07.10.2019

Brüsselblick

Mit dem „Brüsselblick“ berichtet eco über aktuelle Entwicklungen und Sitzungen innerhalb der EU und gibt damit einen informativen Einblick in die Europa-Politik sowie in unser Engagement vor Ort.

 

Ausgewähltes der vergangenen Woche:

Die vergangene Woche stand im Europäischen Parlament klar im Zeichen der Kommissions-Hearings. Bereits vor den Hearings wurden die erste Kandidatin (Plumb, S&D) und der erste Kandidat (Trócsányi, EVP) vom JURI Ausschuss abgelehnt. Während den Hearings zeichnete sich eine Revanche der beiden größten Fraktionen ab. Das EU-Parlament hat nun auch die französische Kandidatin Sylvie Goulard für die neue EU-Kommission abgelehnt. Knapp war es ebenfalls beim designierten Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski, der die Abgeordneten in seinem ersten Hearing nicht überzeugte konnte. Dieser wurde jedoch diese Woche bestätigt. Zusätzliche Anhörungen dürften am 14./15. Oktober 2019 stattfinden. Nach den Hearings muss das EU-Parlament die neue EU-Kommission als Ganzes bestätigen, bevor diese wie geplant am 1. November starten kann. Diese Abstimmung ist für den 23. Oktober in Straßburg vorgesehen.

Indessen haben die rumänische und die ungarische Regierung neue Kandidaten ernannt: Zum einen den MdEP Dan Nica und zum anderen den bisherigen EU-Botschafter Olivér Várhelyi.

Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus den Highlights der Hearings:

Ylva Johansson, Home Affairs

Die überwiegende Mehrheit der Fragen drehte sich um die Migrations- und Asylpolitik, einige von ihnen konzentrierten sich jedoch auf die Digitalpolitik.

Johansson argumentierte, dass die geltenden Gesetze wirksam umgesetzt werden sollten. CSAM, Ausbeutung und Kriminalität wären ihr ein großes Anliegen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass die EU auch bestimmte Lücken im bestehenden Rechtsrahmen schließen sollte.

Sie lobte den Bericht des TERR-Ausschusses und sagte, dass sie sich von dessen Empfehlungen leiten lassen würden.

Sie betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung und betonte, dass Europol in diesem Bereich eine entscheidende Rolle spielen sollte. Sie betonte weiter die Bedeutung des Vertrauens zwischen den Strafverfolgungsbehörden.

Verschlüsselung: Auf die Frage, ob die Schaffung von Hintertüren im Zusammenhang mit der Verschlüsselung das Vertrauen in die elektronischen Kommunikationsdienste untergraben würde antwortete Frau Johansson, dass die EU ihre Bemühungen verstärken sollte, da Kriminelle die neuen Technologien nutzen. Sie betonte jedoch, wie wichtig es sei, das richtige Gleichgewicht zwischen Sicherheit, Datenschutz und Grundrechten zu gewährleisten.

CSAM: Auf die Frage, wie sichergestellt werden könne, dass die CSAM-Richtlinie auf nationaler Ebene wirksam umgesetzt wird, um Straftäter zu bestrafen, antwortete Frau Johansson, dass Kinderpornographie ein schreckliches Verbrechen sei und auch in Europa gehostet würde. Sie erwähnte, dass es einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten bedürfe.

Strafverfolgung und E-Evidence: Auf die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden weiterhin immer mehr Daten speichern werden oder ob sie eine neue Datenspeicherrichtlinie vorsehe, betonte Frau Johansson, dass die Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften und mit Europol verbessert werden sollte, um das Vertrauen zu stärken. Sie antwortete nicht auf die Frage, ob die Europäische Kommission plane, die Arbeit an dem Vorschlag für E-Evidence fortzusetzen.

Didier Reynders, Justiz

ePrivacy und Datenschutz: Es gab nur allgemeine Hinweise auf die Bedeutung von Privatsphäre und Datenschutz sowie auf den Versuch, EU-Normen in dieser Angelegenheit zu exportieren, um sie weltweit anwendbar zu machen.

E-Evidence: Zum Thema E-Evidence betonte Herr Reynders, dass die EU jedes Abkommen mit den USA (oder anderen Ländern) erst dann unterzeichnen werde, wenn diese ihre diesbezüglichen internen Regeln festgelegt haben.

