Was planen die Bundestagsparteien für die nächste Legislaturperiode in Sachen IT-Sicherheit? Wie geht es weiter mit der Vorratsdatenspeicherung? Wie soll Verschlüsselung künftig besser gefördert werden und welche Standards braucht es bei der Produktsicherheit?
Diese Fragen standen im Fokus des vierten und letzten Netzpolitischen Parteienchecks, zu dem eco in Kooperation mit dem Medienpartner WirtschaftsWoche am Dienstag, den 20. Juni 2017, ins Microsoft Atrium geladen hatte.
Auf dem Podium stellten sich dieses Mal Saskia Esken (SPD), Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Thomas Jarzombek (CDU/CSU) und Petra Sitte (Die Linke) den fünf schnellen Fragerunden zum Thema Vertrauen & Sicherheit im Netz. Die Perspektive der Internetwirtschaft ergänzte eco Vorstand Prof. Dr. Norbert Pohlmann.
Die wichtigsten Partei-Positionen aus allen fünf Fragerunden kurz zusammengefasst:
Datenschutz
- Saskia Esken MdB, SPD: „Datenschutz und Dateninnovation muss man nicht in einen Ausgleich bringen, weil Datenschutz eine gute Grundlage für Dateninnovation ist. Datenschützer sollten sich nicht länger als Verhinderer missbrauchen lassen, sondern künftig auch stärker in die Rolle der Beratung gehen wie man im Rahmen unserer hohen Datenschutzstandards auch Dateninnovation umsetzen kann.“
- Konstantin von Notz MdB, Bündnis 90/Die Grünen: „Die Währung der nächsten Jahre im Netz wird das Vertrauen sein und ohne Vertrauen in Datensicherheit und Datenschutz werden wir die Innovationsleistung und die Hoffnungen, die wir in das Netz und das Digitale projizieren nicht erfüllen. Die Bundesregierung ist beim Thema Verschlüsselung auf dem komplett falschen Weg, Die Gesetzgebung, die jetzt hier in der letzten Schlaufe wenige Wochen vor Toresschluss durchs Parlament geht, ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Sie bohrt das Vertrauen auf.“
- Thomas Jarzombek MdB, CDU/CSU: „Es war uns wichtig, dass wir möglichst wenig nationale Sonderwege gehen. Uns ist für die Weiterentwicklung aber auch wichtig, dass wir das Thema Datenschutz und Dateninnovationen in einen Ausgleich bringen und deshalb möchte die CDU gerne im Sinne von Gewicht und Gegengewicht bei den Datenschutzbeauftragten neben den Säulen für Datenschutz und Informationsfreiheit auch eine Säule für Dateninnovation machen.“
- Petra Sitte MdB, Die Linke: „Wenn es um konkrete Regelungsinhalte geht, dann befürworten wir beispielsweise auch datenschutzfreundliche Voreinstellungen, also Privacy by Default, oder klare Schutzvorschriften, beispielsweise vor staatlicher Überwachung.“
Staatliche Überwachung
- Saskia Esken MdB, SPD: „Wannacry ist durchaus ein Zero Day Exploit gewesen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir keine staatliche Einrichtung damit beauftragen dürfen, solche Sicherheitslücken offenzuhalten und geheim zu halten.“
- Konstantin von Notz MdB, Bündnis 90/Die Grünen: „Der Staat ist der krasseste Hacker von allen. Ich finde es ist unvertretbar, dass der Staat in diesen rechtlichen Graubereich reingeht und wir brauchen hier dringend Korrekturen. Das BND Gesetz wie es die große Koalition in dieser Legislaturperiode gemacht hat, ist das genau nicht und ich sage der nächste Skandal wird auf jeden Fall kommen und der nächste Whistleblower auch. Die Abgründigkeiten staatlichen Hackens gehen weit über Snowden hinaus.“
- Thomas Jarzombek MdB, CDU/CSU: Das, was die Amerikaner machen, wollen wir ausdrücklich nicht. Wir wollen nicht alle Verkehre anlasslos überwachen. Sondern nur im Einzelfall mit richterlichem Vorbehalt. Wir wollen keine Verschlüsselung schwächen und wir wollen auch keine Backdoors in irgendwas einbauen. Die Behörde ZITIS ist nur dafür da, in Fällen, wo es wirklich einen Gefährder gibt und einen entsprechenden richterlichen Beschluss, Zugang zu seinen Geräten zu bekommmen um an der Quelle, also per Trojaner, zu gucken, was der für Nachrichten schreibt.“
- Petra Sitte MdB, Die Linke: „Das BND Gesetz würden wir gerne zurücknehmen. Wir haben eine ablehnende Haltung gegenüber Geheimdiensten und betrachten diese in ihrer aktuellen Aufstellung auch als Fremdkörper in der Demokratie.“
