19.06.2023

Data Center Expert Summit 2023: „Die Zukunft fängt grade erst an“

Energiewende, regulatorische Vorgaben und wachsende Anforderungen durch Künstliche Intelligenz und digitale Ökosysteme – und das alles vor dem Hintergrund mangelnder Fachkräfte. Die Herausforderungen der Rechenzentrums-Branche haben im letzten Jahr eher zu- denn abgenommen. Der Data Center Expert Summit 2023 brachte die Rechenzentrums-Branche am 14./15. Juni in Dreieich bei Frankfurt zusammen. Alle Fotos hier.

„Ohne Rechenzentren gibt es keine Digitalisierung, keine Cloud und keine künstliche Intelligenz. Jede Branche und auch privat hängt ein wachsender Teil unserer täglichen Handgriffe vom Internet ab. Genauer gesagt, von Rechenzentren und anderen digitalen Infrastrukturen, die das Internet zu uns bringen." Mit diesen Worten eröffnete eco Geschäftsführer Harald A. Summa den Data Center Expert Summit 2023. Die Nachfrage nach Rechenzentren ist riesig und wächst immer weiter, stellte er in seiner Keynote fest. Tausende Rechenzentren warten aktuell darauf, gebaut und in Betrieb genommen zu werden. Doch was heißt das für die Branche?

Data Center Expert Summit 2023: „Die Zukunft fängt grade erst an“

Rund 140 Entscheider:innen, Betreiber:innen, Planer:innen und Anweder:innen aus den Bereichen Rechenzentrums- und Serverraum-Betrieb hatten sich in der Location The Aircraft at Burghof in Dreieich bei Frankfurt zum Data Center Expert Summit 2023 zusammengefunden, zu Impulsvorträgen, Diskussions-Panels und Keynotes zu den aktuellen Herausforderungen der Branche. Hoher politischer Besuch hatte sich mit Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus angekündigt.

Der Event bot auch einen feierlichen Rahmen für die Ehrung langjähriger eco Mitgliedsunternehmen. Für 25 Jahre im Verband geehrt wurde die COLT Technology Services GmbH, für 20 Jahre im Verband die noris network AG, die HLkomm Telekommunikations GmbH und die Equinix Germany GmbH. Für 15 Jahre im eco Verband geehrt wurde die Centron GmbH.

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The Sky is the Limit

Los ging es bereits am Vorabend. In der sommerlichen Atmosphäre eines Biergartens begrüßte Dr. Béla Waldhauser die Gäste mit einem Impulsvortrag. „Aufgrund der hohen Strompreise hat unsere Branche ein Eigeninteresse daran, Rechenzentren so energieeffizient wie möglich zu betreiben. Die aktuell im Energie-Effizienzgesetz formulierten Verpflichtungen für Datacenter zur Abgabe ihrer Abwärme sind in dieser Form jedoch nicht umsetzbar – und könnten zur Abwanderung von Rechenzentren in europäische Nachbarländer führen“, so der Sprecher der unter dem Dach des eco Verbands gegründeten Allianz zur Stärkung Digitaler Infrastrukturen in Deutschland.

Ulrich Plate von der nGENn GmbH stellte sich den Anwesenden anschließend als Leiter der neuen eco Kompetenzgruppe KRITIS vor. „Viele von Ihnen werden zukünftig unter die Regelungen der KRITIS-Verordnung fallen“, gibt Plate zu bedenken und lädt dazu ein, sich gemeinsam darauf vorzubereiten. Networking und BBQ bei kühlen Getränken stand im Folgenden im Laufe des Abends auf der Agenda.

Am Eventtag selbst griff Béla Waldhauser das Thema Energie auf. „Das EnEfG taugt in seiner aktuellen Form nicht für die Praxis." Die Vorgaben zur Abnahme der Abwärme seien unrealistisch. Er betonte zugleich: Digitale Infrastrukturen helfen dabei, CO2 einzusparen, etwa durch Videokonferenzen und Home-Office. „Die hohen Stromkosten verleiten dazu, im Ausland in Rechenzentren zu investieren – zu Lasten der eigenen digitalen Souveränität. Es gibt einfach Daten, die wollen wir im eigenen Land behalten“, sagt Waldhauser.

Karl Kimmig von der ABB STOTZ-Kontakt GmbH unterstrich in seiner Keynote: Rechenzentren sind das Herz der IT-Infrastruktur und immer stärkeren Anforderungen ausgesetzt. Alles sei heute auf Höchstleistung getrimmt, der Energieverbrauch müsse dennoch auf ein noch niedrigeres Niveau. Die Vision sei ein hochverfügbares Rechenzentrum in einer klimaneutralen Welt. Kimmig erläuterte, was ABB im Bereich der Elektrifizierung zu dieser Fragestellung beitragen kann und wie das Unternehmen Kunden bei der Reduzierung von Emissionen hilft. Ein nahezu CO2 freier Produktionsstandort sei das Ziel.

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Rechenzentren sind das Herz der IT-Infrastruktur

Dr.-Ing. Bastian Koller vom Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart unterstrich: "Es braucht Programme, die von der Politik unterstützt werden, um die Abwärme nutzen zu können." Mareike Jacobshagen von der DE-CIX Group AG ergänzte: "Zur Nachhaltigkeit gehört die Wirtschaftlichkeit dazu."