Intermediärhaftung: Es gab mehrere Erwähnungen zu möglichen Änderungen der Haftungsregeln, bei denen der designierte Kommissar mehrfach die Notwendigkeit betonte, sie „fit für die neue Online-Welt“ zu machen, wobei er das Beispiel der Unfälle durch autonome Autos nannte.

Künstliche Intelligenz: Reynders erwähnte, dass er einen koordinierten Ansatz für die menschliche und ethische Künstliche Intelligenz anstreben würde, mit einem Schwerpunkt auf Vertrauen und Sicherheit.

Sylvie Goulard, Binnemarkt

Eine Vielzahl von Fragen konzentrierte sich auf den augenscheinlichen Mangel an Integrität der Kandidatin infolge einer gerichtlichen Untersuchung betreffend Vorwürfe, dass in ihrer Zeit als Mitglied des Europäischen Parlaments einerseits ihre Assistentin für ihre politische Arbeit in Frankreich eingesetzt wurde und sie selbst andererseits für das Berggruen Institute for Governance gearbeitet hat.

Die Antworten auf die zusätzlichen Fragen, welche an Goulard nach dem Hearing gestellt wurden, werden bis Dienstag nächster Woche erwartet. Abhängig von den Antworten wird das Europäische Parlament entscheiden, ob eine zweite Anhörung für Goulard notwendig ist.

Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Aussagen des Meetings:

Goulard stellte eine Reihe von Prioritäten vor, darunter die Förderung von KMU sowie den Schutz der EU-Wirtschaft durch die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und den „Export“ europäischer Normen weltweit, wie im Falle der DSGVO. Sie betonte auch die Bedeutung der Digitalisierung der EU-Wirtschaft und hob den bevorstehenden Digital Services Act und die KI-Verordnung als Prioritäten hervor, um sicherzustellen, dass die europäischen Werte geachtet werden.

In ihren Antworten zum Digital Services Act betonte Goulard, dass es notwendig sei, daran auf EU-Ebene zu arbeiten, um zu vermeiden, dass „große mächtige globale Gruppen“ die Internet(dienste)-Freiheit für sich selbst organisierten. Sie betonte ferner, dass der bestehende Grundsatz der Intermediärhaftung nicht geändert werden sollte, aber dass die Europäische Kommission Möglichkeiten zur Verbesserung und Aktualisierung prüfen werde. Sie blieb recht ausweichend und antwortete, dass die aktualisierte Fassung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr – die das Ergebnis eines politischen Konsenses sein wird – den Schutz der Grundrechte und der Internetfreiheit gewährleisten wird. Sie erwähnte auch, dass ihre Absicht nicht darin bestünde, französisches Recht gegen Online-Hassreden auf EU-Ebene zu replizieren und durchzusetzen.

Margaritis Schinas, VP Protecting our European Way of Life

In seiner Eröffnungsrede sagte Herr Schinas, dass er sich auf drei Prioritäten konzentrieren werde: gerechtere Gesellschaften, ein neues Paket für Migration und Asyl und die Vollendung der Sicherheitsunion (Bekämpfung sowohl traditioneller als auch moderner (online) Bedrohungen sowie Terrorismus).

Der Großteil der ersten Fragen bezogen sich auf den Titel seines Portfolios. Herr Schinas versuchte eine Verteidigung damit, dass die wahre Bedeutung des Titels nichts mit der „rechten“ Interpretation zu tun habe (sondern mit der Verteidigung der Rechte und des Zugangs zu Möglichkeiten, Gesundheitsversorgung, Bildung, Inklusivität, Bekämpfung des Terrorismus und Fanatismus), bestanden S&D, Renew, die Grünen und GUE nachdrücklich auf der Notwendigkeit einer Änderung des Titels, was er jedes Mal höflich ablehnte.

Terroristische Inhalte online: Schinas merkte an, dass die Kommission einen koordinierten Ansatz verfolgen werde, um die Europäer online zu schützen, indem der Vorschlag für terroristische Online-Inhalte angenommen, gemeinsam am Digital Services Act sowie im European Internet Forum gearbeitet werde.