Vorratsdatenspeicherung
- Saskia Esken MdB, SPD: Ich habe der VDS nicht zugestimmt, weil sie einen weitreichenden Eingriff in die Grundrechte bedeutet und in der Wirkung nicht das bringt, was sie soll. Aus den gleichen Gründen werde ich auch der geplanten Quellen-TKÜ nicht zustimmen können.“
- Konstantin von Notz MdB, Bündnis 90/Die Grünen: „Es ist der komplette Wahnsinn, dass man Gesetze die verfassungsrechtlich so fragwürdig sind, einfach mal in den deutschen Bundestag bringt und sagt, ‚naja dann klagt halt dagegen‘. Das ist auch aus parlamentarischer Sicht hochproblematisch.“
- Thomas Jarzombek MdB, CDU/CSU: „Die CDU steht zu der VDS. Mit der aktuellen Fassung kann ich gut leben, aber mehr als das darf es auch nicht werden.“
- Petra Sitte MdB, Die Linke: „Wir haben immer die VDS als unverhältnismäßige Form der Massenüberwachung verstanden und uns immer bestätigt gesehen durch das Urteil des EugH und wir würden dieses Gesetz in der nächsten Legislaturperiode gerne auf den Prüfstand stellen.“
Verschlüsselung
- Saskia Esken MdB, SPD: „Wir müssen schon ehrlich sagen, die Terrorabwehr ist heute bereits in dem Rahmen mit Telekommunikationsüberwachung möglich. Und das, was jetzt im Gespräch ist, bedeutet eine Aufweitung in Richtung eines Straftatenkatalogs, der vom Bundesverfassungsgericht mit Sicherheit nicht abgedeckt ist, und das ist ein Ding, das können wir so nicht durchgehen lassen.“
- Konstantin von Notz MdB, Bündnis 90/Die Grünen: „Verschlüsselung ist die Antwort auf sehr viele Probleme, die wir haben. Funktioniert aber nur, wenn sie zusammen geht mit der Idee, dass der Staat eine verfassungsrechtliche Gewährleistungspflicht für die Integrität der digitalen Infrastruktur hat. Wenn ich Verschlüsselung aufbreche, dann reiße ich mit dem Hintern ein, was ich vorne versucht habe aufzupuzzlen. Ich glaube, dass wird nicht durchtragen.“
- Thomas Jarzombek MdB, CDU/CSU: „Unser Ziel ist Ende-zu-Ende Verschlüsselung und wir sind der Meinung: Der Staat darf Ende-zu-Ende Verschlüsselung nicht stören und das ist bis heute Handlungsmaxime gewesen. Zur Überwachung bekannter Gefährder ist der Weg über die TKÜ Quellenüberwachung mit richterlicher Anordnung die grundrechtsschonende Variante aller Eingriffe.“
- Petra Sitte MdB, Die Linke: „Der Staat muss hier auch selber in die Vorleistung gehen. Das bedeutet auch, dass die Kommunikation mit Behörden beispielsweise sichergestellt werden muss, dass die Möglichkeit verschlüsselter Emails etc. dann gewährleistet wird.“
Produktsicherheit
- Saskia Esken MdB, SPD: „IT-Sicherheit ist nicht nur Technologie, sondern es geht auch um IT-sicheres Verhalten und IT-sichere Verfahren in den Unternehmen und staatlichen Institutionen und da gehört der Faktor Mensch mit dazu. Produktsicherheit ist im IOT eine Weiterentwicklung, die wir brauchen, die wir aber im Sinne von Produkthaftung sicher eher auf europäischer Ebene lösen und entwickeln wollen als das auf nationaler Ebene nötig ist. Wir wollen mit einem freiwilligen Gütesiegel in das Thema einsteigen.“
- Konstantin von Notz MdB, Bündnis 90/Die Grünen: „Wir haben bislang die Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit dieser (digitalen) Infrastruktur nur sehr unterkomplex beleuchtet. Ich glaube insbesondere für Deutschland könnte eine Stärke daraus entstehen, dass man bestimmt hohe Standards festschreibt.“
- Thomas Jarzombek MdB, CDU/CSU: „Mir ist ein Gütesiegel zu wenig. Wir brauchen einen Mindeststandard, den Produkte erfüllen müssen und zwar nicht optional, sondern zwingend wie das CE-Siegel, wir brauchen darüber hinaus eine klare Angabe, wo die Hersteller gezwungen werden, wie lange sie Sicherheitsupdates für Geräte zur Verfügung stellen müssen.“
- Petra Sitte MdB, Die Linke: „Der Mensch ist die größte Schwachstelle im System. Wir werden auf europäischer Ebene Standards für Produktsicherheit entwickeln müssen.“
Weitere Eindrücke des Abends finden Sie in unserer Bildergalerie.
Die Ergebnisse des Netzpolitischen Parteienchecks werden wir beim Netzpolitisches Forum am 5. September 2017 präsentieren und gemeinsam mit hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft diskutieren.