Aktuelle Debatte um IANA-Reform symbolisch aufgeladen
Berlin, 01.10.2014 – Wer übernimmt ab September 2015 die Oberaufsicht über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA)? Diese Frage dominiert derzeit die internationale Diskussion um Internet Governance.
Rund 30 Teilnehmer aus Politik, Presse und Wirtschaft informierten sich im eco Hauptstadtbüro über den aktuellen Stand zur Neuausrichtung der Internetverwaltung. Die US-Regierung hatte im vergangenen Jahr angekündigt, ihre Oberaufsicht über die so genannte „IANA-Funktion“ der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) im September 2015 abgeben zu wollen. Die IANA verwaltet die Rootzone des Domain Name System (DNS) und betreibt dafür die dreizehn Root Server, die den Startpunkt für alle Namensauflösungen im Internet bilden.
IANA-Funktionen mit starker Symbolik
Eine Nachfolgelösung zeichnet sich bislang noch nicht ab und ist Gegenstand internationaler Verhandlungen. „Trotzdem muss man mit dem Rückzug der USA kein netzpolitisches Vakuum befürchten“, erklärte Internet Governance-Experte Prof. Wolfgang Kleinwächter von der Universität Aarhus. Kleinwächter, der auch Mitglied des Board of Directors bei ICANN ist, wies darauf hin, dass die IANA das Internet schließlich nicht wirklich kontrolliere, sondern nur eine notarielle Funktion im Rahmen der Domainregistrierung erfülle. Dennoch habe die IANA im Rahmen der internationalen Internet Governance eine starke symbolische Bedeutung, die sie potenziell zum Spielball politischer Interessen und Konflikte mache.
Grundsätzliche Reform von ICANN nicht erforderlich
Hans Peter Dittler, Präsident der deutschen Abteilung der Internet Society (ISOC), wies darauf hin, dass es keinen Grund für eine grundsätzliche Neupositionierung der ICANN gebe. „Was die IANA derzeit leistet, beschränkt sich auf eine bessere Datenbankfunktion“, so der Berater weiter. Die Übertragung der IANA-Funktionen dürfe nicht mit Rufen nach einer umfassenden Reform von ICANN vermengt werden.
„Man sollte bei der Diskussion nicht außer Acht lassen, dass die USA bislang nie als Störfaktor aufgefallen sind“, erklärte Thomas Rickert den Teilnehmern. „Auch wenn in der Vergangenheit Entwicklungen nicht mit den Interessen der USA übereinstimmten – wie beispielsweise bei der Einführung der Top-Level-Domain .xxx – wird jeder Beitrag in einem öffentlichen und transparenten Prozess berücksichtigt“, so der eco Director Names & Numbers weiter.
Reformprozess bietet Chance für Multistakeholder-Modell
Weitgehende Einigkeit unter allen Teilnehmern herrschte darüber, dass der aktuelle Reformprozess eine große Chance zur Etablierung eines starken Multi Stakeholder Modells biete, in dem sich Vertreter von Regierungen, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Interessenverbänden gleichberechtigt über Fragen der Internet Governance abstimmen. Wolf-Ulrich Knoben, Mitglied der IANA Transition Stewardship Co-ordination Group bei ICANN, gab einen Überblick, wie derzeit Vorschläge für die mögliche Ausgestaltung gesammelt und aggregiert werden.
„Eine gewisse Aufsicht über ICANN ist natürlich nötig“, so Kleinwächter, „aber an die Stelle der US-Regierung darf kein zwischenstaatliches Gremium treten.“ Sonst, so Kleinwächter weiter, werde die Zuweisung jeder neuen Top-Level-Domain zu einem Politikum. Die Kunst bestehe darin, eine direkte Regierungsbeteiligung zu vermeiden und zugleich einen stabilen Kontrollmechanismus zu finden.
Auch eco setzt sich bereits seit Jahren weltweit für eine Stärkung des Multistakeholder Dialogs für ein offenes, sicheres und freies Internet ein und begleitet den Diskussionsprozess. Schließlich, so eco-Vorstandsmitglied Oliver Süme, sei das ICANN-Modell weltweit das einzige Beispiel für eine seit fast 20 Jahren funktionierende Selbstverwaltung einer global bedeutenden Ressource.
Hubert Schöttner vom Bundeswirtschaftsministerium und deutscher Vertreter im Regierungsbeirat GAC bei der ICANN bestätigte, dass auch die Bundesregierung das Multistakeholder Modell in der Internet Governance weiter stütze. Ein abgestimmter deutscher Vorschlag der Bundesregierung zur Neuorganisation der ICANN liege bisher zwar noch nicht vor, allerdings müsse die Diskussion geführt werden, welche Rolle nationale Regierungen künftig innerhalb der ICANN spielen sollten. Auch müsse sichergestellt werden, dass die ICANN in Zukunft nicht von einer Interessengruppe dominiert werde. Die deutsche Bundesregierung wolle hier weiter mitarbeiten und eine beratende Funktion übernehmen.
Die Einreichungsfrist für Vorschläge zur Neuorganisation der IANA endet am 15. Januar 2015. Auch eco wird sich mit einer gemeinsamen Position der deutschen Internetwirtschaft in diesen Beratungsprozess mit einbringen. Das nächste ICANN-Meeting findet vom 12. bis 16. Oktober in Los Angeles statt. Über den weiteren Verlauf der Verhandlungen und Ergebnisse wird eco berichten.
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