Community kommt einem finalen Entwurf für die Zukunft der Netzverwaltung näher
Rund 2.000 Teilnehmer aus fast 130 Ländern hatten sich in Dublin zum 54. ICANN Meeting eingefunden. Auf der Konferenz in der irischen Hauptstadt nahm das Thema „ICANN Accountability“ sehr großen Raum ein. Nachdem die drei technischen Communities ihre Vorschläge für die so genannte IANA Stewardship Transition bereits abgeliefert hatten, steht derzeit für das Gesamtprojekt nur noch die Fertigstellung und Verabschiedung der finalen Empfehlungen der Cross Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability (CCWG) aus.
Die Arbeit der CCWG soll eine Verbesserung der Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers als vertrauenswürdige Organisation erreicht werden, bevor die US-Regierung ihre Aufsicht über die so genannten IANA Funktionen aufgibt und diese mit einem neuen Modell der Netzverwaltung an die globale Multi-Stakeholder-Gemeinschaft überträgt.
ICANN Accountability nimmt Form an
Thomas Rickert, Director Names & Numbers bei eco – Verband der Internetwirtschaft und zugleich Co-Chair der CCWG zeigte sich am Donnerstag zufrieden über die erreichten Schritte: „Nachdem eine zweite öffentliche Konsultation durchgeführt wurde und deren Ergebnisse ausgewertet wurden, konnte die Gruppe feststellen, dass die überwiegenden Teile der erarbeiteten Empfehlungen auf weite Zustimmung stießen. Lediglich vier kritische Aspekte waren noch zu überarbeiten.“
Diese Aspekte bezogen sich zum einen darauf, wie die Community ihre Entscheidungen fällt, wenn wichtige Ansprüche durchgesetzt werden sollen, um die Organisation zu beeinflussen. Dabei geht es um die Findung eines Verfahrens, mit dem zukünftig die so genannte „Back-Stop-Funktion“ der US-Regierung ersetzt werden soll.
Seitens der ICANN-Community wurden Bedenken geäußert, dass das bisher von der CCWG vorgesehene Abstimmungsverfahren nur einer Untergruppe der gesamten Community das entsprechende Wahlrecht einräumt. Dies hätte zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse und einer Konzentration der Macht bei Wenigen geführt, die nur schwer zu rechtfertigenden gewesen wäre.
„Insofern haben wir den Entscheidungfindungsprozess grundlegend überarbeitet, hin zu einem konsensbasierten Modell, an dem nun die gesamte Community teilnehmen kann. Der Konsens wird nun dahingehend qualifiziert, dass abhängig von der jeweiligen Community-Power ein bestimmter Level an Zustimmung vorliegen und nicht mehr als ein Widerspruch gegeben sein darf“, erklärt Rickert weiter.
Ein zweiter Kritikpunkt war die vorgesehene Möglichkeit für die Community, gegen das Budget und den strategischen Plan von ICANN ein Veto einlegen zu können. Hier wurden Bedenken geäußert, dass dies zu einer Lähmung und Instabilität der Organisation führen könnte. Auch in diesem Punkt konnte die CCWG in Dublin einen neuen Vorschlag erarbeiten, der allseits Zustimmung fand.
Überarbeitet wurde außerdem der Modus für die Entlassung einzelner Vorstandsmitglieder. Diesbezüglich wurden einige Befürchtungen geäußert. So hätte für einzelne Organisationen die Möglichkeit bestanden, die von ihnen entsandten Vorstandsmitglieder zurückzurufen. Das hätte dazu führen können, dass die Direktoren nicht im Interesse der globalen Internet-Community, sondern lediglich im Interesse der entsendenden Organisationen handeln.
Durchbruch mit „Single-Designator-Modell“
„Letztlich wurde heute ein Durchbruch bei der Frage erreicht, nach welchem rechtlichen Modell die Community ihren Willen notfalls gegen den Willen des Vorstands durchsetzen kann. Hier hat unsere Arbeitsgruppe das bisher favorisierte „Single-Membership-Modell“ durch ein „Single-Designator-Modell“ als Referenzmodell ersetzt“, erklärte der CCWG Co-Chair weiter und zeigte sich zuversichtlich, „dass wir in den kommenden Wochen einen finalen Report verabschieden und damit eine Transition im Rahmen des derzeit vorgesehenen gesamten Zeitplans ermöglichen können.“ In diesem Punkt erreichte die CCWG einen Konsens mit dem Vorstand von ICANN.
