Was war die schönste, beeindruckendste Erfahrung, die Sie in Ihrer Zeit als Digitaler Nomade gemacht haben?
Harald A. Summa: Rückblickend waren wir acht Wochen in den USA. Dabei haben wir ein Gefühl entwickelt, das uns als Teil des öffentlichen Lebens hat werden lassen. Wir haben dort gelebt! Waren nicht nur zu Besuch. Wir haben einige Menschen kennengelernt, können viele Bekannte jetzt besser verstehen. Mein Bild des Amerikaners hat sich verändert oder besser gesagt: verfeinert und ausdifferenziert. Amerika ist ein hartes Pflaster. Leben und Überleben stehen im Vordergrund, als Privatperson und als Unternehmen und Unternehmer. Sehr viele Dinge laufen einzig und alleine über den Preis. Oft sind Beziehungen freundlich, aber mit einem wirtschaftlichen Focus. Das Arbeitsleben ist von Hierarchie geprägt: „Do what I want“, top-down von oben nach unten. Natürlich mit Ausnahmen, aber so ist das Grundprinzip. Aus vielen Gesprächen mit Menschen, speziell aus Deutschland, die längere Zeit in den USA gelebt und gearbeitet haben, kenne ich die Aussage: Ein, zwei Jahre sind genug, dann wollte ich wieder zurück in meine Heimat. Ich kann die Aussage jetzt nachvollziehen, ohne dafür einzelne Gründe in den Vordergrund stellen zu müssen, sondern es ist das Gesamtgefühl, das sich auch mir in den USA ergeben hat.
Rush Hour in New York
Leben als digitaler Nomade: Ist das für jeden was? Wem würden Sie das ortsunabhängige Arbeiten von den schönsten Plätzen der Welt empfehlen?
Summa: Leben und arbeiten im Ausland sollte für jeden Menschen, der etwas aus seinem Leben machen will, eine Pflichtstunde sein. Junge Menschen haben heute die Möglichkeit, an jeden Zipfel der Welt für kleines oder größeres Geld zu reisen. Aber, sie sind dann nur Reisende. Das erweitert den Horizont in alle Himmelsrichtungen, aber es ist etwas anderes im Ausland zu arbeiten. Sich einzubringen in einen anderen Alltag, sich auseinanderzusetzen mit anderen Kulturen, Geschäftsgebahren und Menschen. Eigentlich ist ein Nomade auch ein Reisender, nicht Seßhafter. Wenn ich den Digitalen Nomaden so interpretiere, dann bin ich dann doch kein Digitaler Nomade, da ich eine Heimat, eine Bezugspunkt in meinem Arbeitleben habe, an den ich immer wieder zurückkehren kann, wenn ich will. Aber, um die Antwort auf den Punkt zu bringen: Wer aus seinem Leben etwas machen will, kann und sollte als Digitaler Wanderer die Welt erkunden. Die Technik macht es möglich! Ob jeder in der Lage ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, steht auf einem anderen Blatt.
Ein Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die Arbeitswelt weiterentwickeln? Werden noch mehr Menschen vollkommen ortsunabhängig arbeiten und welche Folgen hat das?
Summa: Die Arbeitswelt wird sich ortsunabhängiger entwickeln. Insbesondere unter der derzeitigen Klimadiskussion wird uns am Ende auch nicht viel mehr übrig bleiben. Milliarden von täglichen Pendlern sind nicht gut für das Klima. Ein digitales Umfeld ermöglicht das Arbeiten in der Eifel, genauso wie in der Karibik. Für Individualisten das perfekte Szenario. Doch für die Mehrzeit? Meine Erfahrung ist, ortsungebundenes Arbeiten geht als Satellit. Es braucht aber immer einen Heimatplaneten eine Base Station. Der muss eine intakte soziokulturelle Einheit bilden, sonst fehlt die emotionale Bindung und wir werden zur reinen Arbeitskraft, zum funktionierenden Wirtschaftssubjekt. Aus Freude an der Arbeit, wird Arbeit fürs Überleben.
Heim auf Rädern
Vielen herzlichen Dank für das Interview!
Zum ersten Teil der Interview-Reihe
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