08.04.2021

Inger Paus, CEO Vodafone Stiftung, zum Digitalstandort Deutschland

Das digitale Deutschland hat vor allem während der Corona-Pandemie in vielen verschiedenen Bereichen einen großen Schritt gemacht. Doch wo stehen wir aktuell und was muss in punkto nachhaltiger Digitalisierung, digitaler Souveränität & Bildung oder IT-Sicherheit noch getan werden ? Zur Bundestagswahl 2021 zeigen wir verschiedene Perspektiven aus Internetwirtschaft und Digitalpolitik auf. Heute dazu im Interview: Inger Paus, Geschäftsführerin der Vodafone Stiftung für Gesellschaft und Kommunikation in Deutschland.

 

Frau Paus, Wie ist Deutschland als Digitalstandort aus Ihrer Sicht heute aufgestellt – wo sehen Sie Herausforderungen, wo Zukunftspotenziale?

Paus: Die COVID-19-Pandemie war und ist ein Digitalisierungsschub für Deutschland – zumindest in der Privatwirtschaft und im Privaten. Ob Arbeiten im Homeoffice, Videochats mit dem Hausarzt oder Click and Meet im Einzelhandel – all das war plötzlich innerhalb von kurzer Zeit möglich. Nicht zuletzt, weil unsere digitale Infrastruktur der Vervielfachung des Datenverkehrs standgehalten hat.  Allerdings hat die Pandemie auch die strukturellen Schwachpunkte in Deutschlands Schulen, im Gesundheitswesen und der öffentlichen Verwaltung aufgezeigt, die in punkto Digitalisierung noch lange nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Zukunftspotenzial sehe ich bei der grünen Transformation der Wirtschaft. Digitalisierung wird dabei eine entscheidende Rolle spielen – sei es bei smarten Energienetzen, Elektromobilität bis hin zu nachhaltiger Landwirtschaft.

 

Wie bewerten Sie die digitalpolitische Bilanz der aktuellen Bundesregierung?

Paus: Die entscheidende Frage ist: Was kommt bei den Wähler:innen wirklich im Alltag an? Viele sehen Deutschland im internationalen Vergleich nicht einmal mehr im digitalen Mittelfeld und den Staat nicht als Vorreiter der Digitalisierung. Dahingegen haben viele Unternehmen ihre Hausaufgaben in punkto Digitalisierung gemacht – sowohl als Anbieter digitaler Infrastrukturen, bei der Digitalisierung ihrer Produkte wie auch ihrer Arbeitsplätze. Die Bundesregierung hat dafür in den vergangenen Jahren zwar theoretisch mit Programmen zum Breitbandausbau, der Digitalisierung von Schulen und Modernisierung öffentlicher IT einen guten Rahmen geschaffen. Nun gilt es aber endlich in die Umsetzung zu kommen und da sind Innovationsfreude, Pragmatismus und Flexibilität gefragt.

 

Welche digitalpolitischen Themen sollte sich die nächste Bundesregierung aus Ihrer Sicht ganz oben auf ihre digitale Agenda schreiben?

Paus: Zum einen die Digitalisierung von Bildung, Gesundheitswesen und öffentlicher Verwaltung in „Warp Speed“ – sowohl was den Einsatz von IT angeht als auch die notwendigen Digitalkompetenzen. Uns droht ein erheblicher Standortnachteil, wenn Bund, Länder und Kommunen ihren ureigenen Kompetenzbereich nicht radikal modernisieren. Zum anderen die Einlösung des Gigabitversprechens durch investitionsfördernde Rahmenbedingungen – sei es bei der Vergabe weiterer Mobilfunkfrequenzen bis hin zu schlanken und schnellen Genehmigungsverfahren beim Festnetz- und Mobilfunkausbau. Und last but not least: Ein Fokus auf Zukunftstechnologien „Made in Germany“ an der Schnittstelle zwischen Hard- und Software – seien es 5G-, IoT- und KI-Anwendungen für die Industrie, Quantencomputing oder GreenTech-Innovationen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Saskia Steinacker