Folge 8 mit dem Geschäftsführer der dotBERLIN GmbH & Co. KG aus Berlin
Lars Steffen: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Interviewreihe „new gTLDs im Fokus“. Heute mit Dirk Krischenowski von .berlin aus Berlin. Herzlich willkommen!
Dirk Krischenowski: Ja, herzlich willkommen auch nach Köln.
Lars Steffen: Danke. Einmal ganz kurz für die Leute, die von .berlin noch nichts wissen. Wer seid Ihr, was macht Ihr?
Dirk Krischenowski: Wir sind die Top-Level-Domain für die Berliner. Berlin als Begriff ist jetzt bei der ICANN in den Root-Server eingetragen. Wir verkaufen seit einigen Monaten Berlin-Domains über Registrare, die auch eco-Mitglieder sind. Seit 2004 haben wir versucht, .berlin als neue Top-Level-Domain bei der ICANN zu etablieren. Es hat rund zehn Jahre gedauert, bis die ICANN Berlin tatsächlich auch in den Root-Server eingetragen hat. Als Geschäftsführer des Unternehmens dotBERLIN spreche ich für über 90 Gesellschafter aus allen Bereichen Berlins. Wirtschaft, Politik und Sozialwesen – alles was man sich denken kann.
Lars Steffen: Steigen wir doch direkt in das Thema ein. Unabhängig von .berlin, was macht für Sie eine gute und erfolgreiche TLD aus?
Dirk Krischenowski: Da gibt es unterschiedliche Maßstäbe. Ich will mich nicht mit .com vergleichen, mit seinen über 110 Millionen Domain-Namen. Für uns in Berlin ist vor allem die Nutzung von Berlin-Domains durch die Berliner entscheidend. Das heißt nicht nur als Webseiten oder E-Mails, sondern auch tatsächlich in Print, in Anzeigen, auf Bussen und in der Werbung allgemein. Das ist für uns das Erfolgskriterium – dass man Berlin auch tatsächlich sieht.
Lars Steffen: Hat man seitens .berlin das Gefühl, dass bereits genug Interessenten von der neuen TLD Bescheid wissen?
Dirk Krischenowski: Das kann man nach sechs Monaten noch nicht behaupten. Dazu wird es einen Lernprozess unter den Domain-Nutzern geben müssen. Aber auch in der Werbung und bei allen anderen Beteiligten, so auch bei Unternehmen. Viele Unternehmen haben heute eine .de oder .com und sind ganz zufrieden. Sie müssen erst einmal davon überzeugt werden, dass die neuen Endungen tatsächlich einen entsprechenden Mehrwert bieten. Das ist nach sechs Monaten auf dem Markt noch zu beweisen.
Lars Steffen: Führen Sie denn Maßnahmen und Aktionen durch, um auf die neuen TLDs hinzuweisen?
Dirk Krischenowski: Wir haben sehr erfolgreich gezeigt, dass man in die einzelnen Branchen und Segmente einer Stadt oder einer anderen Top-Level-Domain gehen muss. Dort nutzt man vor allem Marketing und PR, um die Bekanntheit hervorzurufen. Entscheidend ist, sich einzelne Branchen vorzunehmen. Nehmen wir das Beispiel Verbände: Man muss dort Vorträge halten, Anzeigen schalten oder andere Dinge machen um sich bekannt zu machen. Dies ist viel Kleinarbeit – es gibt nicht den großen Wurf, der .berlin von heute auf morgen bekannt macht. Das gilt auch für alle anderen neuen Endungen.
Lars Steffen: Nochmal zu den neuen TLDs im Allgemeinen. Glauben Sie, dass sie insgesamt ein Erfolg sein werden?
Dirk Krischenowski: Das kann man bei fast 1.200 Endungen die kommen werden nicht pauschal sagen. Es wird Endungen geben, die scheitern und wieder vom Markt genommen werden. Es wird aber auch eine Reihe von Endungen geben, die ihren Platz finden werden, weil sie für den Nutzer einen entsprechenden Mehrwert bieten. Sehr gute Chancen haben die deutschen geographischen Endungen, wie in .berlin, .hamburg, .ruhr, .bayern oder .saarland. – das sehen wir auch an den Registrierungszahlen. Einzelne andere generische Endungen wie .club, sind durch smartes Marketing auch sehr erfolgreich. Sie besitzen sehr große Chancen, sich langfristig auf dem Markt durchzusetzen.
Lars Steffen: Sie hatten eingangs erwähnt, bei .com oder .de sind ganz andere Zahlen im Spiel. Werden die neuen TLDs Auswirkungen auf die TLDs haben, die schon lange am Markt sind? Wenn ja, welche?
