22.05.2023

Brüsselblick

Mit dem „Brüsselblick“ berichtet eco über aktuelle Entwicklungen und Sitzungen innerhalb der EU und gibt damit einen informativen Einblick in die Europa-Politik sowie in unser Engagement vor Ort.

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Das Wichtigste im Überblick

CSAM I – EU-KOMMISSION WIEDERHOLT STANDPUNKT ZUR „CHATKONTROLLE“: Die Verordnung gegen den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen werde nicht zu einer allgemeinen Überwachung führen, betonen die Dienststellen der Kommission in ihrer rechtlichen Analyse (PDF) vom 16. Mai über das Gleichgewicht der Grundrechte.

Damit reagiert die Kommission auf die Bewertung des Juristischen Dienstes des Rates, der die Verhältnismäßigkeit von Anordnungen zur Aufdeckung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in Frage stellt.

In ihrer Analyse erläutert die Exekutive ihre Verteidigung im Detail: Spezifische Dienste und Inhalte sind Ziel der Anordnungen, die zeitlich begrenzt sind. Sie ist außerdem der Ansicht, dass das geplante System nicht wirklich von den Beschränkungen betroffen ist, die der EuGH im Fall „La Quadrature du Net“ zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellt hat. Die Rechtsprechung, „in ihrer Gesamtheit gelesen und richtig interpretiert“, zeige keine offensichtliche Verletzung der Grundrechte auf, versichert die Exekutive. (vgl. Contexte, Paywall, FR bzw. Euractiv)

Am Donnerstag und am Freitag treffen sich die Attachés, um die Diskussionen zum CSAM-Vorschlag fortzusetzen. Am Freitag treffen sich Botschafter im AStV II, um den Justiz-Rat von 8. bis 9. Juni vorzubereiten.

CSAM II – RAT WILL AUDIOKOMMUNIKATION ERFASSEN: Die meisten Mitgliedstaaten sind, nach Informationen der schwedischen Ratspräsidentschaft (PDF), für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Vorschlags zur Bekämpfung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch (CSAM) auf Audiokommunikation. Die Einbeziehung von Audiosignalen könnte weitreichende Folgen haben, zumal noch nicht geklärt ist, ob dies auch Telefongespräche einschließen würde. Laut Euractiv hätten sich jedoch nur drei EU-Länder für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung in diese Richtung ausgesprochen. Einem EU-Beamten zufolge basiert die Einschätzung der „klaren Mehrheit“ auf den Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppe „Rechtsdurchsetzung“. Ein zweiter Beamter sagte jedoch, dass es keine substantielle Diskussion zu diesem Thema gegeben habe. (vgl. Euractiv, EN)

Parallel dazu schlägt Portugal eine Anwendung in zwei Schritten vor: zunächst ab 1. Januar 2024 den Beginn der Risikoanalysen von Online-Diensten, die Einrichtung des Europäischen Zentrums gegen diesen Missbrauch und die Vorbereitung der delegierten Rechtsakte; dann am 4. August 2024 – am Tag nach dem Auslaufen der temporären Derogation – den Rest der Verordnung, um den Anschluss an die bisher angewandte vorübergehende Regelung zu gewährleisten. (vgl. Contexte, Paywall, FR)

CSAM III – ÄNDERUNGSANTRÄGE IM EP LIBE-AUSSCHUSS: Vergangene Woche lief die Frist für Abgeordnete im LIBE-Ausschuss ab, um Änderungsanträge einzubringen.

Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament will erwartungsgemäß das mögliche Scannen von Nachrichten nach Material über sexuellen Kindesmissbrauch einschränken. P. Breyer (DE) schlug im Namen seiner Fraktion vor, die Durchsuchungsbefehle auf Bilder und Videos zu beschränken, die von einer oder mehreren bestimmten Personen hochgeladen oder geteilt wurden, wenn ein „begründeter Verdacht“ besteht, dass diese eine Straftat begehen.

