02.09.2014

Interview mit Ronald Schwärzler – new gTLDs im Fokus

Folge 2 mit dem Geschäftsführer der Punkt.wien GmbH aus Wien

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Lars Steffen: Heute begrüße ich Ronald Schwärzler von .wien aus Wien zu einer neuen Ausgabe unserer Interviewreihe zum Thema „new TLDs im Fokus“. Hallo nach Wien!


Ronald Schwärzer: Hallo nach Köln!

Lars Steffen: .wien! Einmal ganz kurz in drei Sätzen. Wer seid Ihr? Was macht Ihr?

Ronald Schwärzler: Wir sind die Top-Level-Domain der Bundeshauptstadt Österreichs Wien. Wir haben absichtlich die deutsche Form von Wien als Top-Level-Domain gewählt und nicht .vienna wie viele erwartet hätten. Die Überlegung hierbei war ganz klar: Wer kauft eine Domain? Das sind die Wiener, die hier mit dieser Endung die Regionalität und Verbindung zur Bundeshauptstadt Wien betonen wollen. Die Besonderheit beziehungsweise der Unterschied zu einigen deutschen Domains oder zur Domain von New York City liegt darin, dass sich bei uns jeder registrieren kann, der eine Verbindung zu Wien dokumentieren möchte. Also keine Erfordernis einer lokalen Präsenz, einer Postleitzahl oder ähnliches. Die Begründung kommt daher, dass Wien stolz darauf ist, eine weltoffene Stadt zu sein. Sie will jedem die Möglichkeit bieten, hier eine Domain zu erwerben und somit die Verbundenheit zur Stadt zu zeigen. Das entspricht unserem Motto: Eine offene Domain und die Verbundenheit zu Wien. Darum eben .wien.

Lars Steffen: Unabhängig von .wien kommen im Moment eine ganze Reihe von neuen TLDs auf den Markt. Was macht aus Ihrer Sicht eine gute und erfolgreiche TLD aus?

Ronald Schwärzler: Sicherlich ist es einerseits eine Mischung aus Verkaufszahlen, die mehrere zehntausend betragen müssen, um eine gesicherte finanzielle Basis für das Betreiberunternehmen zu bieten. Wir sind vollständig privatwirtschaftlich organisiert und müssen mehrere zehntausend Domains verkaufen, um eine solide Geschäftsbasis zu haben. Andererseits steht das Vertrauen der Leute in diese Top-Level-Domain. Wir haben eine gewisse Verantwortung, dass die Domains mit den relevanten, beschreibenden Begriffen – die eben Wien ausmachen – bei denjenigen Anbietern sind, die auch relevante Inhalte über Wien anbieten.
Der Handel mit Domains ist mir daher ein bisschen ein Dorn im Auge. Die Domain ist erst dann gut, wenn man z.B. unter arzt.wien sucht und dann auch wirklich ein relevantes Ärzteverzeichnis erscheint.
Also zusammenfassend sind es aus meiner Sicht zwei Dinge: Eine gesicherte finanzielle Basis und relevante Informationen bei relevanten Begriffen.

Lars Steffen: Denken Sie, dass es bereits genug Kunden und Interessenten gibt, die von .wien Bescheid wissen?

Ronald Schwärzler: Wir haben ein sehr intensives Kommunikationsprogramm hinter uns. Ich glaube wir haben eine gute, aber noch längst nicht ausreichende Bekanntheit hier in Wien. Eine regionale TLD wie .wien ist ja relativ einfach zu kommunizieren: Wien hat die Abmessungen von ca. 40×40 Kilometer, 19 Tageszeitungen, zwei bis drei Radiostationen und zwei bis drei Fernsehsender, die relevant sind. Auch durch Plakatwerbung etc. kann man relevante Leute erreichen. Wir stellen jeden Tag wieder, mit einem Lächeln und Erschütterung fest, wo das Know-how der Vielzahl der Kunden ist. Sie wissen zwar von einem Unterschied zwischen .wien und .at. Aber von der Bedeutung „wenn du jemand in Wien sein willst, brauchst du eine .wien-Domain“, sind wir noch weit entfernt.

Lars Steffen: Werden bestimmte Maßnahmen und Aktionen durchgeführt, um dagegenzuwirken?

