Auftakt der 3-teiligen LocalTalk-Reihe "Datacenter Life Savers" in Hamburg
Hamburg, 14.04.2016 – Einen Abend voller spannender Diskussionen und regem Networking konnten die annähernd 50 Gäste des eco LocalTalk "Data Center Life Savers" am 14. April im Hamburger Schulungs-Center der Experteach GmbH miterleben.
Nach der Begrüßung durch Gastgeberin Sabine Lindley, ExperTeach GmbH, führte Dr. Béla Waldhauser, CEO von Telehouse Deutschland und KDDI Germany, sowie Leiter der eco Kompetenzgruppe Datacenter Infrastruktur, durch den Abend.
Als Urgestein der deutschen RZ-Branche sowie Gründer verschiedener Unternehmen im Bereich der Planung und Beratung von Rechenzentren referierte Rainer von zur Mühlen zum Thema „Rechenzentren als potenzielle Ziele terroristischer Angriffe“.
Von zur Mühlen erklärte anschaulich, wie die Folgen von physikalischen Attacken durch eine entsprechende Gebäudeplanung abgemildert werden können.
Im Vergleich zu selbst verschuldeten Risiken schätzte er dieses Bedrohungsszenario – wohlwissend, dass es im gegenwärtigen Klima ernst genommen werden muss – jedoch sehr viel weniger bedrohlich ein.
Als ernstzunehmendes Beispiel nannte er vielmehr einen glimmenden Silvester-Blindgänger, welcher einen Schwelbrand in der Styropor-Dämmung des RZ-Flachdachs ausgelöst hat. Das Thema Dämm-Material sollte an diesem Abend noch häufiger wiederkehren:
"Deutsche Rechenzentren brennen normgerecht ab", so die Einschätzung des Experten.
Auch explodierende USV-Systeme stellen nach Ansicht des Sicherheits-Experten eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Rainer von zur Mühlen empfiehlt hier, auf geographische Redundanz zu achten, auch innerhalb eines einzelnen Rechenzentrums – alle USV-Systeme in nur einem Raum zu betreiben sei nahezu fahrlässig.
Mit wechselnder Temperatur dehnt sich Metall bekanntlich aus. Im Falle eines Feuers bedeute dies jedoch auch, dass voneinander getrennte Brandabschnitte durch entsprechende Kabeldurchführungen nicht länger voneinander getrennt bleiben müssen. Öffne sich eine rauchdurchlässige Lücke in der vermeintlich feuersicheren Trennung sei unter Umständen das gesamte Rechenzentrum in Gefahr.
Zum Abschluß seines Vortrages stellte Rainer von zur Mühlen eine persönliche Liste der "20 tödlichsten Sünden im RZ-Betrieb" vor.
Staffan Reveman, Strom-Experte aus Schweden und Gründer der Reveman Energy Academy mit Sitz in Baden-Baden, gab im Anschluss einen Überblick auf den aktuellen Stand der Stromerzeugung in Deutschland.
Die Deutsche Energiewende sowie der geplante Atom-Ausstieg bis 2023 gab Reveman Anlass für große Bedenken. Erneuerbare Energien charakterisierte er als vorrangig volatile Energiequellen, die über einen längeren Zeitraum hinweg keine gleichbleibende Versorgung sicher stellten.
Was tun, wenn die Sonne nicht scheint und Flaute herrscht? – Und andererseits, was geschieht mit erzeugten Überkapazitäten?
Die Versorgung stabil zu halten, kann auch bedeuten, eine Energie-Überproduktion an Anrainer verkaufen zu müssen. Überschüssige Energie drücke jedoch den Preis unter die Erzeuger-Kosten, was dazu führen könne, dass wir unsere europäischen Nachbarn dafür bezahlen, unsere Überkapazitäten abzunehmen, so Reveman.
Überkapazitäten können nicht effektiv gespeichert werden, zumindest noch nicht. Eine von Reveman erwähnte Option seien Pumpspeicher-Kraftwerke.
