29.04.2016

Klare Regeln für ein offenes und innovatives Internet

  • Best-Effort-Prinzip – Grundlage der Gleichberechtigung im Netz
  • Ausgestaltung des Rechtsrahmens: Raum für Innovation und neue Dienste
  • Klare Regeln schaffen Sicherheit für Netzakteure, Geschäftsmodelle und Verbraucher

Am 27. Oktober 2015 verabschiedete das Europäische Parlament das Verordnungspaket Telecom Single Market (TSM). Neben dem Beschluss eines weitgehenden Verzichts auf Roaming-Gebühren im Binnenmarkt, gibt das Verordnungspaket TSM rechtliche Regeln zur Gewährleistung von Netzneutralität vor. Zu der ab dem 30. April 2016 wirksamen Verordnung veröffentlicht eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. ein aktuelles Debattenpapier

Der Begriff Netzneutralität beschreibt ein elementares Grundprinzip des Datenverkehrs im Internet. Dieses Prinzip besagt, dass alle Datenpakete – unabhängig von ihrem Inhalt, ihrer Anwendung, ihrer Herkunft und ihrem Ziel – absolut gleichwertig behandelt und schnellstmöglich von A nach B gelangen sollen. „Ganz gleich, ob wir nur eine Mail verschicken oder riesige Datenmengen transportieren – das Prinzip der Netzneutralität steht dafür ein, dass keines der übertragenen Datenpakete bevorzugt behandelt wird“, erklärt Oliver Süme, eco-Vorstand für Politik & Recht, die Eckpunkte des Neutralitätsgebots. Gleichzeitig stellt er fest: „Würde dieser Gleichstellungsgrundsatz aufgehoben, wä­re das Internet nicht mehr das, was es heute ist.“

Das Best-Effort-Prinzip – Grundlage der Gleichberechtigung im Netz

Anders als bei der Telefonie, wird die Datenübertragung im Internet nicht über reservierte Leitungen, son­dern über frei verfügbare Netzinfrastrukturen organisiert. Dabei entscheiden die Router nach dem einfachen Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ (first in/first out, kurz FIFO) über die Sendeab­folge und verhalten sich gegenüber den übermittelten Daten absolut neutral. „Dieses nach dem „best effort“-Prinzip geregelte Verfahren ist die Grundvoraussetzung für ein offenes und diskriminierungsfreies Internet“, so eco-Vorstand Süme. „Dennoch müssen wir bei der dynamischen Entwicklung der Netze auch die zeitkritischen oder bandbreitenintensiven Dienste im Blick behalten und nach in­teressengerechten Lösungen suchen.“ Dabei gehe es auch um die Wirtschaftlichkeit der bereit gestellten Netzinfrastrukturen und die Fragestellung, ob sich Inhalte- und Diensteanbieter, die für kommerzielle Angebote wie Videoplattformen, Games oder Streamingdienste hohe Bandbreiten beanspruchen, gegebenenfalls an der Finanzierung des Breitbandausbaus beteiligen sollten.

Ausgestaltung des Rechtsrahmens: Raum für Innovation und neue Dienste

Dass solche „Spezialdiensten“, die für bestimmte Inhalte die Nutzung einer privilegierte Überholspur ermöglichen, das Grundprinzip der Netzneutralität aushebeln und zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnten, hat in der EU-Internetpolitik viele Jahre für Diskussionsstoff gesorgt. Nach heftigen Debatten konnten sich im Sommer des vergangenen Jahres allerdings der Europäischer Rat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament auf einen gemeinsamen politischen Kompromiss einigen, der in das aktuelle Telekommunikationspaket eingegangen ist. Dieser Kompromissvorschlag gibt jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen vor, die zunächst aber durch verbindliche Leitlinien klar definiert und ausgestaltet werden müssen.

„Mit dem Kompromiss wurden die wesentlichen Eckpunkte zur rechtlichen Bewertung und Ausgestaltung von Spezialdiensten gesetzt. Nichts desto trotz bleiben einige Fragen offen. So ist aus unserer Sicht noch nicht hinreichend geklärt, wie mögliche Verletzungen der Netzneutralität ermittelt und wie gegen sie vorgegangen werden soll“, kommentiert eco die vorliegenden Verordnung. „Dazu müsste zum Beispiel auch untersucht werden, ob es bereits an den Interconnect-Punkten zu Diskriminierungen kommen kann“. Auch die Frage, wie die von der Bundesregierung geforderte „zeitgemäße Qualität des Internetzugangs“ sicherzustellen und ein „angemessenes Verkehrsmanagement“ umzusetzen sei, werde erst die Regulierungspraxis ergeben. „Wir gehen jedoch davon aus, dass die für Ende August 2016 geplanten Konsultationen des Gremiums Body of European Regulators for Electronic Communication (BEREC) und den nationalen Regulierungsbehörden (in Deutschland die Bundesnetzagentur, BNetzA) mehr Klarheit schaffen. Das ist auch im Sinne der Verbraucher unabdingbar“, so eco-Vorstand Süme.

Klare Regeln schaffen Sicherheit für Verbraucher, Netzakteure und neue Geschäftsmodelle

Je präziser die Spezialdienste definiert und von anderen Diensten abgegrenzt werden, desto höher die Chancen für gleichberechtigte Netzneutralität. „Eine interessengerechte Lösung des Konflikts, wie sie der aktuelle Kompromissvorschlag auf den Weg bringt, befürworten wir auch mit Blick auf die vielen Start-ups und innovativen Geschäftsmodelle, die den Internet-Markt mit neuen Impulsen bereichern. Die aktuelle Verordnung ist ein wichtiger Schritt, um den lange geforderten rechtlichen Rahmen für qualitätsgesicherte IP-Dienste zu schaffen, ohne dass andere Dienste und Anwendungen im offenen Internet diskriminiert werden. Sie muss jetzt präzisiert und durch verbindliche Leitlinien ergänzt werden, damit zukünftig nicht nur der Transparenz, sondern auch einem gesunden Wettbewerb im Netz nachhaltig gedient ist“, heißt es im aktuellen Debattenpapier, das eco pünktlich zum Stichtag des Inkrafttretens der neuen Netzneutralitätsverordnung am 30. April 2016 veröffentlicht.

Das eco Debattenpapier zur Netzneutralität ist unter folgendem Link: https://www.eco.de/wp-content/blogs.dir/20160429_eco_deb_netzneutralitaet.pdf online verfügbar: