Als Gründer und Ehrenpräsident des eco schuf Harald Summa einst die Grundlage für das kommerzielle Internet in Deutschland. Heute spricht der Vordenker der digitalen Transformation über die Zukunft der Quantentechnologie und erklärt, wie Qubits, Quantencomputer und neue Verschlüsselungsmethoden unsere Welt nachhaltig verändern könnten. Im Interview benennt er konkrete Anwendungsszenarien, beleuchtet den aktuellen Forschungsstand berichtet aber auch, welche Hürden noch überwunden werden müssen, damit Quantentechnologie in breitem industriellen Einsatz und darüber hinaus verfügbar wird.
Herr Summa, können Sie möglichst einfach erklären, was Quantentechnologie ist?
Harald Summa: Heutige Computer basieren auf winzigen elektrischen Schaltungen, die in einem binären System arbeiten. Das bedeutet, dass jede dieser Schaltungen nur zwei Zustände kennt: „an“ oder „aus“ – ähnlich wie ein Lichtschalter. Diese einzelnen Zustände werden „Bits“ genannt, und sie sind wie die Bausteine eines Computers. Um Probleme zu lösen, geht ein herkömmlicher Computer Schritt für Schritt vor, indem er diese Bits nacheinander in die richtigen Positionen schaltet. Durch diese sequenzielle Arbeitsweise wird jede Berechnung berechnet und verarbeitet.
Quantencomputer hingegen basieren auf winzigen Teilchen, die kleiner sind als Atome – sogenannte Quanten. Diese Teilchen verhalten sich anders als gewöhnliche Gegenstände. Sie können nicht nur „an“ oder „aus“ sein, sondern auch beides gleichzeitig, was wir Qubits nennen. Außerdem besitzen Quanten eine faszinierende Eigenschaft: Sie können in einem Zustand sein, der es ihnen ermöglicht, an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Oder sie können miteinander so verbunden sein, dass eine Veränderung an einem Teilchen sofort eine Reaktion beim anderen Teilchen auslöst, selbst wenn es weit entfernt ist. Dieses Verhalten ist es, was Quantentechnologie so einzigartig macht.
Weshalb verspricht die Quantentechnologie in bestimmten Bereichen so viel leistungsfähiger zu sein, als herkömmliche Computer?
Die Quantentechnologie nutzt Qubits, die sich in mehreren Zuständen gleichzeitig befinden können. Das erlaubt Quantencomputern, viele Rechenschritte parallel durchzuführen und so komplexe Berechnungen in einer Geschwindigkeit zu bewältigen, die für klassische Computer unerreichbar ist. Ein weiterer Vorteil ist ihre Fähigkeit zur Verschlüsselung und Optimierung bei riesigen Datenmengen – auch hier stoßen herkömmliche Systeme an ihre Grenzen stoßen. Quantencomputer sind deshalb besonders vielversprechend in Bereichen wie der Medikamentenforschung, der Optimierung komplexer Netzwerke oder der Entwicklung neuer Materialien.
Allerdings sind Quantencomputer extrem temperaturempfindlich und benötigen sehr tiefe Temperaturen, um die Zustände der Qubits stabil zu halten. Aufgrund dieser Einschränkungen werden Quantencomputer nicht als universelle Haushaltsgeräte entwickelt, sondern gezielt für spezielle Anwendungen – sie fungieren eher als Hochleistungs-Ergänzung zu konventionellen Computern.
Quantentechnologie wird oft als die nächste Revolution in der Computertechnologie betrachtet. Können Sie uns helfen zu verstehen, was diese Technologie so besonders macht und welche Herausforderungen und Chancen sie für die Zukunft birgt
Die Entwicklung schreitet weltweit mit hohem Tempo voran. In einem intensiven Wettlauf investieren die großen Wirtschaftsräume – USA, China, Europa und Asien – erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen in Forschung und Anwendungen. Fast täglich gibt es Fortschritte in einzelnen Bereichen und immer wieder bedeutende Durchbrüche. Erste Quantencomputer sind bereits kommerziell verfügbar, sei es als Geräte oder als Cloud Services. In den nächsten Jahren erwarten wir bedeutende Fortschritte, die die Nutzbarkeit weiter erhöhen und die Technologie reif für spezifische Anwendungen in Wissenschaft und Industrie machen werden.
Welche konkreten Anwendungsszenarien sehen Sie für Quantentechnologie in der nahen Zukunft, und in welchen Branchen könnte sie die größten Veränderungen bewirken?
Quantentechnologie zeigt großes Potenzial in Bereichen, die extrem rechenintensive Aufgaben erfordern. Ein Beispiel ist die Simulation von Molekülen in der Chemie und Medizin, die es ermöglichen könnte, neue Medikamente schneller zu entwickeln und deren Wirksamkeit präziser vorherzusagen. Durch die Fähigkeit, Moleküle bis auf die Quantenebene zu simulieren, könnten Quantencomputer potenziell Medikamente und Wirkstoffe entdecken, die mit klassischen Computern nur schwer zu berechnen wären.
