22.10.2021

Interview mit Dr. Katja Michel und Kirsten Ammon, Rechtsanwältinnen bei Fieldfisher

Frauen sind sowohl in Führungspositionen als auch bei den Gründungen im FinTech-Bereich noch unterrepräsentiert, stellen Dr. Katja Michel und  Kirsten Ammon im Interview fest. Die beiden Expertinnen für Rechtsfragen der dynamischen FinTech-Branche sprechen im Interview über Strategien, wie sich das ändern lässt. Live stehen beide Rede und Antwort im Rahmen des Events „Ladies in (Fin-)Tech: Mit Sichtbarkeit und Netzwerk erfolgreich in der FinTech-Branche“, zu dem eco am 28. Oktober ab 16 Uhr in Kooperation mit Fieldfisher einlädt.

Katja: Als Rechtsanwältin arbeitest du bei Fieldfisher an der Schnittstelle von Finance und Tech und bist Co-Head der Tech Meets Finance Gruppe bei Fieldfisher. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und was ist das Spannendste an deinem Job?
Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich und vielfältig. Dies liegt vor allem daran, dass wir Mandanten wie FinTechs, etablierte Banken und Technologieunternehmen zu zukunftsgerichteten Themen der Digitalisierung beraten und diese mit ganz unterschiedlichen Anliegen auf uns zukommen. Beispielsweise kann es einmal darum gehen, eine innovative Geschäftsidee auf ihre Machbarkeit hin zu prüfen, wie z.B. das Angebot einer neuen mobilen Paymentlösung oder die Integration einer KI-Applikation in den Anlageberatungsprozess einer Bank. Häufig geht es jedoch auch darum, Mandanten umfassend von der Geschäftsidee, über die Umsetzung bis hin zum Markteintritt und darüber hinaus zu begleiten.

Meine Tätigkeit ermöglich mir oft frühzeitig tiefe Einblick in Entwicklungen neuer FinTech-Produkte und Dienstleistungen. Das ist sehr spannend, besonders, wenn man beispielsweise als Ergebnis sieht, dass der Mandant mit seiner Banking-App den Markteintritt erfolgreich geschafft oder die erste Finanzierungsrunde erfolgreich absolviert hat. Das erfüllt einen dann schon mit Stolz. Besondere Freude bereitet mir auch immer wieder mit meinem Kollegen und Kolleginnen in der TMF Gruppe FinTech-Projekte rechtsgebietsübergreifend zu beraten.

Kirsten, deine Schwerpunkte als Tech-Anwältin liegen im Bereich E-Commerce, IT-Recht und Datenschutz. In deiner Freizeit baust du deine Programmierkenntnisse aus. Was ist für dich das Spannende an einer Karriere in Tech?
Für mich ist das Spannende an Tech, dass sich in diesem Bereich so viel verändert und man stets dazu lernen muss, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Ob im Rahmen der Blockchain-Technologie, des IoT (Internet of Things), bei FinTechs oder im Cloud-Bereich, kann man eine Lösung erst dann vollständig rechtlich analysieren, wenn man zuvor den technischen Hintergrund verstanden hat. Da ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man Spaß daran hat, technische Lösungen zu entwickeln bzw. sich auch in der Freizeit viel mit Legal und FinTech beschäftigt. Wir Jurist:innen können meiner Meinung nach eine Menge von der IT lernen und sollten stets genau hinhören, warum eine bestimmte Herangehensweise gewählt worden ist. Am besten werden wir gleich zu Beginn eines Projekts eingebunden – dann kann man von Anfang an mitgestalten, wie z.B. eine datenschutzkonforme Lösung im internationalen Umfeld umgesetzt werden kann. Schließlich möchten wir technische Innovation rechtlich ermöglichen und nicht verhindern. Es ist großartig, wenn man Teil solch kreativer Strategien sein kann, die eine Antwort auf vorhandene Probleme bieten und man z.B. neue Geschäftsmodelle in Europa rechtlich absichern kann.

