19.12.2016

Ausbildung und Arbeit

Die Digitalisierung wird die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt einschneidend und tiefgreifend verändern. Die Arbeitswelt steht vor großen Umwälzungen: Digitales Arbeiten und New Work- das sind bislang nur Schlagworte, die noch mit Leben gefüllt werden müssen. Der digitale Wandel wird sich nachhaltig auf Berufsbilder, Arbeitsprozesse und Anforderungsprofile auswirken. Dieser Wandel bringt viele Veränderungen, aber auch Chancen mit sich. Diese Chancen hat auch Bundesministerin Andrea Nahles erkannt und diese in ihrem am 29. November 2016 veröffentlichten Weißbuch „Arbeiten 4.0“ formuliert. Das Weißbuch ist das Ergebnis eines Dialogprozesses, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im April 2015 mit der Vorlage eines Grünbuchs begonnen hat. Der offene politische Diskurs über die Veränderung der Arbeitswelt ist begrüßenswert und sollte weitere Diskussion über eine flexible und sichere Arbeitswelt ergebnisoffen voranführen.

5 Fragen

Lucia Falkenberg, HR-Managerin und Leiterin der Kompetenzgruppe New Work, beantwortet fünf Fragen zum digitalpolitischen Thema des Monats: Ausbildung und Arbeit.

1.) Auch die Politik hat erkannt, dass die voranschreitende Digitalisierung die Arbeitswelt in den nächsten Jahren fundamental verändern wird. Ende November hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihr Weißbuch „Arbeiten 4.0“ vorgestellt. Wie bewerten Sie das Weißbuch- setzt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die richtigen Schwerpunkte?

Natürlich werden die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung von Arbeitsprozessen die Arbeitswelt in den nächsten 20 Jahren nachhaltig verändern. Aus Sicht der Internetwirtschaft sind mit diesem Wandel jedoch mehr Chancen als Bedrohungen verbunden. Es ist das richtige Zeichen, dass Bundesministerin Nahles diese Chancen erkannt hat und in ihrem Weißbuch mit den Themen Weiterbildung und Anpassungen im Arbeitsrecht zwei richtige Schwerpunkte setzt. Aus meiner Sicht kommt es jetzt darauf an, bei der Anwendung und Umsetzung die richtige Balance zwischen notwendiger Regulierung und Innovationsoffenheit zu finden. Die Politik darf nicht den Fehler machen, die Unternehmen durch Sorge um Arbeitsplätze an notwendigen Innovationen und Investitionen im Bereich der Neuausrichtung von Arbeit zu hindern. Wir haben von Beginn an mit der Kompetenzgruppe New Work den durch Arbeitsministerin Andrea Nahles angestoßenen Dialogprozess 4.0 begleitet.

2.) Frau Falkenberg, viele Menschen fragen sich wie es Ihnen gelingt sich bei voranschreitender Digitalisierung eine ausgewogene Work-Life-Balance zu erhalten. Wie schaffen wir das?

Eine aktuelle repräsentative Studie, die eco vor kurzer Zeit beim Meinungsforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegeben hat, ergab, dass 46% der Deutschen klare Regeln fordern, um die ständige Erreichbarkeit des Arbeitgebers via Firmenhandy oder E-Mail zu regulieren.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen müssen an flexible und mobile Arbeitsformen angepasst werden. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften zur Arbeitszeit, Wochenendarbeit, vorgeschriebenen Ruhezeiten wie auch für die Anforderungen an den Arbeitsplatz. Dabei dürfen selbstverständlich die Arbeitnehmerrechte nicht zu kurz kommen; benötigt werden flexible Regelungen, die neue Arbeitsmodelle nicht an starren und überholten Vorschriften scheitern lassen. Dabei gilt es, arbeitsschutzrechtliche und sozialrechtliche Aspekte mit dem Recht auf Selbstbestimmung von Arbeitnehmern in Einklang zu bringen.

Denn wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die Digitalisierung für Arbeitnehmer enorme Erleichterungen bedeuten: Große Entfernungen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz werden überwunden, für Eltern eröffnen sich neue, flexible Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren.

3.) Wie begegnen Sie Menschen, die mit Skepsis der Zukunft der Arbeitswelt entgegenblicken und Ängste vor Veränderungen äußern, z.B. befürchten, dass Arbeitsplätze aufgrund technischer Neuerungen einfach wegfallen könnten?