Vorratsdatenspeicherung: Auf die Frage, wo die Kommission in der Angelegenheit der Massenüberwachung und Datensammlung stünde, insbesondere in Hinblick auf das EuGH-Urteil, das die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie für ungültig erklärte sagte Herr Schinas, dass er sich der Datenschutzfragen voll bewusst sei, betonte aber, dass die EU ein Vorkämpfer für Privatsphäre und Datenschutz mit einem Grundsatz sei, der immer gelten werde: der Zustimmung der Bürger. Er erwähnte auch, dass die Arbeiten zur Datenspeicherung während dieser Kommission fortgesetzt werden. Doch würde die Kommission warten, bis die anhängigen Verfahren vor dem EuGH abgeschlossen sind.

 

Am Donnerstag gab der EuGH seine Entscheidungen in der Rechtssache Glawischnig-Piesczek gegen Facebook (C-18/18, PA, Urteil) bekannt. Er folgte dabei größtenteils der Meinung des Generalanwalts und entschied:

Das Unionsrecht verwehrt es nicht, dass einem Hosting-Anbieter wie Facebook aufgegeben wird, mit einem zuvor für rechtswidrig erklärten Kommentar wortgleiche und unter bestimmten Umständen auch sinngleiche Kommentare zu entfernen.

Das Unionsrecht verwehrt es auch nicht, dass eine solche Verfügung im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berücksichtigung Sache der Mitgliedstaaten ist, weltweit Wirkungen erzeugt.

Die Eckpunkte aus dem Urteil sind:

Notice and Stay Down Verpflichtung: Hosting-Dienstleister können von einem nationalen Gericht angewiesen werden, den Zugang zu Inhalten zu entfernen oder zu blockieren, die mit dem Inhalt identisch sind, welcher zuvor für rechtswidrig erklärt wurde. Der Schwerpunkt liegt auf illegalen Inhalten (und nicht schädlichen, aber rechtmäßigen Inhalten), die von einem Gericht als solche identifiziert wurden.

Entfernen von gleichwertigem Inhalt: Dieses zweite Element bezieht sich nur auf Inhalte, die im Wesentlichen unverändert gegenüber jenen Inhalten sind, die von einem Gericht als illegal identifiziert wurden. Äquivalent sollte bedeuten, dass die Unterschiede in der Formulierung nicht so groß sind, dass der Host-Provider verpflichtet wäre, eine unabhängige Bewertung des Inhalts vorzunehmen. Der EuGH erwähnt ausdrücklich, dass den Unternehmen der Einsatz von „automatisierten Suchwerkzeugen und -technologien“ ermöglicht sein solle.

Extraterritorialität: Der EuGH entschied, dass die einstweilige Verfügung zur Sperrung des Zugangs zu den spezifischen Inhalten im Rahmen des einschlägigen Völkerrechts weltweit wirksam sein könnte.

Das Urteil führte international bereits zu starken Reaktion von Befürwortern und Gegnern und dürfte zudem Auswirkungen auf die kommenden Diskussionen zum Review der E-Commerce Richtlinie (DSA) haben.

Bereits am vergangenen Dienstag stand beim EuGH eine Entscheidung zu Cookies im Zusammenhang mit der DSGVO im Fall Planet49 gegen VZBV (C-673/17, PA, Urteil) an. Dabei hat er entschieden, dass das Setzen von Cookies die aktive Einwilligung des Internetnutzers erfordert. Ein voreingestelltes Ankreuzkästchen genüge daher nicht.

 

Frankreichs Vorschlag zur Umsetzung sowohl der AVMD- als auch der DSM-Richtlinie wurde währenddessen bekannt. Die Berichterstatterin kommt aus der Partei von E. Macron (Aurore Bergé). Der Vorschlag soll Anfang 2020 in der Nationalversammlung verabschiedet werden.

Die USA und Großbritannien haben am Donnerstag die Unterzeichnung eines Abkommens zur direkten Datenherausgabe (CLOUD Act Agreement) bekannt gegeben. Damit soll es der jeweiligen Exekutive zukünftig möglich sein, in schwerwiegenden Straffällen, Daten unmittelbar bei Unternehmen im jeweiligen anderen Land anzufordern.

Die USA, Großbritannien und Australien haben am Freitag einen offenen Brief an Facebooks Mark Zuckerberg gerichtet, in welchem sie ihn auffordern von der Umsetzung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abzusehen bzw. Backdoors in den Verschlüsselungen der Nachrichtenprogramme für einen ungestörten Zugriff der Exekutive fordern. Gleichzeitig wird behauptet, dass die Unterzeichner eine starke Verschlüsselung und den Schutz persönlicher Daten unterstützen.