Dr. Harald Will vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP betonte die Rolle der Kommunen: „Städte und Kommunen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, denn der Umbau der Energiesysteme im Sinne einer zuverlässigen und effizienten Versorgung mit erneuerbaren Energien kann nur auf lokaler Ebene erfolgreich realisiert werden.“

Welche Rolle spielen KI und Automatisierung zukünftig im RZ? Diese Frage stellte Prof. Dr. Anne Riechert, AI Frankfurt Rhein-Main e. V. und stellt die geplante EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz vor. Joachim Astel von der noris network AG betonte den Nutzen von KI und Algorithmik für die Verbesserung der Energieeffizienz. Die Diagnosemöglichkeiten verbessern sich. Sicherheit gelte es jedoch von Anfang an mitzudenken. Damit Hacker nicht intelligente Mechanismen und starke KI für erfolgreiche Angriffe nutzen können, gelte es Datenströme und Cloud-Services abzusichern.

KI für den Blaumann stellte anschließend Christine Neubauer von Service-Meister vor. „KI kann repetitive Arbeiten erleichtern, das konnten wir in zahlreichen Use-Cases zeigen.“ Doch grade der Mittelstand hat hier noch Nachholbedarf. Marc Fröse von der NorthC Deutschland GmbH führte das Thema aus und erläuterte die Vorteile von Predictive Maintenance durch KI im Rechenzentrum.

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Rechenzentren leisten Beiträge zu digitaler Souveränität

Jens Möller von e-shelter security services GmbH & Co.KG sprach zum Thema KRITIS. „Viele wissen noch nicht, dass sie unter die KRITS-Verordnung fallen“, sagte er. Die aktuelle Bedrohungslage macht physische Sicherheit wichtiger. Als Herausforderungen für Betreiber kritischer Infrastrukturen nannte er den Fachkräftemangel, fehlende Daten und zu viele autarke Systeme, die nicht vernetzt sind. „Wir als e-shelter security bringen die Themenblöcke von Brandschutz über Einbruchschutz und Videoüberwachung bis zur Zutrittssteuerung zusammen.“ Das Ergebnis sei ein übergeordnetes, KI-gestütztes Gefahrenmanagementsystem, das alles visualisiert.

Einen Impulsvortrag hielt nach der Mittagspause Prof. Dr. Kristina Sinemus, Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. „Wir können das Silicon-Valley Europas werden“, sagt sie und betonte die Bedeutung von Rechenzentren für die Region: „Die Metropolregion Frankfurt Rhein-Main hat sich zu einem schnell wachsenden Standort für Rechenzentren entwickelt. Digitale Infrastrukturen und Rechenzentren haben eine hohe Bedeutung für eine erfolgreiche, wirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Digitalisierung. Dies ist für die Region von großem Wert, denn damit tragen sie zu einer Stärkung des Standorts Hessen und der Wirtschaft bei.“

Der eco Geschäftsführer Alexander Rabe betonte in der anschließenden Diskussionsrunde mit der Ministerin: „Resilienz bedeutet auch Redundanz, das deckt sich nicht immer mit den Nachhaltigkeitsgedanken der Bundesregierung.“ Kritische Anwendungen müssen sicher gehostet werden. „Wir wollen Digitalisierung für den Menschen“, so Rabe weiter. „Wir haben mit der Digitalisierung ein Werkzeug in der Hand, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu managen – das müssen wir auch für die nachfolgenden Generationen.“ Christian Schmitz von der plusserver GmbH hob die Bedeutung von OpenSource als Fundament digitaler Transformation am Beispiel des Sovereign Cloud Stacks hervor. Sein Ziel sei die größte reale Gaia-X Umsetzung mit mehreren hunderttausend Endanwender:innen. „Wir werden die digitale Souveränität mithilfe von Gaia-X steigern“, ist Schmitz überzeugt.

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Innovationen für die digitalen Ökosysteme von morgen

Jörg Karpinski, Huawei Technologies Deutschland GmbH, sprach anschließend mit Markus Schaffrin und erläuterte, warum Kabel immer weiter durch Wifi ersetzt werden. Die neue WiFi-Generation Wifi 7 wird Kabelwege und Infrastrukturen weiter verändern.

Welche Innovationen benötigen wir für die digitalen Ökosysteme von morgen? „Die anwendungsorientierte Nutzung ist relevant“, sagte Prof. Dr. Sandra Thomas von der Provadis School of International Management and Technology. „Innovation ist erfolgreich, wenn sie akzeptiert wird.“ Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut, Dr. Gunnar Schomaker vom Software Innovation Campus Paderborn und Dr. Christoph Dietzel, DE-CIX Group AG bildeten das abschließende Diskussionspanel des Tages.

Marco Bellof von der VS Apps GmbH hielt ein Abschlussstatement zu Erfolgsfaktoren für digitale Transformationsprojekte inklusive Beispielen. „Neue Denkweisen zuzulassen ist der entscheidende Schlüssel.“ Mit viel neuem Know-how, vielen neuen Kontakten und einer Vorstellung davon, wie die dynamische Branche der Rechenzentren die Herausforderungen der Zukunft meistern kann, verließen die 140 Expert:innen die Location - auf ein Wiedersehen in 2024. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Partner und Sponsoren, insbesondere an die ABB STOTZ-KKONTAKT GmbH und die plusserver GmbH.

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