Die Befürchtungen, dass in einigen Branchen Arbeitsplätze künftig aufgrund technischer Neuerungen ersetzt werden, sind absolut ernst zu nehmen, dennoch besteht kein Grund zur Panik. Zwar ist es absehbar, dass bestimmte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr nur von Menschen ausgeübt werden. Stattdessen werden aber neue Betätigungsfelder entstehen, die es heute so noch gar nicht gibt. Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass „die Angst vor einem großen Beschäftigungsabbau im Zuge der Digitalisierung unbegründet“ ist.

Dazu kommt der demografische Wandel: Bis 2060 werden dem deutschen Arbeitsmarkt rund 10 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter weniger zur Verfügung stehen. Schon heute findet die Wirtschaft nicht mehr genug junge Menschen für vorhandene Ausbildungsplätze, viele Branchen klagen über den Fachkräftemangel. Aus diesen Gründen spricht viel mehr dafür, den Wandel und die Digitalisierung des Arbeitsmarktes als Chance zu sehen und nicht als Bedrohung.

4.) Wir befinden uns auf dem Weg zur Gigabitgesellschaft und unsere Arbeitswelt steht durch den digitalen Wandel vor großen Umbrüchen – wie bereiten wir denn jetzt der nächsten Generation einen möglichst reibungslosen Start ins Berufsleben?

Um international den Anschluss nicht zu verpassen und der nächsten Generation einen reibungslosen Start ins Berufsleben zu ermöglichen, ist es unbedingt notwendig, dass Kinder und Jugendliche nach konkreten, länderübergreifenden Lehrplänen zentrale IT-Kompetenzen erwerben und fortentwickeln können. Die zu erlernenden Fähigkeiten sollten sich dabei nicht auf reine IT-Kenntnisse beschränken, sondern um den Komplex Medienkompetenz und Umgang mit digitalen Angeboten erweitert werden. Nahezu jeder ist heute in der Lage, Informationen im Internet zu finden – die Bewertung und Nutzung hingegen wird nirgends gelehrt und deshalb auch von den wenigsten Personen beherrscht. Das muss sich dringen ändern.

Insgesamt sollten von der heranwachsenden Generation Kompetenzen erworben werden, die die spätere Teilhabe am Erwerbs- und Sozialleben einer digitalen Gesellschaft sicherstellen. Die rasant voranschreitende Digitalisierung wird ganz neue Anforderungen an unsere Kinder stellen als wir sie bisher erlebt haben, wir sollten ihr Bewusstsein insbesondre dahingehend schärfen, dass das Konzept „Lebenslanges Lernen“ keine Option.

5.) Sie leiten die Kompetenzgruppe New Work beim eco und arbeiten als HR-Managerin, welche Megatrends sehen Sie in Bezug auf die Arbeitswelt der Zukunft?

Die Internetwirtschaft ist die Schlüsselbranche unserer Zeit: Das Internet und die damit verbundenen Geschäftsmodelle und Technologien sind in Europa zu einem Wirtschaftsfaktor von zentraler Bedeutung geworden, den es weiter zu fördern gilt.

Natürlich sind die größten Trends „Digitales Arbeiten 4.0“ und „New Work“: Hier müssen jetzt die politischen Weichenstellungen vorgenommen werden, damit wir in Zukunft die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen können. Mit dem Weißbuch Arbeiten 4.0 hat die Politik einen wichtigen Schritt getan, um digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren und voranzutreiben. Der Fokus liegt hier ganz klar bei den Themen: Weiterbildung und Ausbildung sowie Arbeitsrecht.

Für mich als Personalmanagerin sind natürlich auch neue Lösungen und Trends im Bereich Recruiting spannend, insbesondere mit Blick auf die voranschreitende Automatisierung von HR-Prozessen. Robotic Recruiting, Personal Cloud, automatische Einstellungsempfehlung – die Optimierung und Automatisierung der HR-Prozesse kann helfen, die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben.

HR-Analytics machen das Personalmanagement messbarer und zielgerichteter. Die Rolle des HR-Verantwortlichen verändert: Er wird zum als Gestalter und Businesspartner des Managements und bleibt nicht „nur“ Personal-Verwalter.

eco Umfrage: Öffentliche Meinung zur Digitalisierung
der Arbeitswelt

22 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass die Digitalisierung einen positiven Effekt auf Ihre Work-Life-Balance hat. Dies ergibt eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. im August 2016 durchgeführt hat. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird somit von den Befragten nicht nur positiv bewertet, sondern führt auch zu Skepsis. 46 Prozent der Befragten fordern klare Regeln, um die ständige Erreichbarkeit durch E-Mails und Firmenhandys zu regulieren und somit Berufs- und Privatleben in Balance zu halten.

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