 

Ausgewähltes der aktuellen Woche:

Hier finden Sie eine Auflistung der aktuellen Termine des Europäischen Parlaments sowie eine Übersicht der Plenarsitzung ab Mittwochnachmittag. Schon am Montagnachmittag gingen die Hearings für die Kommissionskandidat/innen in den Ausschüssen des EU-Parlaments weiter.

Eine Übersicht aller Kandidat/innen und der Termine finden Sie hier und Hintergrundinformationen zum Verfahren hier. Die letzten fünf Hearings inkludierten u.a. jene von Margrethe Vestager (Dienstag, 8. Oktober, 14.30-17.30 Uhr, Briefing, Fragen und Antworten) und Věra Jourová (Montag, 7. Oktober, 14.30-17.30 Uhr, Briefing, Fragen und Antworten). Die Hearings werden wieder im Livestreaming übertragen.

Eine Übersicht über die wichtigsten Termine der Woche des Rats finden Sie hier bzw. den Sitzungskalender hier.

Es finden zahlreiche Rats- und Arbeitsgruppensitzungen statt. Darunter u.a.

  • Rat Justiz und Inneres (Montag und Dienstag; u.a. E-Evidence, Hatespeech, EMRK, Eurojust und Terrorismus, neue Technologien und innere Sicherheit) – A-Punkte, TO;
  • Rat Wirtschaft und Finanzen (Donnerstag; u.a. Geldwäsche) – A-Punkte, TO;
  • Gruppe Telekommunikation und Informationsgesellschaft (Freitag; Neuer E-Privacy Vorschlag);
  • Gruppe E-Recht (Montag; u.a. e-CODEX, Me-CODEX II);
  • Gruppe Steuerfragen (indirekte Besteuerung) (Dienstag; MWSt, KMU);
  • Gruppe Steuerfragen (direkte Besteuerung) (Freitag; u.a. Herausforderungen der Digitalisierung);
  • Gruppe Informationsaustausch und Datenschutz (DAPIX) (Donnerstag; u.a. PNR, Prüm);
  • Horizontale Gruppe Stärkung der Resilienz und Abwehr hybrider Bedrohungen (Montag);
  • Horizontale Gruppe Fragen des Cyberraums (Dienstag; u.a. NIS Report und 5G, ANSSI Report, Lettische Cybersicherheitsstrategie);
  • Gruppe E-Recht (Montag und Dienstag; u.a. ELI, e-CODEX, E-Evidence, KI Studie);

Außerdem treffen sich diese Woche der AStV I (Mittwoch und Freitag; u.a. Programm Kreatives Europa, Erasmus, Umwelt und Landwirtschaft) sowie der AStV II (Mittwoch).

Informationen zur wöchentlichen Kommissionssitzung finden Sie in der Vorschau bzw. (kurzfristig) in der aktuellen Tagesordnung. Für diese Woche findet sich darauf:

  • Beitrag für die Oktobertagung des Europäischen Rates zum Mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2020

 

Kommende Sitzungen:

LIBE Ausschuss (EP)
  • 14. Oktober 2019, 15.00-18.30 Uhr (Brüssel)
IMCO Ausschuss (EP)
  • 6. November 2019, 9.00-12.30 Uhr und 14.30-18.30 Uhr
  • 7. November 2019, 9.00-12.30 Uhr und 15.00-18.30 Uhr
JURI Ausschuss (EP)
  • 14. Oktober 2019, 915.00-18.30 Uhr (Brüssel)
ITRE Ausschuss (EP)
  • 17. Oktober 2019, 9.00-12.30 Uhr (Brüssel)
CULT Ausschuss (EP)
  • 4. November 2019, 15.00-18.30 Uhr (Brüssel)
  • 5. November 2019, 9.00-12.30 Uhr und 15.00-18.30 Uhr (Brüssel)

 

Weiterer Parlamentskalender:

  • KW 42 / Montag, 14. bis Donnerstag, 17. Okt.: Fraktions- und Ausschusssitzungen (Brüssel)
  • KW 43 / Montag, 21. bis Donnerstag, 24. Oktober: Plenarsitzungen (Straßburg)
  • KW 44 / Montag, 28. Oktober bis Freitag, 1. November: Grüne Woche (Sitzungsfrei)
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