Ronald Schwärzler: Natürlich, im Rahmen der Möglichkeiten die wir haben. Wer Wien kennt, kennt auch wahrscheinlich die zwei bekanntesten Fußballclubs Austria Wien und Rapid Wien. Ich möchte eine Aktion mit Rapid Wien erwähnen: Die Domain rapid.wien wurde bereits an den österreichischen Rekordfußballmeister vergeben. Die treten auch schon in der Kommunikation damit auf. Jedes zweite Wochenende werden 20.000 Zuschauer – auch über Bandenwerbung etc. – mit dieser Domain konfrontiert. In Kürze wird es eine Maßnahme von Rapid geben. Dabei fordert Rapid seine zahlenden Mitglieder auf, sich eine Domain zu kaufen. Mit dem Verkaufserlös dieser Domain sponsern wir den Rapid-Nachwuchs. Wir als Registrar-Partner vergeben also die Domain an den Rapid-Fan nicht billiger, sondern erlösen den vollen Verkaufspreis und versuchen dafür die Bindung an Rapid zu verstärken. Eine gemeinsame Kommunikation ist die generelle Richtung, in die wir in Wien zusammen mit relevanten Markt-Playern gehen wollen. Ein Wunschprojekt wäre zum Beispiel: Kauf eine .wien-Domain und du bekommst eine Fahrt im Wiener Riesenrad gratis. Eine Zusammenarbeit mit der U-Bahn ist wohl leichter umzusetzen, das Riesenrad ist ein bisschen schwierig.

Lars Steffen: Werden die neuen TLDs aus ihrer Sicht ein Erfolg? Wenn ja welche und warum?

Ronald Schwärzler: Als Geschäftsführer einer neuen TLD, muss ich vom Erfolg überzeugt sein. Ich sehe auch unseren Businessplan aufgehen. Es ist längst nicht so, wie man bei uns in Wien sagt: „a gemahte Wiesn“, wie man vielleicht noch vor einem Jahr erwartet hätte: Registrierungszahlen von hunderttausenden am zweiten, dritten Tag. Aber wir sehen, dass die Markeninhaber wirklich auf diese Begriffe setzten und bereit sind, dafür in einer Sunrise Geld auszugeben. Sie setzen diese Begriffe, diese Domains schon in der Kommunikation ein. Wir haben in Wien wahrscheinlich einen Glücksfall mit den Landtagswahlen im nächsten Jahr. Alle wahlwerbenden Parteien haben bereits Domains bei uns bestellt. Das hilft sicherlich für die Bekanntmachung dieser Domain. Ich bin überzeugt, dass die neuen Top-Level-Domain ein Erfolg werden. Nicht alle, aber die mit einem klaren Fokus, z.B. auf bestimmte Regionen wie Wien, das Bundesland Tirol oder die Stadt Köln. Ob jeden Kunden alles anspricht, wie z.B. eine Farbe, sei dahingestellt. Zum Erfolg bedarf es einige hunderttausend Registrierungen und warum sollte man sich statt einer .com eine .farbe-Domain kaufen? Ein klares Konzept wie .bank mit absolut sicherer Kommunikation, verschlüsselt samt Zertifikaten etc. oder die genannten Regionen-Domains werden erfolgreich sein. Davon bin ich, auch im eigenen Interesse, überzeugt.

Lars Steffen: Eben ist .com genannt worden. Werden von den neuen generischen TLDs Auswirkungen auf bestehende TLDs ausgehen?

Ronald Schwärzler: Rein logisch betrachtet müsste das so sein. Wenn Massen von neuen TLDs registriert werden, sollten andere zurückgegeben werden. Das ist aber die rein kaufmännische Logik. Vielleicht sind das dann die reinen Spekulations-Domains, die zurückgegeben werden, weil sie sich nicht mehr rechnen. Ich habe noch nicht mit einem Kunden geredet, der sagte: „Ich habe mir eine .wien gekauft und gebe jetzt die .at zurück.“ Sondern er sagte: „Ich habe auch .at, bin aber hauptsächlich in Wien tätig. Also nehme ich mir eine .wien dazu.“ Personen und Unternehmen die wirklich auf ihre .com, .at oder .de setzen, nehmen sicherlich die neuen Domains dazu.
Die reine Spekulation: Ja, ich erwarte schon, dass die eine oder andere Top-Level-Domain gewissen Rücklauf haben wird.