Auch die Optimierung komplexer Logistiknetzwerke könnte mit Hilfe der Quantentechnologie auf ein neues Niveau gehoben werden. Beispielsweise lassen sich Transportwege und Ressourcenverteilungen in Echtzeit anpassen, was die Effizienz steigern und die Kosten senken könnte.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Informationssicherheit. Quantencomputer haben das Potenzial, gängige Verschlüsselungsverfahren zu knacken, indem sie bestimmte Codes viel schneller entschlüsseln können, als es heutige Computer schaffen. Deshalb arbeiten Forscher an sogenannten „post-quantenresistenten“ Verschlüsselungsverfahren, die auch Angriffen durch Quantencomputer standhalten sollen. Es gibt bereits standardisierte Algorithmen, die als besonders sicher gelten. Allerdings beobachten wir jetzt schon ein Phänomen namens „Harvest Now, Decrypt Later“ – also das Sammeln verschlüsselter Daten, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit leistungsstarken Quantencomputern zu entschlüsseln.
Eine Technik, die auf symmetrischer Schlüsselübertragung durch Photonen basiert, könnte hier langfristig entscheidenden Schutz bieten: Photonen ändern ihren Zustand, wenn sie abgefangen werden, und machen eine Abhörung damit praktisch unmöglich. Diese Entwicklungen in der Datensicherheit versprechen langfristig hohe Sicherheit für unsere digitalen Infrastrukturen.
Wie schätzen Sie die Zukunft der Quantentechnologie ein – wird sie den Massen zugänglich sein oder eher ein Spezialbereich bleiben?
Quantencomputer werden spezifische Spezialrechner bleiben und sich vor allem in Bereichen etablieren, die extrem hohe Rechenleistungen erfordern – etwa KI, Chemie oder Physik. Da ein individueller Quantencomputer nicht nötig ist, sondern diese über „Quantum-as-a-Service“-Plattformen (QaaS) zugänglich gemacht werden können, sind viele innovative Anwendungen denkbar, die durch die Cloud verfügbar gemacht werden.
Die Miniaturisierung der Halbleitertechnologie hat es möglich gemacht, Smartphones in der Jackentasche umherzutragen. Weshalb ist das aktuell bei Quantenrechnern eher unwahrscheinlich?
Zum einen sind bei den meisten quantenbasierten Prozessoren sehr niedrige Temperaturen unter minus 270 Grad Celsius zur Stabilisierung der Qubits unerlässlich, zum anderen benötigt ein Quantencomputer stets einen konventionellen Rechner zur Steuerung. Kleinere Quantensensoren für spezifische Aufgaben könnten allerdings durchaus in tragbare Geräte wie Handys oder Smartwatches integriert werden.
Welche technischen Voraussetzungen müssten geschaffen werden, um die Quantentechnologie in den Alltag und in den breiten industriellen Einsatz zu überführen, und welche Hürden gilt es noch zu überwinden?
Ein wichtiger Schritt, um die Quantentechnologie zugänglich zu machen, ist die Verbindung klassischer Geräte mit der Cloud und der Zugang zu „Quantum-as-a-Service“-Plattformen. Damit könnten Unternehmen und Anwender auf die Technologie zugreifen, ohne dass jeder direkt mit einem eigenen Quantencomputer arbeiten muss.
Trotzdem steckt Quantentechnologie noch in den Anfängen: In der Softwareentwicklung fehlen oft höhere Programmierwerkzeuge, und viele Anwendungen bleiben aktuell forschungsnah und stark spezialisiert. Eine zentrale Herausforderung wird die Ausbildung neuer Fachkräfte sein, die von Grund auf sowohl das analoge als auch das quantenbasierte System verstehen – nur so kann das Potenzial dieser Technologie langfristig voll ausgeschöpft werden.
Was denken Sie: Welche Bedeutung hat die Weiterentwicklung der Quantentechnologie für den Digitalstandort Deutschland?
Deutschland hat in der Quantenforschung einen starken Start hingelegt und investiert durch zentrale Entwicklungszentren in NRW, Baden-Württemberg, Bayern und Berlin. Allerdings fehlt ein einheitlicher nationaler Markt, und es ist ein hoher Konkurrenzdruck spürbar. Anstatt nur Forschung zu fördern, sollten wir zunehmend auch die konkreten Anwender unterstützen, um den Standort wettbewerbsfähig zu halten. Durch eine gezielte Förderung von Anwendern, Nutzungsszenarien und Nachwuchskräften können wir die digitale Zukunft aktiv mitgestalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
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