04.03.2013

polITalk am 27.02.2013

 

 

Cloud Computing und Rechenzentren: Großes Potenzial bleibt ungenutzt

Diese Problemfelder skizzierte eco-Vorstandsvorsitzender Prof. Michael Rotert in seiner Begrüßung. Anschließend umriss Andreas Weiss, Direktor von EuroCloud, die wirtschaftliche Tragweite derFrage: Allein der Bereich Cloud Computing, also die Bereitstellung skalierbarer, standardisierter IT-Services, eröffne gewaltige Potenziale für den Mittelstand, weit über die IT-Branche hinaus.Weltweit würden Betriebe bis 2014 voraussichtlich rund 115 Milliarden Euro durch die Nutzung von Cloud Services einsparen. Auf Deutschland entfielen davon mit 3,6 Milliarden allerdings nur einBruchteil. Das große Potenzial gerade für mittelständische Unternehmen, etwa in den Bereichen Entwicklung und Beratung, liege brach. Diese Skepsis gepaart mit der Abwanderung der für den Betriebnotwendigen Rechenzentren schaffe das Risiko, dass Deutschland sich von der Entwicklung dieses Zukunftsmarktes abkoppele.

„Standortkosten in Deutschland gefährden Wirtschaftstreiber Rechenzentrum“
 
Die Bedeutung der Rechenzentren erläuterte im zweiten Referat Peter Knapp, Geschäftsführer des europaweit tätigen Rechenzentrumsbetreibers Interxion. Er verglich die wirtschaftliche Funktion vonRechenzentren mit einem Flughafen: Dort würden als Kernzweck Fluggäste und Gepäck von einem Carrier an einen anderen übermittelt – ähnlich dem Datenaustausch in der digitalen Welt. Allerdingssiedelten sich an Flughäfen zahlreiche weitere Betriebe an, die Services für Reisende und Unternehmen bieten, so dass ein Knotenpunkt von insgesamt deutlich größerer Vielfalt und Wirtschaftskraftentstehe. Die gleiche Wirkung hätten erfahrungsgemäß Rechenzentrumscluster – den Daten folgten üblicherweise bald Niederlassungen der Unternehmen, welche die Rechenzentren nutzen, mithochqualifizierten Arbeitsplätzen. Nukleus dieser positiven Entwicklung seien aber hochwertige Rechenzentren – der Aufbau eines neuen Zentrums in Deutschland verschlänge zwischen 11.000 und 12.000€ pro Quadratmeter.

Problematisch für den Erfolg der Branche in Deutschland seien nicht die Anfangsinvestitionen: Bei einem jährlichen Umsatz von einer Million Euro pro Quadratmeter bestehe die Möglichkeit zumkostendeckenden Wirtschaften. Tatsächlich sei mit einem jährlichen Branchenwachstum von zehn bis 20 Prozent zu rechnen. Heikler sei es, wenn die hohen Betriebskosten die Marge aufzehren –insbesondere wenn Wettbewerber im europäischen Ausland die gleiche Dienstleistung zu deutlich geringeren Kosten anbieten könnten. Energie beispielsweise sei in den Niederlanden nach Steuern undAbgaben nur halb so teuer, bei einem insgesamt vergleichbaren Niveau der Infrastruktur. Da die Energiekosten die Hälfte der Betriebskosten ausmachten, könnten Daten in Amsterdam – 4 Millisekundenvon Deutschland entfernt – um ein Viertel günstiger verarbeitet werden. Nach Einschätzung der Branchenexperten flössen deshalb jedes Jahr Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro anDeutschland vorbei. Um den Anschluss an den internationalen Markt nicht zu verlieren, sei die Branche deshalb aufgeschlossen für die Kooperation bei intelligenten Förderungsmodellen: beispielsweiseeine Kopplung von Entlastungen an die Entwicklung ökologisch sinnvoller, stromsparender Technik. Eine Lösung in diese Richtung würden die Rechenzentrumsbetreiber mit einer Selbstverpflichtungunterstützen.

Konkurrenzfähigkeit: Ein Problem, viele Ansätze

Im Anschluss an die Impulsvorträge diskutierten Vertreter von vier Bundestagsfraktionen Lösungsansätze für die verschiedenen Problemkreise: Gerd Simon, Leiter der eco-Kompetenzgruppe Innovation,moderierte das Gespräch zwischen MdB Claudia Bögel (FDP), MdB Thomas Jarzombek (CDU), MdB Lars Klingbeil (SPD) und MdB Dr. Thomas Lindner (Bündnis ´90/Die Grünen).

Glasfaserversorgung als Standortmerkmal, Energiekostendeckel für Konkurrenzfähigkeit

Jarzombek sah niedrige Kosten nicht als einzig wichtiges Argument für Investoren. Deutschland biete zahlreiche weitere Vorteile wie verlässliche Rahmenbedingungen und ein hohes Datenschutzniveau.Nach der anstehenden

europaweiten Standardisierung des Datenschutzniveaus gebe es auch in Deutschland die Möglichkeit, dass große Player heranwüchsen, da es dann einen großen Markt mit denselben Mindestanforderungengebe. Eine staatliche Ausbauförderung der digitalen Infrastruktur sei hingegen schwierig zu realisieren. Besser sei es, möglichst große Frequenzbereiche für die Breitbandversorgung über Funkschnellstmöglich freizugeben. Zudem sollte in den Ballungsräumen in zehn Jahren die Glasfaserversorgung bis ins Gebäude hinein erreicht werden. Zur Förderung innovativer Geschäftsideen vertrat er dieAnsicht, dass Steuererhöhungen für Förderer vermieden und ein Engagement institutioneller Anleger ermöglicht werden sollte. Hinsichtlich der Energiekosten sei es sinnvoll, einen durch dasErneuerbare-Energien-Gesetz verursachten Kostenanstieg zu begrenzen. Von der Information, dass das Stromsteuergesetz keine Steuererleichterung für Rechenzentren vorsieht, zeigte Jarzombek sich ebensowie die anderen Teilnehmer der Runde überrascht.