Am 28. Oktober veranstalten wir ein gemeinsames Online-Meet-up zum Thema Frauen in FinTech. Wie nehmt ihr die FinTech-Branche wahr?
Offen, dynamisch, innovativ und ständig in Bewegung: So lässt sich aus unserer Sicht die FinTech Branche am besten beschreiben. Genau diese Eigenschaften sind es, die diesen Bereich für uns und unsere Arbeit so besonders abwechslungsreich machen. Es gibt Raum für neue Ideen und fortschrittliche Lösungen, ständig poppt ein neues Start-Up auf und man kann richtig spüren, wie sich im FinTech Bereich etwas tut. Dieser frische Wind ist inspirierend und setzt zukunftsgerichtete Impulse, ganz gleich ob für kreative Gründer oder etablierte Bankinstitute. Gleichzeitig ist es umso bedauerlicher, dass Frauen sowohl in Führungspositionen als auch bei den Gründungen im FinTech-Bereich noch unterrepräsentiert sowie eher zurückhaltend sind, die Initiative zu ergreifen und selbst zu gründen. Doch gerade der offene Spirit in der FinTech Branche sollte auch Frauen ermutigen, ihre Karriere im FinTech Sektor zu starten oder weiter voranzubringen. Initiativen wie unser Event geben hierfür eine Stütze, in dem sie einerseits Erfolgsgeschichten von Frauen in der Branche zeigen und andererseits kostbare Netzwerke schaffen.

Was muss passieren, damit mehr Frauen die vielfältigen Karriereoptionen in FinTech ergreifen?
Wir brauchen vor allem mehr Sichtbarkeit von Frauen in FinTech. Gleichzeitig und damit einhergehend, braucht es mehr weibliche Role Models, mit denen sich Frauen identifizieren und von deren Erfahrungen und Tipps andere Frauen lernen und sich inspirieren lassen können. Um diese Ziele zu erreichen, müssen unseres Erachtens Frauen auch viel stärker auf Expert Panels, in Branchen-Talks und Fachdiskussionen vertreten sein und sich selbstbewusster initiativ als Know-How-Trägerinnen positionieren, auch wenn es Mut erfordert. Natürlich sind auch gute Netzwerke essentiell, für die auch die eben genannten Events eine gute Plattform bieten können. Zudem sollten auch Förder-, Gründungs- und andere Unterstützungsangebote, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind, ausgebaut und ihnen gegenüberstärker kommuniziert werden.

Auch der Gesetzgeber setzt Instrumente zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit ein. Wie bewertet ihr als Juristinnen sowie persönlich Maßnahmen des Gesetzgebers, beispielsweise in Form des Entgeltransparenzgesetzes oder des Führungspositionengesetzes II?
Worin wir uns bei dieser Frage beide einig sind und diese Entwicklung auch begrüßen ist, dass der Gesetzgeber mit den Maßnahmen mehr Chancengleichheit im Berufsleben schafft. Hierzu trägt einerseits das Führungspositionengesetz II bei, das Maßnahmen wie die Frauenquote oder sog. „Stay on Board“-Regelungen – d.h. die Möglichkeit für Mitglieder des Leitungsorgans eine „Auszeit“ bedingt durch Mutterschutz, Elternzeit oder Pflege eines Angehörigen wahrzunehmen – beinhaltet. Andererseits stärkt das Entgelttransparenzgesetz die Transparenz in der Gehälterstruktur und soll auf diesem Weg die vorhandene Diskrepanz zwischen der Bezahlung von Männern und Frauen beseitigen. Allerdings haben wir zur Frauenquoten an sich unterschiedliche Ansichten, die sich so auch im öffentlichen Diskurs widerspiegeln. Unabhängig davon sind wir beide der Ansicht, dass es eines ganzheitlichen Ansatzes bedarf, um Frauen den Zugang zu Führungspositionen oder den Schritt in Richtung Gründung im FinTech-Bereich zu erleichtern. Gesetzlich vorgesehene Maßnahmen zur Förderung bestimmter Gruppen in der Arbeitswelt sollten zudem regelmäßig überprüft werden, ob sie im Hinblick auf die sich ändernden tatsächlichen Gegebenheiten noch passen. Wichtig ist unseres Erachtens auch die Rückkoppelung zu den betroffenen Personengruppen, damit sichergestellt ist, dass sich auch wirklich viele Menschen mit den Maßnahmen identifizieren und diese mittragen.

