Gastbeitrag von Torsten Müller, Plan B Digitation
Wer die Themen der IT-Infrastrukturentwicklung und -normen genau kennt, der weiß, dass die Nutzeranforderungen oft das Neuste vom Neuen umfassen. Das STLB (DIN-Standard-Leistungsbuch) gibt zwar die Richtung mit an, hängt jedoch aufgrund der rasanten Entwicklung der Technik den Normen stets ein Stück hinterher.
Die IT ist einer der innovativsten Bereiche in jedem Unternehmen, da die Anforderungen der Mitarbeiter stetig wachsen: an Bandbreite am Arbeitsplatz von 100 MBit/s bis 10 GBit/s, im Unternehmens-WLAN von 34 MBit/s bis 3,5 GBit/s und an den Maschinenstandorten für Industrie 4.0 von 100 MBit/s bis 10 GBit/s. Das Speichern von Fotos, Videos und großen Dokumentationen ist dabei einer der treibenden Faktoren. Big Data in der Forschung kommt noch hinzu. Eine gute Planung muss dies einbeziehen.
Oft wissen IT-Verantwortliche zwar, wo es in ihrem Rechenzentrum, Server-Raum oder ihrer Verkabelungsinfrastruktur klemmt, jedoch nicht, wie sich Lösungen für die Zukunft sicher aufbauen lassen. Wer seine Netzwerke mit Bandbreitenreserven versehen will – neu oder bei Umbauten – muss sich sicher sein, dass sich die Investitionen noch in fünf bis zehn Jahren auszahlen. An diesem Punkt fehlt vielen Abteilungen, die seit Jahrzehnten zwar den Betrieb aufrechterhalten, aber sehr selten derartige Projekte organisieren, die Erfahrung. Dabei greifen sie zum STLB oder lassen Ingenieurbüros ihre Planungen damit erstellen.
Daher ist es verständlich, dass die Nutzer sich an Normen orientieren, etwa derjenigen für anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen (EN 50173-1:2011) mit den Untergruppen Teil 1 – Allgemeine Anforderungen, Teil 2 – Bürogebäude, Teil 3 – Industriell genutzte Standorte, Teil 4 – Wohnungen sowie Teil 5 – Rechenzentren. Für jeden dieser Bereiche lässt sich das STLB einsetzen. Doch für die modernste Backbone-Verkabelung und damit in Rechenzentren und/oder in Server-Räumen ist dieser Zugang derzeit nicht voll umfänglich möglich.
In der Praxis setzt sich immer mehr die Glasfaserverkabelung für 10/40/100 GBit/s durch. So können die Medienkonverter (GBICs) der Switche, die SAN-Komponenten und die Server direkt kommunizieren. Zum Steckverbinder erklärt die Norm: Das Steckgesicht für bis zu zwei Lichtwellenleiter muss EN 61754- 20:201X, Steckgesicht 20-5 (LC Duplex) entsprechen. Dies ist kein Problem, es hat sich bereits überall durchgesetzt und lässt sich auch im STLB einfach anklicken und in die Planungssoftware übernehmen.
Doch dann formuliert die Norm auch: Das Steckgesicht für mehr als zwei Lichtwellenleiter muss EN 61754 -7 (MPO) entsprechen. Die Bereichsverteilungsverkabelung mit mehr als zwei Lichtwellenleitern muss mit einem Stecker nach EN 61754-7 (MPO) abgeschlossen sein. Für alle neuen Typen an GBICs wie etwa dem Typ QSFP-40G-SR4 kompakt 40 GBit/s MM 150m 850nm als QSFP+-Transceiver mit 4-Channel-PIN-Photo-Detector findet der Planer nichts im STLB. Obwohl MPO/MTP-Steckverbinder und Kabel im Teil 5 der Norm (Rechenzentren) im Punkt 8.3.2.2 (Verbindungstechnik am Geräteanschluss) enthalten sind, ist dort noch eine Lücke.
Wie kann der Planer also verfahren und ausschreiben, wenn er im STLB nichts dazu finden kann? Erschwerend kommt hinzu, dass gleichzeitig auch schon die Kategorie 8 in der Diskussion ist.
So entstehen eine gewisse Unsicherheit und durch die neuen Normenentwürfe der Kategorie 8 für Kupferverkabelungen für 40GBase-T mit 40 GBit/s über Twisted-Pair-Leitungen zusätzlich auch Verwirrungen.
Da die Kategorie 8 jedoch noch nicht gesamtheitlich als Norm ratifiziert ist, sind passende Komponenten im STLB auch nicht zu finden. Dies ist durchaus so gewollt, denn nur ratifizierte Normen sind bindende Richtlinien für Hersteller.
„Whitepaper“ oder „Normen im Entwurf“ fallen unter die Rubrik Spekulation und können maximal beschreiben, in welche Richtung sich eine Norm entwickeln wird. Ins STLB gehören sie nicht. Dennoch sollen Ausschreibungen „hochmodern“ sein, was die Frage nach der Begründung dafür aufwirft. Neu und erschwerend ist, dass die in den USA tätige IEEE-Kommission die Kategorie 8 für 40 GBit/s (für 40GBase-T) entwickelt und somit den Ansatz für Rechenzentren und Server-Räume mit Distanzen von bis zu 30 Meter als Verkabelungsnorm antreibt.