Dirk Krischenowski: Ja, das beobachtet man schon lange. Wir haben immer gesagt, dass die neuen Top-Level-Domains durch die Nutzung von E-Mail und FTP, also die Basis der digitalen Identität eines Unternehmens oder Bürgers, viel bekannter werden. Wir haben hingegen noch nicht gesehen, dass wegen einer neuen Top-Level-Domain die Zahlen bei .com oder .de drastisch eingebrochen wären. Die werden vielleicht ein bisschen langsamer wachsen, aber ich glaube der Markt insgesamt wächst noch genügend.
Lars Steffen: Haben Sie für .berlin schon den ein oder anderen innovativen oder erfolgreichen Business Case, den man als Leuchtturmprojekt anführen kann?
Dirk Krischenowski: Unter den vielen neuen Top-Level-Domains sind relativ wenige, die ein vernünftiges eigenes Konzept mit einer eigenen Vermarktung haben. Es reicht nicht, nur auf den Registrar zu setzen. Man muss in den entsprechenden Branchen und Bereichen der Top-Level-Domain Werbung machen. Unter den aktuell 400 eingeführten Domains sind vielleicht drei oder vier dabei, die lokale Werbung betreiben, was die Domains wirklich voranbringt. Ein innovatives technisches Konzept haben wir bei .berlin nicht. Das habe ich bisher bei keiner der neuen TLDs gesehen.
Lars Steffen: Was kommunizieren Sie Ihren Interessenten und Kunden als Vorteile der neuen TLDs?
Dirk Krischenowski: Da sehen wir natürlich erst einmal die kurzen, prägnanten und einprägsamen Namen, vor allem mit einer sprechenden Endung. Unter berlin kann sich jeder etwas vorstellen, unter .de oder unter .com ist das nicht immer der Fall. Das schlägt nicht nur im Online-Bereich durch, sondern auch offline. Denn kurze Namen, Endungen und Domains sind sehr gut für die Kommunikation. Wir sehen besonders den Berlin-Bezug, den die Berliner lieben. Ein ganz starkes Argument, aber noch in der Entwicklung, sind die Suchmaschinenplatzierungen der geographischen Endungen, wenn geographisch gesucht wird. Das sieht im Moment sehr spannend aus, was da passiert.
Lars Steffen: Also einige gute Gründe, sich eine neue TLD zu registrieren?
Dirk Krischenowski: Auf jeden Fall.
Lars Steffen: Gibt es im .berlin-Kontext Probleme mit dem Punkt Universal Acceptance?
Dirk Krischenowski: Ja, die Universal Acceptance ist ein Kinderkrankheitsthema, dass es auch bei .info oder .eu vor einigen Jahren gab. Einige Softwareapplikationen, Browser und andere erkennen die neuen Top-Level-Domains noch nicht. Wir fahren da einen mehrgleisigen Ansatz, wenn diese Probleme auftreten. Wir sprechen direkt den Betreiber an, zum Beispiel Twitter. Die haben das nach kurzer Zeit geändert. Es gibt auch die eco-Initiative, die wir mit Informationen versorgen. Und es gibt natürlich von ICANN den Bereich. Wir sehen dies aber tatsächlich als Kinderkrankheit, die vielleicht in 24 Monaten komplett ausgemerzt sein wird.
Lars Steffen: Okay. Die schwierigste Frage habe ich mir für den Schluss aufgehoben: Mit wie vielen registrierten Domains rechnet dotBERLIN in ca. einem Jahr?
Dirk Krischenowski: Zur Zeit ist .berlin die erfolgreichste geographische Endung, sogar noch vor London. Obwohl diese viel größer sind und viel mehr Potenzial haben. Daher ist es schwierig vorherzusagen, wo wir in einem Jahr stehen. Sicher werden die Registrierungen weiter wachsen. Das sehen wir auch. Spannend wird der Zeitpunkt, an dem die ersten Nutzer ihre Domains verlängern werden. Da müssen wir versuchen, möglichst viele Verlängerungen bei den Kunden zu erreichen, um weiterhin im Wachstum zu bleiben. Das ist aber eine Kristallkugel, die wir hier haben und ich kann keine Zahl sagen oder meine Hand dafür ins Feuer legen. Zusätzlich kommen viele neue Endungen dazu, das heißt der Markt wird sehr viel größer. Der letzte, der einführt, will ja auch noch Registrierungen bekommen. Das sollte wohl noch gelingen.
Lars Steffen: Vielen herzlichen Dank an Dirk Krischenowski für den kleinen Einblick in den aktuellen Stand zu den neuen gTLDs und viele Grüße nach Berlin!
Dirk Krischenowski: Ja, gerne! Zurück nach Köln! Tschüss!