Wie lautet euer Karriere-Tipp an Frauen?
Neben der Stärkung der eigenen Sichtbarkeit, selbstbewusstem Auftreten und Mut ist aus unserer Sicht Netzwerken elementar. Ein gutes Netzwerk kann nicht nur dabei helfen, eigene Ideen in einem sicheren Umfeld auf Umsetzbarkeit zu überprüfen oder einen guten Rat zu bekommen, wenn man mal nicht weiter weiß, sondern es kann Türen öffnen und sogar Win-Win-Situationen schaffen, gerade auch unter Frauen. Männer sind sich schon länger bewusst, wie wichtig wertstiftende und fördernde Netzwerke sind; da können wir Frauen uns noch etwas abschauen. Und auch wenn es um das Sprechen über eigene Erfolge geht, haben Männer häufig noch die Nase vorn. Oft meiden Frauen es eher noch, im Mittelpunkt zu stehen oder fühlen sich nicht ganz wohl, selbstbewusst über ihre beruflichen Erfolge zu sprechen. Dies sollten wir Frauen ändern. Ganz getreu dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“, sollten wir Frauen uns öfter trauen, auch einmal im Rampenlicht zu stehen und von unseren Fähigkeiten und unserem Weg zu berichten. Schließlich fördert und motiviert das wiederum auch andere Frauen!

Wir geben euch jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen euch zu Chefredakteurinnen eines Leitmediums – egal ob Spiegel, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile wünscht ihr euch zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel? Und was soll in dem Artikel stehen? Idealvorstellung
Wünschen würden wir uns, dass eine Schlagzeile wie „Anteil von Gründerinnen im Tech-Bereich bei 50 % –  auch hinter dem neuesten Unicorn steht eine Frau“, in naher Zukunft auf den Titelseiten der Wirtschaftsmedien zu lesen ist. Inhaltlich gäbe es ein Portrait zur Erfolgsgeschichte, das berichtet wie es gelungen ist, innerhalb weniger Jahre eine Branche durch Frauen zu verändern.

Welcher Aspekt kommt aus eurer Sicht in der Diversity-Debatte zu kurz?
Wichtig ist eine ganzheitliche Betrachtung, in der alle Menschen, ungeachtet z.B. auch ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft oder anderer Charakteristika, die gleichen Chancen haben und auch bekommen. Die Akzeptanz und Förderung unterschiedlicher Lebenswege und Biografien sollten als Chance gesehen werden. Denn sowohl Wissenschaft als auch Praxis zeigen klar: Diverse Teams treffen ausgewogenere Entscheidungen, schon allein, weil es im Entscheidungsfindungsprozess mehr Reibung gibt. Allein diese Erkenntnis sollte ein starker Anreiz für FinTechs und selbstverständlich auch für alle anderen Unternehmen sein, auf Diversität zu setzen und diese auch für sich zu nutzen. Darüber hinaus gilt aus unserer Sicht: Diversity sollte echte Chancengleichheit bieten, aber keine Pflicht darstellen, die Chance auch zu nutzen.

Welche Frage möchtet ihr uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten und Eigenschaften, die Frau mitbringen muss, um in der FinTech-Branche als Gründerin oder in einer Führungsposition erfolgreich zu sein?

Liebe Katja, liebe Kirsten, vielen Dank für das Interview!

Dr. Katja Michel, Rechtsanwältin im Bereich FinTech und Finanzaufsichtsrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher sowie Co-Head der Tech Meets Finance Gruppe von Fieldfisher

Kirsten Ammon, Rechtsanwältin IT, (Fin-)Tech, Datenschutz in Fieldfishers Hamburger Büro und Mitglied der Tech Meets Finance Gruppe von Fieldfisher

LiT - Ladies in Tech