Bei dem kompetenzgruppenübergreifenden Event „KG IoT/KG Datacenter: Datacenter als integratives Element nachhaltiger Smart City und Smart Building Lösungen“, gemeinsam umgesetzt mit ABB und der Tochterfirma Busch-Jaeger Elektro GmbH, ist der eco mit verschiedenen Expert:innen aus dem IoT- und Datacenter-Umfeld in die Diskussion rund um das Thema smarte Ökosysteme eingestiegen. Dabei entstand ein deutliches Bild, wie unabdingbar Rechenzentren für IoT-Projekte in allen Bereichen und auch gerade für Anwendungen in der Smart City sind. Eingegangen wurde auf den Smart-City-Markt in Deutschland, den deutschen RZ-Markt im europäischen Vergleich, aber auch auf nachhaltige Lösungen für die Industrie 4.0 und die Rechenzentrumsbranche.
Eine funktionierende digitale Infrastruktur ist die Basis eines smarten Ökosystems. „Rechenzentren sind essenzieller Teil der digitalen Infrastruktur und bilden somit das Fundament einer Smart City und entsprechender IoT-Anwendungen“, so Dr. Bettina Horster, Leiterin der Kompetenzgruppe IoT beim eco Verband und Vorstand der VIVAI Software AG. Bereits in der Studie „Der Smart-City-Markt in Deutschland: 2021-2026“, die der eco gemeinsam mit Arthur D. Little 2021 veröffentlichte, wird deutlich, dass die Konnektivität, die Anbindung über die Provider, die Carrier, aber auch die Rechenzentren (RZ) und Cloudanbieter schlichtweg die Enabler der Smart City sind. Ohne die entsprechende Infrastruktur und Kapazitäten in Rechenzentren, funktionieren alle nachgelagerten Anwendungen nicht.
Doch gerade die Datacenter-Branche steht vor einigen Herausforderungen:
- Marktentwicklung
- Standortsuche
- Strompreisentwicklung
- Nachhaltige Lösungen
Gemeinsam mit den Referierenden konnten einige Impulse gesetzt und verschiedenen Ansätze zu den aktuellen Herausforderungen der Datacenter-Branche diskutiert werden. Zudem erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in die smarte Produktion bei Busch-Jaeger Elektro GmbH und das am Standort Lüdenscheid umgesetzte Konzept der ABB „Mission to Zero“ für einen nahezu CO2-freien Produktionsstandort.
Der deutsche RZ-Markt im europäischen Vergleich
Mit einer Umsatzprognose von über 33 Milliarden Euro bis 2028 und einem Wachstum von 13 % ist der Colocations-Markt in Europa in robuster Verfassung und wächst stetig, wie Dipl. Wi.-Ing. Gerd J. Simon in seinem Vortrag aufzeigte. Grund dafür ist der steigende Kapitalbedarf für den Besitz und die Wartung von großen IT Compute-Kapazitäten als Antrieb zur Verlagerung von Daten. Jedoch entsteht durch dieses Wachstum eine weitere Herausforderung: Digitalisierung geht nicht ohne Elektrifizierung. Vor allem der Rechenzentrumsbetrieb muss 24/7 gesichert sein. Bei der Digitalisierung ist Deutschland in der Wachstumsphase. Das hat Vor- und Nachteil zugleich: Der Digitalisierungsgrad in Deutschland liegt bei unter 10 %, somit befindet sich die RZ-Versorgung in Deutschland auch noch am Anfang.
Ausblick für den deutschen RZ-Markt
Der Großraum Frankfurt am Main steht für RZ-Neuansiedlungen bis 2028 nicht zur Verfügung, jedoch bietet das auch neue Ansiedlungschancen. Neue RZ-Märkte können so in Berlin, Düsseldorf/Köln, Hamburg, Mainz, Mannheim/Heidelberg, München sowie in Stuttgart entstehen. Neben der Herausforderung neuer Standorte für Rechenzentren, wird auch das Thema Energie deutlich relevanter. Die Energieversorgung wird erheblich komplexer und deren Digitalisierung wird zum Erfolgsfaktor für Neuansiedlungen von Rechenzentren. Auch die CO2-Preise werden weiter steigen. Die Energieeffizienz erhält vor dem Hintergrund der hohen Preise einen neuen Stellenwert. Strom- und Gaspreise bleiben mittelfristig auf einem hohen Niveau und es braucht Lösungen, um die Energieeffizienz zu steigern. Hinzu kommt die Notwendigkeit für den CO2-neutralen Auf- und Umbau von Rechenzentren durch Dekarbonisierung der Wärme und des Stroms: Die zunehmend schärfer werdenden Regulierungen (auf deutscher, wie auch auf europäischer Ebene) zwingen alle Unternehmen - inklusive der Rechenzentren - CO2-frei zu produzieren.
Mission to Zero
Wie ein nahezu CO2-freier Produktionsstandort aussehen und funktionieren kann, zeigt das Konzept „Mission to Zero“ von ABB. Die Vision von energieautarken und CO2-neutralen Industrieproduktionen ist eine Mission geworden. Dieses Projekt konnte bei Busch-Jaeger, dem weltweit ersten nahezu klimaneutralen und kostenoptimierten Produktionsstandort der ABB-Gruppe, realisiert werden. Als sichtbares Zeichen hierfür – ein Solarkraftwerk direkt auf dem Firmengelände.
