18.10.2012

Kennzahlen als Pulsmesser des Internets

Platzhalter KG-Gruppenblogartikel

In der modernen Kommunikation spielt das Internet ohne Zweifel eine tragende Rolle. Digitale Dienste sind nicht nur für Privatnutzer unentbehrlich geworden, auch Unternehmen wickelnGeschäftsprozesse vermehrt über das Netz ab und die Politik forciert den Ausbau breitbandiger Datenwege mit Fördermitteln.

Aus Anwendersicht wirkt das Internet wie eine homogene Einheit, tatsächlich aber ist es ein Verbund tausender Netzwerke, die durch administrative und technische Standards zu einer virtuellenEinheit verschmolzen sind. Dieses komplexe Zusammenspiel funktioniert transparent und wird im Idealfall von außen gar nicht wahrgenommen. Ein reibungsloser Betrieb ist aber nur möglich,wenn die Bausteine der globalen Infrastruktur – sogenannte autonome Systeme (AS) – stabil miteinander verbunden sind.In Anbetracht des schnellen, dezentral organisierten Netzausbaus ist dies nicht leicht zu gewährleisten. Andererseits bestimmt das Internet immer mehr alltägliche Prozesse,so dass einedurchgängige Versorgung unverzichtbar ist. Es gibt also gute Gründe, den „Gesundheitszustand“ des Netzes zu beobachten.

Das Institut für Internet-Sicherheit der Westfälischen Hochschule entwickelt im Rahmen des Forschungsprojekts Deutscher Internet-Index ein System zur Analyse kritischerInfrastrukturen. Mit Hilfe des Internet Kennzahlen-Systems (IKS) werden sensible Bereiche des Netzes kontinuierlich anhand technischer Messwerte überwacht. Die Ergebnisse dieserMessreihen werden wissenschaftlich aufbereitet und als geordnete Kennwerte archiviert.
Mit der Systematik der kontinuierlichen Beobachtung lassen sich nicht nur komplexe Fragestellungen untersuchen, sondern auch Probleme, die zum Zeitpunkt ihres Auftretens noch nicht erkennbar sind.Dies ist ein entscheidender Vorteil, denn auch im Internet zählen nicht nur kurzfristige Perspektiven. Die Evolution des Mediums bewusst zu gestalten ist nur möglich, wenn langfristigeBestimmungsfaktoren erkannt und analysiert werden, wie das folgende Beispiel zur Infrastrukturentwicklung zeigt

Die folgende Abbildung vermittelt einen Eindruck von der Komplexität der globalen Infrastruktur, dargestellt aus Sicht des Kennzahlensystems, am Beispiel der G-20 Staaten:

Infrastrukturbild der G-20

 

Hierbei steht jedes Element für ein autonomes System, die Größe entspricht der Anzahl der Verbindungen zu anderen Systemen. In der zirkulären Anordnung steht jede Farbefür einen Staat. Bereits das Gesamtbild zeigt strukturelle Differenzen, erkennbar z.B. an einzelnen großen Kreisen im Außenring (grau), der die USA repräsentiert. DieseSysteme weisen einen besonders hohen Vernetzungsgrad auf, sind also vielfach angebunden. Im Gegensatz dazu gleicht der Innenkreis (Argentinien) einer Punktwolke, was aufvergleichsweise schwach vernetzte Systeme hindeutet.

Noch deutlicher werden die Unterschiede bezüglich Struktur und Vernetzung im direkten Landesvergleich:

Infrastrukturbild Deutschland

 

Die Infrastruktur Deutschlands zeigt ein relativ homogenes Bild, gleichbedeutend mit einer harmonischen Verteilung des Vernetzungsgrades in Bezug auf die autonomen Systeme.

Infrastrukturbild Südkoreas

 

Anders in Südkorea. Hier dominieren drei Systeme die Verbindungsstrukturen, der Rest folgt mit deutlichem Abstand. Als wahrscheinlichste Ursache dieser asymmetrischenVerteilung kommen demographische Besonderheiten Südkoreas in Betracht, wo 81% der Gesamtbevölkerung in städtischen Ballungsräumen leben. Diese räumlicheKonzentration begünstigt die Vernetzung der Infrastruktur, da nur geringe Distanzen überbrückt werden müssen.

Ausgehend von der Überlegung, dass die Anbindung der einzelnen Teilnetze von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Gesamtmediums ist, erscheint es ratsam, solcheStrukturparameter sorgsam zu beobachten. Veränderungen der Infrastruktur unterliegen zwar primär lokalen Einflüssen wie Gesetzgebung und Investitionsverhalten, sie haben aber auchglobale Konsequenzen. Fehlentwicklungen und unerwünschte Nebeneffekte lassen sich in der Regel nicht kurzfristig beheben. Umso wichtiger ist es, entsprechende Messdaten kontinuierlich zuerfassen und auszuwerten, um strategische Planungs- und Entscheidungsprozesse wirkungsvoll unterstützen zu können.

Zu den Autoren des Gastbeitrags:

 

Prof. Dr. (TU NN) Norbert Pohlmann ist seit 2005 geschäftsführender
Direktor im Institut für Internet-Sicherheit der Westfälischen Hochschule.
Dipl.oec. Michael Sparenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im
Forschungsbereich Internet-Kennzahlensysteme.
M.Sc. Sebastian Feld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in den
Forschungsbereichen Internet-Kennzahlensysteme und Identity Management.

 

Die Kennzahlen des IKS geben sowohl Einblick in die globale Infrastruktur, als auch in beispielsweise Trends beim Nutzerverhalten und liefern aktuelleAngaben zur Netzsicherheit. Das Internet Kennzahlen-System unterstützt mit zahlreichen Werkzeugen die Analyse komplexer Datensammlungen und stellt die sogewonnenen Erkenntnisse verschiedenen Nutzergruppen zur Verfügung.