Technologische Abhängigkeiten reduzieren und lineare Wertschöpfungsketten im digitalen Binnenmarkt einfacher übergreifend vernetzen – GAIA-X schafft dafür den selbstbestimmten und souveränen Datenraum. Wie der Initiative das genau gelingen soll, war jetzt Thema einer öffentlichen Anhörung im Bundestag.
Egal, ob Big-Data-Anwendungen, Datenmarktplätze oder Büro-Software – kaum ein Dienst, der heute nicht aus der Cloud über das Internet verfügbar wäre. Große Anbieter machen ihre Services immer kostengünstiger. Und vereinigen daher auch immer mehr Marktmacht auf sich. Die Folgen für die Anwender: technologische Abhängigkeiten. Abhängigkeiten, die GAIA-X für Europa lösen möchte. Denn: „Aktuell wird der Cloud-Markt von wenigen Hyperscalern dominiert“, sagte Manuel Höferlin, Leiter des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag. In Berlin stellten sich am 28. Oktober Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung den Fragen der Politik zu Datensouveränität und GAIA-X.
GAIA-X: Chancen der Datenökonomie ausschöpfen
„Wie können wir die Datennutzung fördern und Anwendungen der Industrie 4.0 in Europa voranbringen?“, fragte Prof. Dr. Axel Metzger (Humboldt-Universität zu Berlin). „Dazu hat die EU-Kommission im Februar eine Datenstrategie vorgelegt.“ Jetzt folgen erste Maßnahmen, für die es vor allem eines braucht: „Rechtsicherheit und politische Entscheidungen“, sagte Metzger. „Denn nur so lassen sich die Chancen der Datenökonomie ausschöpfen, der Wettbewerb stärken und der digitale Binnenmarkt realisieren.“ Was zu diesem Zweck nicht nur in Zeiten von Corona notwendig ist: „Stabile und resiliente Infrastrukturen“, sagte Andreas Weiss (eco). „Dafür wird GAIA-X mit einheitlichen Rahmenbedingungen, technologischen Standards und europäischen Werten den Grundstock für Wohlstand und Wachstum in unserer zukünftigen Gesellschaft legen.“
45 Milliarden Euro Marktpotenzial für GAIA-X in 2023
Welches volkswirtschaftliche Potenzial dieser Grundstock in Europa freisetzen soll: Eine im Rahmen von GAIA-X erstellte Analyse gibt den relevanten Markt mit rund 45 Milliarden Euro in 2023 an – und das bei einem jährlichen Wachstum von etwa 17 bis 19 Prozent. Was hinter den Zahlen aus der Stellungnahme von SAP steckt: „Daten werden immer wertvoller“ sagte Fabian Biegel vom Softwareunternehmen aus Walldorf: „Werte, die es zu sichern gilt.“ Entscheidend für den Erfolg: Zum einen klare Mechanismen, die regeln, wie sich die eigenen Daten verarbeiten lassen, und zum anderen vertrauensvolle und sichere Ökosysteme wie GAIA-X. Biegel: „Interoperabilität ist der Schlüssel.“ Nur so lassen sich die jetzt schon mehr als 100 Cloud-Anbieter, die an GAIA-X mitarbeiten, sinnvoll in das Projekt integrieren. Und nur so lassen sich Marktvorteile im internationalen Wettbewerb im Sinne Europas ausgleichen.
Was es für diesen Ausgleich nicht braucht: „Eben keinen europäischen Hyperscaler und keine eigene Europa-Cloud!“, sagte Weiss. „Bei GAIA-X kommt es vielmehr darauf an, bestehende Dienste und Infrastrukturen intelligent neu miteinander zu kombinieren. Und das entlang den Anforderungen des Nutzerkreises.“ Mehr als 300 Unternehmen haben sich dazu bereits an der GAIA-X AISBL beteiligt, die sich als internationale, nicht-gewinnorientierte Organisation nach belgischem Recht im Moment gründet. Biegel: „Wir bauen auf der Arbeit der International Data Spaces Association auf und etablieren mit GAIA-X gewissermaßen einen Goldstandard für Cloud-Dienste.“ So entwickelt die Initiative alle Angebote föderal mit den Mitgliedern entlang konkreter Use Cases.
GAIA-X ist selbstbestimmt, offen, transparent und sicher
Was alle Use Cases gemein haben: ein einheitliches Verständnis davon, was Datensouveränität und Datenintegrität meinen. „Einzelpersonen, Unternehmen und Staaten müssen bestimmen können, wie die von ihnen selbst erzeugten Daten genutzt werden“, sagte Peter Ganten (Bundesverband für digitale Souveränität e. V.) „Diese Fähigkeit ist für die Zukunft Europas notwendig, um Wettbewerb und Innovation zu fördern.“ Was für dieses Ziel zudem wichtig ist: „Ein stärker gesellschaftlicher Diskurs über digitale Souveränität“, sagte Elisabeth Lindinger (Superrr Lab). „Nur so schaffen wir die Transparenz, die wir brauchen, um Akzeptanz für die Technologien zu erhöhen. Und nur so produzieren wir ein Ökosystem, das in der Lage ist, den Markt ins Gleichgewicht zu bringen.“ Selbstbestimmt, offen und transparent – darüber hinaus muss GAIA-X Daten vor allem geschützt und sicher verarbeiten. „Nur weil IT-Produkte in Deutschland oder Europa betrieben werden, sind sie nicht automatisch sicherer“, sagte Dr. Sven Herpig (Stiftung Neue Verantwortung). Entscheidend sei es, IT-Sicherheitsmaßnahmen etwa am Beispiel des C5-Katalogs vom Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik zu implementieren. Nur so lassen sich künstliche intelligente Modelle auch verlässlich trainieren.
Geschäftsdaten souverän übergreifend austauschen
„GAIA-X wird einen digitalen Raum für Selbstbestimmtheit schaffen, den Europa bereits jetzt zu schätzen weiß“, sagte Weiss. Dieses Ökosystem gestaltet der eco Verband von Beginn an mit. „Lineare Wertschöpfungsketten brechen in übergreifende Wertschöpfungsnetzwerke auf“, sagte Biegel. „Auch dafür brauchen wir GAIA-X, um Unternehmensprozesse und Geschäftsdaten im gesamten europäischen Binnenmarkt souverän orchestrieren und sicher synchronisieren zu können.“ Das gelingt nur mit einer verteilten und föderierten Datenplattform, auf der sich Dienste genauso einfach buchen und verbinden lassen, wie es Cloud-Anwender heute gewöhnt sind. „Und genauso einfach, wie es für eine agile europäische Digitalökonomie auf dem globalen Markt von heute erforderlich ist“, sagte Weiss.
Videomitschnitt der zweistündigen Anhörung
Quelle: Deutscher Bundestag