Die Entwicklungs- oder Investitionskosten, die für das Speichern ausreichender Mengen an überschüssiger Energie nötig wären, um windarme Zeiten zu überbrücken und so eine stabile Versorgung zu gewährleisten, würden sich auf auf Milliarden von Euro belaufen.
Deutschland nimmt im Bereich der Energiekosten eine Spitzenreiter-Funktion in Europa ein. Hier müsse an die deutsche Regierung appelliert werden, die Bedürfnisse der RZ-Branche anzuerkennen und ihr angemessene Unterstützung zukommen zu lassen, um die Wettbewerbsfähig sicher zu stellen.
Reveman zeigte allerdings auch eine Alternative auf, mit der deutsche RZ-Betreiber ihre Energiekosten drastisch senken und zugleich ihre Ziele bei der geographischen Redundanz erreichen können: Als Fürsprecher der finnischen Cinia Group erläuterte er verschiedene Szenarien, die den Betrieb von Backup-Lösungen in den skandinavischen Ländern durch eine neue Seekabel-Verbindung mit bis zu 144 Terabit/s zum Ziel haben.
Finnland zum Beispiel verfüge über eine stabile Stromversorgung und deutlich geringere Stromkosten. Durch das kühlere Klima sei auch der Betrieb mit direkter freier Kühlung in höherem Umfang möglich als in mittel- oder südeuropäischen Standorten.
Die anschließende Diskussionsrunde wurde ergänzt durch IT-Auditor und Wirtschaftsprüfer Holger Klindtworth, Partner der Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft Ebner Stolz, Robert Weber, Monitoring Spezialist der FNT GmbH, sowie Marc Wilkens, Senior Consultant der proRZ Rechenzentrumsbau GmbH.
Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass alle IT-Systeme regelmäßigen Black-Building-Tests unterzogen werden müssen bei denen ein totaler Stromausfall simuliert werde.
Stromausfälle können jederzeit auftreten – mit steigender Volatilität bei der Stromerzeugung kann das Stromnetz unter Umständen immer instabiler werden. Hier berichteten die Experten von unterschiedlichen Ereignissen, bei denen Stromausfälle oftmals durch Ursachen aus gänzlich anderen Bereichen herbeigeführt wurden; etwa durch Abrissarbeiten.
Oftmals sei schlichtweg der "Faktor Mensch" im Spiel – einen falschen Schalter betätigen, aus Versehen den Not-Aus-Knopf als Kleiderhaken verwenden… Die Liste der möglichen Ursachen ist lang. Einige dieser Vorfälle lösen durchaus kleine Katastrophen aus und werden daher auch bemerkt; andere Vorfälle bleiben im Verborgenen weil automatisch ablaufende Prozesse schlimmeres verhindert haben.
Aber wie kann für das „Risiko Mensch“ erfolgreich Abhilfe geschaffen werden? – Die Experten betonten hier die Wichtigkeit von Trainingsmaßnahmen – alle Mitarbeiter regelmäßig zu schulen, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen auf dem neuesten Stand zu halten sei der entscheidende Faktor für mehr Sicherheit im Rechenzentrum.
Positiv zu vermerken sei der Umstand, dass viele, ja sogar die meisten RZ-Betreiber über exzellente Prozesse, moderne Hardware und funktionierende Notfall-Systeme verfügen.
Rechenzentren, die eine höhere Energieeffizienz anstreben, so eine Vermutung der Diskutanten, neigen in der Regel auch zu höheren Qualitäts-Maßstäben. Besonders wichtig sei hierbei der Umstand, dass sämtlichen Mitarbeitern im aktiven IT-Betrieb die Arbeit Spaß mache und sie selbst eine hohe Qualität anzustreben bereit sind.
Nach der Podiumsdiskussion nutzten die Gäste bei Drinks und Fingerfood den restlichen Abend ausgiebig, um untereinander und mit den RZ-Experten ins Gespräch zukommen.
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