Als Teil seiner mehr als 400 Änderungsanträge zur Verordnung zur Bekämpfung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch schlug Breyer auch vor, die Untergrabung der Verschlüsselung und Methoden wie das clientseitige Scannen ausdrücklich auszuschließen. Außerdem möchte er die Bestimmungen streichen, nach denen App-Stores oder Messaging-Apps das Alter der Nutzer verifizieren müssen.

Breyer schlug spezifische Maßnahmen vor, um die Möglichkeiten für Straftäter einzuschränken, mit Kindern in Kontakt zu treten oder sie um Hilfe zu bitten, wie z. B. die Abfrage der Bestätigung des Nutzers, bevor er einem unbekannten Nutzer erlaubt, mit ihm zu kommunizieren, oder die Bereitstellung auffälliger Werkzeuge auf einer Plattform, um Hilfe bei einer lokalen Beratungsstelle zu suchen.

Der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten, Paul Tang wolle unterdessen Aufdeckungsanordnungen auf bekannten sexuellen Missbrauch beschränken, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ausdrücklich schützen und spezifischere Maßnahmen vorschlagen, um potenziellen Missbrauch im Internet zu begrenzen. „Wir müssen einen positiven Weg nach vorne finden und dürfen nicht in einer Diskussion über Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und Chat-Kontrolle stecken bleiben“, sagte Tang. (vgl. Politico Pro, Paywall, EN)

DATA ACT – SCHUTZ VON GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN SOLL NICHT ZUR NORM WERDEN: Die Europäische Kommission ist nun offen für die Einführung eines Mechanismus zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in das Datengesetz. Allerdings sollte dies eher die Ausnahme als die Regel bleiben.

Teile der Industrie haben sich vehement gegen den Gesetzesentwurf gewehrt und argumentiert, dass die Verpflichtung zur Datenweitergabe ohne entsprechende Schutzmaßnahmen unweigerlich ihre Wettbewerbsfähigkeit untergraben würde, da sie gezwungen wären, kommerziell sensible Informationen offenzulegen.

Diese Bedenken stießen im EU-Rat auf offene Ohren. Denn die Mitgliedstaaten haben bereits den Grundsatz eingeführt, dass eine Organisation die Weitergabe von Daten verweigern kann, wenn sie nachweisen kann, dass sie dadurch wahrscheinlich einen schweren wirtschaftlichen Schaden erleiden würde. Allerdings zeigt sich das Europäische Parlament kritisch gegenüber dem Ansatz. (vgl. Euractiv)

Die schwedische Ratspräsidentschaft will sich in ihrem letzten Vorschlag (PDF) auf nicht-personenbezogene Daten beschränken und die Fälle einschränken, die eine obligatorische Weitergabe rechtfertigen können, oder kleine und Kleinstunternehmen ausnehmen.

PRIVATSPHÄRE – EDSB VERABSCHIEDEN ABSCHLUSSBERICHT ÜBER DEN EINSATZ VON GESICHTSERKENNUNG DURCH DIE JUSTIZ: In ihren Leitlinien (EN, PDF) sprechen sich die Europäischen Datenschutzbehörden (EDSB) gegen eine allgemeine Massenüberwachung aus. Sie erinnern daran, dass der Einsatz von Gesichtserkennung durch die Strafverfolgungsbehörden notwendig, begrenzt und verhältnismäßig sein muss. Diese endgültige Fassung ist das Ergebnis einer Konsultation, welche vor einem Jahr vorgelegt wurde. Die vorgenommenen Änderungen betreffen Klarstellungen in Bezug auf menschliches Eingreifen, Haftung und mögliche Risiken für die Unschuldsvermutung. Der Verweis auf eine wirksame Aufsicht wurde hinzugefügt. (vgl. Contexte, Paywall, FR)