Diese ist nach den Vorstellungen des Gremiums abwärtskompatibel zu den Kategorien 6A, 6 und 5e gemäß ANSI/TIA-568-C.2. Die Normungsgremien der ISO und IEC hingegen spezifizieren derzeit noch zwei weltweit gültige Varianten: Kategorie 8.1 und 8.2, wobei die 8.1 sich ebenfalls abwärtskompatibel zeigt. Kategorie 8.2 setzt dagegen auf das neue Steckverbinderlayout nach EN 60603-7-7 und EN 60603-7-71 und damit nicht mehr auf RJ45-Technik.
Die Kupfersteckverbinder sind gemäß Punkt 8.6 (Verbindungstechniken) nach den Normen der Reihe EN 60603-7-X und -XX, mit den Zusätzen -7 und -71 für GG45 und ARJ45 spezifiziert. Für die Steckverbinder im Punkt 8.7 (Verbindungstechnik) nach EN 61076-3-104 gibt es den Tera-Stecker gemäß Tabelle 71 nach Kategorie 7A sowie Kategorie 8.2, und zwar geschirmt und nach ISO/IEC 11801 als 10- und 40-GBit/s Variante. Doch nur wenige IT-Leiter von KMU und Startups sowie in Konzernen setzen auf diese fortschrittliche Technik.
Nur im Umfeld von Forschung und Lehre ist dies anders. Der Grund für das geschilderte Verhalten: Die Hersteller der aktiven Komponenten bestimmen den Weg. Es gestaltet sich also sehr schwierig, den richtigen Ansatz für eine zukünftige Kupferverkabelung im Rechenzentren- und Server-Raum-Umfeld
zu finden – sodass dieser auch bei den aktiven Komponenten zum Einsatz kommt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Normen für kurze Distanzen und hochbitratige Links (hier 30 Meter) nie durchgesetzt haben. Lediglich als Direktanschlusskabel, wie zum Beispiel Twinax 10GBase- CX4 Patch-Kabel ist dies anders.
Erst wenn die Hersteller den ersten Kategorie-7-Class-FA-GBIC auf den Markt bringen würden, wäre die erste Hürde geschafft. Es scheint jedoch so, als würde eher ein Kategorie-8-GBIC auf den Markt kommen. Für kurze hochbitratige Verbindungen werden sich in den nächsten Monaten neue Möglichkeiten einer preiswerten Datenübertragung von 25 und 40 GBit/s ergeben. Dies gilt allerdings vorrangig für die konzentrierten Bereiche von Server-Räumen und Rechenzentren nahe den Core- oder Spine-Switches sowie in sehr zentralen Backbone-Server-Schrankreihen.
Dies sind keine Baustellen im herkömmlichen Sinne, daher ist auch im STLB kurzfristig nichts dazu zu erwarten. Für die Verkabelungen in den Etagen von Gebäuden mit konvergenten Sprach- und Daten-Netzwerken besteht in diesem Kontext offenbar kurzfristig kein Bedarf. Die Standards Kategorie 6A/Klasse EA bis Kategorie 7A/Klasse FA mit bis zu 10 GBit/s reichen für die nächsten fünf bis zehn Jahre sicher aus. Für dieses Umfeld findet der Planer alles im STLB, was er für die Budgetplanung, die Entwurfs- sowie Ausführungsplanung nach den Normen für Teil 2 – Bürogebäude, Teil 3 – Industriell genutzte Standorte und Teil 4 – Wohnungen benötigt.
Innovative Glasfasertechnik
Für die Glasfaserverkabelungen steht allerdings wesentlich innovativere Technik im Blickpunkt. Nachdem die bekannten Steckverbinder für Glasfaseranschlüsse – wie SC und E2000 für Multimode- und Singlemode-Verkabelungen – sich als Steckverbinder in den Rechenzentren, Server-Räumen und Etagenverkabelung sowie der Campus- und Etagenverkabelung etabliert haben, nennt die neue Norm, die DIN EN 50173-2:2011-09, die Steckverbindervarianten LC-Simplex und -Duplex sowie die für mehr als zwei Fasern beschriebenen Steckverbinder (Typ MPO/MTP).
Für beide Varianten finden sich für Multimode- und Singlemode-Verkabelungen Empfehlungen in der Norm. Sie sind damit genau den neusten aktiven Medienkonvertern (GBICs) für 10 bis 100 GBit/s angepasst. Da sich die LC-Duplex-GBICs nahezu in jedem aktiven Switch als Uplink-SFP-Modul integrieren lassen, ergibt es keinen Sinn mehr, auf teure SC-Duplex-Spleißboxen zu adaptieren. An dieser Stelle muss das STLB die modernsten Varianten und Port-Umfänge für Komponenten enthalten. Die MTP/MPOKomponenten sollen in den nächsten Monaten in die neuste Version des STLB eingehen. Die einfach zu nutzenden und „Plug and Play“-fähigen passiven Komponenten sind bestens für den Einsatz in der Etagen-Backbone-Verkabelung geeignet.
Dieses Vorgehen soll auch die Prozesse vereinfachen und dabei helfen, normgerecht planen und ausschreiben zu können. Aber auch diesem Umfeld gab es bereits erste starke Veränderung: Die MTP/MPOTechnik ist nun von 24/12 Fasern auf nur noch acht Fasern reduziert.