Die Photovoltaikanlage ist dabei Teil einer ganzheitlichen Lösung. Die Lösung umfasst alle Aspekte der Energieerzeugung und -verteilung und ermöglicht es, an Sonnentagen bis zu 100 % des Strombedarfs zu decken. Der wirkliche Vorteil entsteht aber erst, in dem alle Komponenten digital miteinander vernetzt und im Kontext von Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung steuerbar sind. Die PV-Anlage in Kombination mit einem Blockheizkraftwerk, das mit der doppelten Energieeffizienz eines Kohlekraftwerks arbeitet, kann dabei rund 14 % mehr Energie erzeugen, als am Standort benötigt wird. Der Vorzeigestandort spart jährlich ca. 630 Tonnen CO2 und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Klima- und Umweltsituation bei ABB in Lüdenscheid.
Auch die Produktion am Standort profitiert von der Mission. Denn auch diese ist Teil der ganzheitlichen Lösung. Durch die Digitalisierung und Automatisierung verschiedener Produktionsabläufe kann die smarte Produktion viel effizienter und bedarfsorientierter ausgesteuert werden.
Narrowband- IoT – Konnektivität in der Smart City
Um Digitalisierungs- und vor allem IoT-Projekte umzusetzen, benötigt man neben Kapazitäten in Rechenzentren auch Konnektivität als wichtigen Baustein der digitalen Infrastruktur.
Grundsätzlich finden sich im IoT vernetzte Geräte aller Art, dabei bildet der Datentransport in beide Richtungen oftmals die Sollbruchstelle und zuverlässige Übertragungsmöglichkeiten sind gefordert. Narrowband-IoT (NB-IoT) zeichnet sich hierbei mit einigen Vorteilen, besonders für Smart-City-Anwendungen und den industriellen Bereich, aus.
Gerade global gedacht, funktionierten viele Übertragungstechnologien nicht einwandfrei oder sind zu kompliziert oder zu teuer, wie auch Christian J. Pereira, COO von grandcentrix und IoT-Beiratsmitglied beim eco in seinem Fachvortrag ausführte. Gerade die Nutzung des Mobilfunks ist global gesehen sehr teuer und erzeugt einen enormen Stromverbrauch.
NB-IoT ist ein Standard zur Datenübertragung, der auf die verlässliche Übertragung kleiner Datenmengen, Telemetriedaten, zugeschnitten ist. Er gilt im Internet der Dinge als Baustein für Effizienz und Innovation, wenn es um Konnektivität geht. NB-IoT steht international zur Verfügung und seit ca. drei Jahren auch in Deutschland.
Vorteile von Narrowband-IoT
Narrowband-IoT besitzt eine schmale Bandbreite und verbraucht weniger Energie. Die Batterien in den Sensoren, die in solchen Netzwerken arbeiten und die Datensignale übertragen, halten bis zu zehn Jahre.
Der spezielle Vorteil von NB-IoT ist eine gute Gebäudedurchdringung. NB-IoT sendet und empfängt selbst dort noch Daten, wo ein mobiles Endgerät keinen Empfang mehr hat. Dank der geringeren Netzbelastung durch schmale Bandbreiten ist es möglich, dass einzelne Funkzellen bis zu 50.000 Geräte störungsfrei kommunizieren lassen können. Gerade bei der Vernetzung von Maschinen kann Narrowband-IoT eine schnelle und einfache Lösung sein, die sich auch zur Nachrüstung von Geräten eignet und somit auch für z. B. Smart Maintenance gut einsetzbar ist.
Nachhaltige Lösungskonzepte für Datacenter
Die Datacenter-Branche steht gerade vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz vor einigen Herausforderungen, allen voran in Bezug auf die Abwärmenutzung. Gefragt sind künftig neue und weitere Modelle, die Abwärme sinnvoll wiederzuverwenden. Bereits jetzt haben sich erste Konzepte und Projekte etabliert oder befinden sich in der Umsetzung. So gibt es beispielsweise Pilotprojekte die Abwärme für entstehende Neubaugebiete zu nutzen und die Wärme ins Nahwärmenetz einzuspeisen. Weitere Nutzungsmöglichkeiten sind u.a.:
- Abwärmenutzung in der Landwirtschaft (z. B. Gewächshäuser, Fischzucht)
- Abwärmenutzung für Industrieprozesse (z. B. Trocknungs- und Konservierungsprozesse)
- Abwärme im Gebäudesegment (z. B. Warmwasseraufbereitung, begrünte Fassaden)
- Abwärmenutzung in Städten und Kommunen (z. B. Straßenfrostschutz, Sportplatzbeheizung)
Aber auch weitere Möglichkeiten der Nutzung von Abwärme werden diskutiert. Hierbei könnte auch die Nutzung von Wärmespeichern, genauer gesagt Phasenwechsel-Wärmespeicher eine sinnvolle Ergänzung sein. So ließe sich die Abwärme aus den Rechenzentren über einen etwas längeren Zeitraum speichern und bei Bedarf zu den entsprechenden Abnehmern gebracht werden. Damit ließe sich die Abwärme sehr gezielt und flexibel einsetzen. Auch wenn die Rechenzentren bereits jetzt Verantwortung für die Wärmenutzung übernehmen, braucht es auch hier langfristig einen verlässlichen rechtlichen Rahmen sowie smarte Konzepte, um mehr Abwärme nachhaltig nutzen zu können.
Fazit
Das Event hat gezeigt, dass gerade im Kontext von Smart-City-, Smart-Building- und Smart-Factory-Lösungen und vor dem Hintergrund nachhaltiger Digitalisierung, sowohl die Rechenzentren als auch das Internet of Things gefragt sind. Es braucht ein smartes Ökosystem, das vom Fundament bis hin zu den Anwendungen und Services ganzheitlich gedacht wird. So können Synergien entstehen und genutzt werden, aber auch gemeinsam nachhaltige Lösungen für die Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt werden. Es wird sich zeigen, welche spannenden Entwicklungen die Branche noch bereit hält.