MEDIENFREIHEIT – CULT ÄNDERUNGSANTRÄGE VERÖFFENTLICHT: Der Kulturausschuss des Europäischen Parlaments hat die über 1.000 Änderungsanträge zum European Media Freedom Act (EMFA) veröffentlicht (PDF): 278-507, 508-877, 878-1177, 1178-1354

TELEKOMMUNIKATION – KOMMISSION BEWERTET PREISOBERGRENZEN: Die Europäische Kommission vergangene Woche ihre Bewertung der Preisobergrenzen für die Mobilfunk-Kommunikation innerhalb der EU veröffentlicht. Die vorgegebenen Höchstpreise, die ein Betreiber für einen Anruf oder eine SMS von einem EU-Land in ein anderes verlangen darf, hätten keine „signifikanten negativen Auswirkungen“ auf die Anbieter gehabt, heißt es in dem Bericht. Allerdings gebe es keine Garantie, dass die Preise nicht steigen würden, wenn die Maßnahmen wie geplant im Mai 2024 auslaufen und nicht verlängert würden.

Einzelne Veröffentlichungen, u.a. des EP Think Tanks:

Ausgewählte Konsultationen der EU-Kommission

 

Ausgewähltes der aktuellen Woche

Hier finden Sie eine Auflistung der kommenden Termine des Europäischen Parlaments. Der Sitzungskalender für 2023 steht Ihnen hier (PDF) zur Verfügung.

Eine Übersicht über die wichtigsten Termine der Woche des Rats finden Sie hier bzw. den Sitzungskalender hier.
Den offiziellen Kalender sowie das Programm des schwedischen Ratsvorsitzes können Sie auf der entsprechenden Webseite einsehen.

Bei den Terminen im Rat finden sich u.a.:

Gipfel- und Ministertreffen:

Vorbereitungsgremien:

Informationen zur wöchentlichen Kommissionssitzung finden Sie auf der Webseite der Kommission in der Vorschau (PDF) bzw. (kurzfristig) in der aktuellen Tagesordnung. Der nicht-legislative Vorschlag zum Metaverse wurde neuerlich, jetzt auf den 19. Juli verschoben. Die Richtlinie gegen Kindesmissbrauch, in einem Entwurf für den 6. September vorgesehen gewesen, ist derweil wieder aus der Vorschau verschwunden.
Für kommende Woche finden sich folgende Themen auf der Agenda:

  • Frühjahrspaket des Europäischen Semesters
  • Investitionspaket
    • Verbesserung des Investitionsrahmens für den Einzelhandel
    • Investitionsstrategie für den Einzelhandel

Den Gerichtskalender des EuG(H) finden Sie hier.

 

Ausschüsse im Europäischen Parlament

LIBE-Ausschuss (Bürgerliche Freiheiten)

  • Montag, 5. Juni 2023, 14.30-18.00 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

JURI-Ausschuss (Recht)

  • Dienstag, 30. Mai (Brüssel)

(Kalender)

ITRE-Ausschuss (Industrie)

  • Montag, 12. Juni (Straßburg)

(Kalender)

IMCO-Ausschuss (Binnenmarkt)

  • offen

(Kalender)

CULT-Ausschuss (Kultur)

  • Donnerstag, 25. Mai, 9.00-12.30 Uhr (Brüssel)
  • /29. Juni (Brüssel)

(Kalender)

ING2-Ausschuss (Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland)

  • Donnerstag, 25. Mai 2023, 14.30-18.00 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

Weiterer Parlamentskalender

KW 22 / Dienstag, 30. Mai bis Donnerstag, 1. Juni: Mini-Plenarsitzungswoche (Brüssel);

KW 23 / Montag, 5. bis Donnerstag, 8. Juni: Fraktions- und Ausschusssitzungswoche (Brüssel);

KW 24 / Montag, 12. bis Donnerstag, 15. Juni: Plenarsitzungswoche (Straßburg);

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