„Wir brauchen eine Förderung für Gründer – und Mut zum Scheitern.

Klingbeil verwies auf einen fraktionsübergreifenden Konsens der Netzpolitiker, dass digitale gleichberechtigt zur klassischen Infrastruktur begriffen werden müsse. Flächendeckendsollte deutschlandweit schnellstmöglich eine

Breitband-Grundversorgung von 6 bis 8 MBit/s sichergestellt werden. Hinsichtlich der Förderung neuer großer Player sah er ebenfalls große Chancen in der europäischen Datenschutznovelle. Zudem spracher sich für die Förderung

für Gründer und qualifizierte Zuwanderer aus. Auch hätten Banken die Aufgabe, neue Geschäftsideen zu fördern. Zudem fehle eine in anderen Ländern selbstverständliche „Kultur des Scheiterns“, dieMisserfolge als wichtige

Erfahrungen statt als Makel wahrnehme. Bezüglich der Energiekosten sehe er Deutschland in einem Zielkonflikt: Die Energiewende sei gesellschaftlich gewollt, sei aber unvermeidbar mit höheren Kostenverbunden. Zur Abfederung

unverhältnismäßiger Belastungen gebe es ja Ausnahmeregelungen – diese müssten aber offensichtlich überprüft werden, wenn Rechenzentren nicht darunter fielen. Einen Strompreiswettbewerb mit demAusland werde Deutschland aber wohl nicht gewinnen. Dennoch müsse man eine Lösung finden, denn nicht nur die Internetwirtschaft wird weiterhin stark wachsen, sondern auch die klassischenIndustriezweige werden sich durch die Digitalisierung massiv verändern.

Preistreiber EEG bedroht Internetwirtschaft und Mittelstand

Bögel, die mittelstandspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, sprach sich klar gegen einen staatlich gelenkten Breitbandausbau aus. Es sei allerdings möglich, über gezielte Förderungen,beispielsweise durch die KfW, die Anbindung außerhalb der Ballungsräume attraktiver zu machen. Zudem gebe es noch gar keine Anwendungen, die Bandbreiten um die 50 MBit/s wirklich notwendig machten.Zur Förderung der Gründerkultur verwies sie auf die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, um das Land attraktiver für qualifizierte Zuwanderer zu machen. Es sei weiterhin wichtig, in den eigenenBildungseinrichtungen früh das Interesse für IT zu wecken. Allerdings gebe es tatsächlich ein Mentalitätsproblem in Deutschland. Zur Energiekostenfrage sprach Bögel sich für eine vollständigeAbschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus, da es nur Preise in die Höhe treibe und so den Mittelstand bedrohe.

Förderung zahlt sich national aus: IT-Branche prägt andere Wirtschaftszweige

Lindner lenkte den Blick darauf, dass die Entwicklung der IT-Branche auch die Geschäftsmodelle vieler anderer Wirtschaftszweige massiv verändern wird. Entsprechend müsse die Forschung in diesenGebieten gefördert werden, um auf Höhe der Zeit zu bleiben. Zudem sei ein umfassendes Konzept zur Datenpolitik notwendig, das neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch andereNotwendigkeiten berücksichtige. Ein für den digitalen Erfolg notwendiger Breitbandausbau sei auch als Universaldienst vorstellbar – dies heiße allerdings nicht, dass ein staatliches Monopolgeschaffen würde. Bezüglich des Aufbaus großer Player müsse eine Lösung dafür gefunden werden, einerseits Wagniskapital bereit zu stellen, andererseits eine Finanzmarkt-Blasenbildung in derGründerfinanzierung zu vermeiden. Die hohen Energiekosten sah auch Lindner als Problem und forderte eine neue Prüfung der Förderkriterien, da die aktuelle Regelung offensichtlich den Zweck verfehle,die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

Konsens:

Stromkostenerleichterung für Rechenzentren ein Muss

Alle Politikvertreter nahmen als neue Information aus dem Gesprächsverlauf mit, dass Rechenzentren nach jetziger Gesetzeslage keine Stromkostenerleichterung erhalten können, obwohl dieEnergiekosten mehr als die Hälfte der Betriebskosten ausmachen. In der anschließenden offenen Diskussionsrunde sprachen sich alle vier dafür aus, das Thema in die Agenda ihrer Fraktioneneinzubringen.

Fotos polITalk

18:00 Einlass / Registrierung
18:15 Begrüßung

Prof. Michael Rotert

Vorstandsvorsitzender, eco e.V.

18:30 Die Rolle der Rechenzentren als Garant des (industriellen) Strukturwandels

Peter Knapp

Geschäftsführer, Interxion Deutschland GmbH

18:45 Cloud Computing: Wie erhalten wir Wertschöpfung in Deutschland?

Andreas Weiss

Direktor EuroCloud Deutschland_eco e.V.

19:00 Diskussionsrunde mit

  • Claudia Bögel, Mitglied des Bundestages

    Sprecherin für den Mittelstand der FDP-Bundestagsfraktion

  • Lars Klingbeil, Mitglied des Bundestages

    Netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

  • Dr. Tobias Lindner, Mitglied des Bundestages

    Sprecher für Wirtschaftspolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

  • Thomas Jarzombek, Mitglied des Bundestages

    Mitglied im Unterausschuss Neue Medien für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Moderation:

Gerd Simon

Kompetenzgruppenleiter Innovation eco e.V.

Anschließend Get Together mit Drinks & Fingerfood