt scharfe Kritik an den am vergangenen Freitag bekannt gewordenen Plänen des Bundesjustizministeriums zur Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und warnt vor massiven Eingriffen in Bürgerrechte sowie unabsehbaren Folgen für Datenschutz und Datensicherheit im Netz.
„Die Pläne des Bundesjustizministeriums gehen weit über die ursprüngliche Intention des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hinaus. Hier geht es nicht mehr nur um die Bekämpfung von Hasskriminalität, sondern um die Einrichtung umfassender Überwachungsrechte für Staat und Behörden“, sagt eco Vorstandschef Oliver J. Süme. „Das ist der große Lauschangriff im Netz, den keiner, dem Bürgerrechte und Verfassung irgendetwas bedeuten, wirklich wollen kann. Ich appelliere daher an die Bundesregierung, dieses Vorhaben nicht Realität werden zu lassen.“
Drohender Vertrauensverlust für Dienste: Eingriff in Datensicherheit und Bürgerrechte
Der Verband kritisiert insbesondere die geplante Verpflichtung sämtlicher Telemediendienste, Passwörter und anderer höchstpersönlicher Daten auf Anfrage an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste herauszugeben. Süme fürchtet hier nicht nur Einbußen bei Datenschutz und Datensicherheit, sondern auch einen weiteren Vertrauensverlust der Nutzer in die Dienste: „Während die Branche versucht, mit der Erfüllung der strikten Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung die Datensicherheit zu erhöhen, fordert ausgerechnet das Justizministerium die Herausgabe von Passwörtern sowie anderen höchstpersönlichen Daten und forciert damit einen massiven Eingriff in Datenschutz, Bürgerrechte und Fernmeldegeheimnis“, sagt Süme. „Faktisch wird damit eine umfassende Onlinedurchsuchung möglich, einschließlich Zugriff auf Kommunikationsinhalte wie E-Mails, in der Cloud hinterlegte Fotos und andere Dokumente.“ Dies untergrabe das berechtigte Vertrauen der Nutzer in die Vertraulichkeit und die Integrität digitaler Dienste.
Rechtsunsicherheit: Technische Umsetzung und notwendige Ressourcen unklar
eco bemängelt außerdem, dass die vorgestellten Pläne für das Gesetzesvorhaben viele Fragen unbeantwortet ließen. Zwar werde klar, für welche Straftatbestände die Meldepflicht gelten soll, aber es werde nicht erklärt, inwieweit die Prüfung durch Betreiber sozialer Netzwerke einer Dokumentation bedürfe und ob diese Bestandteil der Meldung an das Bundeskriminalamt sein müsse. „Das Gesetz konfrontiert die Unternehmen mit großer Rechtsunsicherheit: Es gilt zu klären, ob die technischen Anforderungen überhaupt umsetzbar sind und welche Konsequenzen aus unvermeidbaren ‚Falschmeldungen‘, beispielsweise durch eine zu enge Auslegung der gemeldeten Inhalte entstehen“, sagt Süme.
Ausweitung auf Telemediendienste: großer Schritt in Richtung gläserner Mensch
Die bekannt gewordenen Pläne sehen nicht nur eine Ausweitung des NetzDG vor, sondern gehen bei weitem darüber hinaus. Neben einer Meldepflicht für soziale Netzwerke sollen auch spezielle Regelungen für die Datenerhebung und Weitergabe im Telemediengesetz geschaffen werden. So ist vorgesehen, auch die Strafprozessordnung, das BKA-Gesetz und das Telemediengesetz anzupassen. Der Vorstoß würde dabei nicht nur die Anbieter von sozialen Medien, sondern alle Dienste die unter das Telemediengesetz fallen, seien es E-Mail-Anbieter, Webseiten- und Forenbetreiber, Online-Shoppingdienste, Chat- und Messengerdienste, Clouddienste, etc. betreffen.
Telemediendienste, die mehr als 100.000 Kunden haben, sollen zudem zur Einrichtung einer elektronischen Schnittstelle verpflichtet werden, um Auskunftsverlangen der berechtigen Stellen entgegenzunehmen und beantworten zu können.
„Diese zusätzlichen Befugnisse und Auskunftsansprüche für Sicherheitsbehörden sowie die Verpflichtung, in ganz erheblichem Umfang personenbezogene Daten von Nutzern an Strafverfolgungsbehörden herausgeben zu müssen, ist aus Datenschutz-Perspektive kein Hintertürchen, sondern eigentlich ein Scheunentor. Derlei Informationen über die Nutzung von Telemediendienste können weitreichende Rückschlüsse auf politische, sexuelle, finanzielle oder sonstige persönliche Interessen ermöglichen. Der gläserne Mensch wird damit ein Stück mehr Realität“, so Süme.