Lars Steffen: Wir hatten eben mit Rapid Wien einen innovativen Business Case. Auch dass gewisse Vorteile bei der Nutzung dieser Domain bestehen, am Beispiel Wahlkampf. Warum könnten sich darüber hinaus andere Geschäftsleute oder Privatkunden eine .wien registrieren?

Ronald Schwärzler: Also ein Beispiel aus dem Personenbeförderungsgewerbe, wie es bei uns in der Industrie- und Handelskammer so schön heißt: taxi.wien. Ein Taxifahrer oder die Taxifirma erwartet von der taxi.wien binnen kürzester Zeit auf der Top-Position der Google-Suche zu sein und dadurch zusätzliche Fahrten zu bekommen. Das ist eine ganz einfache Return-On-Investment-Rechnung. Wenn ich durch eine Position zusätzlichen Umsatz generiere, rechnet sich die Domain sehr schnell wieder. Das gilt nicht nur fürs Taxi, sondern auch für einen Schlüsselnotdienst oder einen Notfallinstallateur. Wenn am Freitagabend die Badewanne leckt, suche ich nicht mehr lange sondern nehme denjenigen, der den obersten Platz beim Suchergebnis hat. Das sind genau die Begriffe, die bei uns derzeit auf einer Premiumliste stehen und intensiv nachgefragt werden. Dort erzielen wir schon schöne Verkaufszahlen im guten fünfstelligen Bereich.

Lars Steffen: Eine technische Frage: Haben sie Probleme im Bereich Universal Acceptance und wenn ja, gehen sie diese Probleme auch aktiv an?

Ronald Schwärzer: Wir stellen fest, dass es speziell im Bereich der Umlaut-Domains Kunden mit Problemen gibt. So ist das „ö“ relativ häufig in Namen vertreten. Das geht im www. aber nicht bei den Mailservern. Da kommen die ersten Ernüchterungen auf. Was nützt mir eine Website – nehmen wir zum Beispiel meinen Namen schwärzler.wien – wenn ich die E-Mail doch wieder an schwaerzler.wien schicken muss. Da sehen wir Probleme.

Mir ist einmal beim Check-In einer Fluglinie passiert, dass meine .wien-E-Mail-Adresse ungültig war. Dann musste ich meine .at-E-Mail-Adresse angeben. Man sieht also: Wir sind noch ein Stück entfernt von der allgemeinen Verwendbarkeit der neuen Domain. Es ist jedoch zu beobachten, dass es von Woche zu Woche besser wird. Bei der besagten Fluglinie kann ich mittlerweile meine .wien-E-Mail-Adresse verwenden. Das war vor zwei Monaten noch nicht der Fall.

Lars Steffen: Schwierigste Frage zum Schluss: Mit wie vielen registrierten Domains rechnen Sie in ca. einem Jahr?

Ronald Schwärzler: Ich habe eine Hoffnung und ich habe einen realistischen Business Case. Realistisch müssten wir bei ca. 20.000 sein. Wir haben kürzlich eine Presseaussendung zum Überschreiten der 8.000er-Marke nach einem Monat. Nach dem Modell sind es zwischen 16.000 und 20.000 Domains am Ende des ersten Jahres. Das werden wir erreichen.

Wenn ich die Hoffnung mit einem leichten Optimismus verbreiten darf, werden wir bei 30.000 sein. Das hängt sehr stark von den Kommunikationsmaßnahmen ab, die wir treffen werden. Wir werden sehr intensiv kommunizieren, um das Ziel von 30.000 zu erreichen. An diesem Ziel lasse ich mich auch gern in einem Jahr messen.

Lars Steffen: Vielen herzlichen Dank, Ronald Schwärzler von .wien…

Ronald Schwärzler: Gerne!

Lars Steffen: … für die Einblicke in die Domainbranche und viele Grüße nach Wien.

Ronald Schwärzler: Danke, tschüss nach Köln.

Lars Steffen: Danke.