Das ursprüngliche von der CCWG vorgeschlagene „Single-Membership-Modell“ hätte auf Grundlage der kalifornischen Rechtsprechung den Selbstverwaltungsgremien von ICANN das Recht eingeräumt, gegen Beschlüsse des Vorstands direkt Einspruch erheben zu können. Beim nun weiter verfolgten „Single-Designator-Modell“ ist der Vorstand nicht mehr daran gebunden, ein Veto zu akzeptieren. Den Gremien bleibt in diesem Modell nun lediglich als letzte Option, den gesamten Vorstand auf einmal zu entlassen.
Das so genannte „Single-Designator-Modell“ soll mithilfe einer indirekten Kontrolle durch die Selbstverwaltungsgremien die bisherige Aufsicht durch die US-Regierung ersetzen. Voraussichtlich am 15. November soll das letzte Teilstück für den Übergang der Aufsicht über die Rootzone und weiteren zentralen Datenbanken für das Netz auf ICANN in Form eines konkreten Vorschlags vorgestellt werden. Dieser wird während einer 35-tägigen Public Comment Period zur Kommentierung auf icann.org der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Der ICANN-Vorstand wird anschließend voraussichtlich am 22. Januar 2016 den Abschlussbericht erhalten und über diesen entscheiden. Die CCWG hat sich verpflichtet, in den nächsten drei Monaten intensiv daran zu arbeiten, diese Termine einzuhalten.
ISPCP & Universal Acceptance
Auch das Meeting der Internet Service Providers & Connectivity Providers Constituency Group (ISPCP) – in der eco mit Oliver Süme, eco Vorstand Politik & Recht, und Wolf-Ulrich Knoben vertreten ist – wurde ebenfalls von der Diskussion um die „ICANN Accountability“ dominiert. Thomas Rickert präsentierte am Dienstag den Status der Diskussion und bat die Mitglieder der ISPCP um Feedback für den die weiteren Gespräche. Im Anschluss gab Mark Svancarek als Vertreter der Universal Acceptance Steering Group (UASG) einen Überblick zu den Ergebnissen des Workshops dieser noch neuen Arbeitsgruppe.
Die UASG, in der eco von Lars Steffen vertreten wird, hatte bereits am Sonntag einen 10-Punkte-Plan erarbeitet, um bis zum 14. Januar 2016 die ersten Dokumente zu erstellen. Die Ergebnisse sollen bis zum nächsten ICANN Meeting im März 2016 veröffentlicht werden. Ziel der Arbeitsgruppe ist die Beseitigung technischer Hürden bei der Verwendung von Internationalized Domain Names (IDNs) und die Etablierung von Email Address Internationalization (EAI).
„Ziel unserer Arbeit ist nicht nur die Unterstützung der Erweiterung des Namenraums mit neuen Top Level Domains und die Etablierung von TLDs, die nicht auf dem ASCII-Zeichensatz basieren. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass Endnutzer alle TLDs problemlos nutzen können. Zum anderen möchten wir gewährleisten, dass das Internet weltweit noch mehr Menschen miteinander verbindet, ohne das sie die bislang üblichen Sprachbarrieren überwinden müssen“, erklärt Lars Steffen die Ziele der UASG.
Ausblick & Deutscher Abend
Das nächste ICANN Meeting wird vom 5. bis zum 10. März 2016 in Marrakesch stattfinden. Hier werden neue Ergebnisse für den Weg zur IANA Stewardship Transition erwartet. Zu diesem Termin werden auch die ersten Guidelines der UASG erwartet, um Softwareentwickler, Webmaster, System Engineers und andere relevante Zielgruppen mit relevanten Informationen zu versorgen, damit zukünftig ein reibungsloser Einsatz neuer Top Level Domains gewährleistet werden kann.
Abgerundet wurde das ICANN Meeting mit dem Deutschen Abend, gemeinsam veranstaltet von DENIC und eco. Bei dem geselligen Abend in einem typisch irischen Pub im Dubliner Stadtteil Temple Bar trafen sich internationale Mitglieder von eco und die deutsche ICANN Community zum freundschaftlichen Austausch. Außerdem hatten die irischen Gastgeber mit „That Night in Dublin at ICANN54“ ein liebevoll organisiertes Networking-Event kreiert, dass sicherlich vielen Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben wird.