17.11.2023

Ampel-Halbzeitbilanz: Stop-and-Go statt ambitionierter Digitalpolitik

eco macht den netzpolitischen 12-Punkte-Check und fordert Ende der Verantwortungsdiffusion

eco Vorstandsvorsitzender Süme: „Dem Projekt Digitales Deutschland fehlt ein:e Gesamtprojektleiter:in“

• In elf von zwölf digitalpolitischen Themenfeldern sieht eco nur mäßige bis gar keine Fortschritte.

• Rote Ampel in den Bereichen digitalpolitische Zuständigkeit, Vorratsdatenspeicherung und digitale Bildung

• Grünes Licht im Bereich Datenpolitik

• Civey-Umfrage bestätigt netzpolitische Baustellen aus Bevölkerungssicht: Viele Bürger:innen sehen besondere Dringlichkeit bei Cybersicherheit (48,1 %), digitaler Verwaltung (47,9 %) und dem Ausbau digitaler Infrastrukturen (44,1 %)

Der 12-Punkte-Check im Überblick

Berlin, 17. November 2023 - Nach rund zwei Jahren Ampel-Koalition zieht eco – Verband der Internetwirtschaft eine durchwachsene Bilanz hinsichtlich der digitalpolitischen Fortschritte. In drei von zwölf im Rahmen des eco Ampelchecks untersuchten digitalpolitischen Handlungsfeldern steht die Ampel aus Sicht des Verbands auf Rot, d.h. es ist keine positive Entwicklung im Vergleich zu den entsprechend im Koalitionsvertrag formulierten Zielen erkennbar. Dies betrifft die Bereiche digitalpolitischer Zuständigkeiten, digitaler Bildung und Vorratsdatenspeicherung. Gelbes Licht gibt es in weiteren acht Handlungsfeldern. Lediglich im Bereich der Datenpolitik sieht eco die Digitalpolitik der Ampel-Koalition aktuell im grünen Bereich.

„Die Verantwortungsdiffusion und Zersplitterung der digitalpolitischen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung bringt die digitale Transformation in Deutschland zunehmend ins Stocken“, sagt eco Vorstandsvorsitzender Oliver Süme. „Statt ambitionierter Digitalpolitik erleben wir nach zwei Jahren Ampelregierung allenfalls ein Stop-and-Go.“

Es fehle an einer zentralen Instanz, die die Gesamtkoordination des Projekts Digitales Deutschland übernehme, um bestehende netzpolitische Baustellen noch in dieser Legislaturperiode systematisch zu beheben, so Süme weiter. „In Unternehmen und eigentlich in jeder Organisation ist es üblich, dass man größere Projekte durch eine:n Projektleiter;in steuern lässt, der oder die sicher nicht alle Aufgaben selbst erledigt, aber eben den Gesamtüberblick behält und die beteiligten Akteure steuert. Es dürfte unstrittig sein, dass die digitale Transformation ein mehr als komplexes Projekt ist. Insofern würde ich dazu raten, dass in der Bundesregierung endlich jemand die Federführung übernimmt, Ziele vorgibt, Prioritäten setzt und die Umsetzung von Teilprojekten überwacht. Ansonsten dürfte dieses Projekt eher früher als später gegen die Wand fahren“, sagt Oliver Süme.

 

Gelbes Licht in acht von zwölf netzpolitischen Kategorien

Mäßige digitalpolitische Fortschritte erkennt der Verband in acht von zwölf weiteren bewerteten Themenfeldern, die eco entsprechend mit gelb bewertet. Hierzu zählen die europäische und internationale Netzpolitik, der Ausbau digitaler Infrastruktur sowie Maßnahmen in den Bereichen Künstlicher Intelligenz, nachhaltiger Digitalisierung, Cybersicherheit, der Digitalen Verwaltung sowie New Work. Auch für die 2022 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Digitalstrategie vergibt der Verband nur ein gelbes Licht. „Zwar hat die Ampelkoalition einen Großteil der in der Digitalstrategie aufgegriffenen Projekte bereits begonnen, was durchaus positiv ist“, so Oliver Süme. „Insbesondere Vorhaben in den Bereichen Verwaltungsdigitalisierung, dem Ausbau digitaler Infrastrukturen und der Cybersicherheit muss die Ampel-Koalition jetzt jedoch dringend beschleunigen.“ Grundsätzlich begrüße der Verband die in der Digitalstrategie formulierten Hebelprojekte wie den Netzausbau, die Einführung einheitlicher technischer Normen und Standards sowie die Etablierung sicherer digitaler Identitäten.

Die Themenfelder im Überblick

  1. Digitalpolitische Zuständigkeiten
  2.  Digitalstrategie
  3. Europäische und internationale Netzpolitik
  4. Digitale Infrastruktur
  5. Künstliche Intelligenz
  6. Nutzung von Daten
  7. Cybersicherheit
  8. Vorratsdatenspeicherung
  9. Nachhaltige Digitalisierung
  10. Digitaler Staat
  11. Fachkräfte / New Work
  12. Digitale Bildung

Grünes Licht für Datenstrategie & Data Act

Lediglich in einer Kategorie hat eco grünes Licht für die bisherigen netzpolitischen Fortschritte der Bundesregierung vergeben: Der Nutzung von Daten. Zu dieser Einschätzung kommt der Verband aufgrund der im August dieses Jahres beschlossenen Datenstrategie und dem Data Act, der auf EU-Ebene den Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten verbessert hat. Zudem plant die Ampelregierung für 2024 die Gründung eines Dateninstituts. Auch das Recht auf Open Data auf Bundesebene bewertet Süme als positiv, mahnt gleichzeitig jedoch: „Die vielen Einzelregelungen auf Länder-Ebene bleiben weiterhin ein Problem. Für einen echten Mehrwert braucht es eine Verzahnung mit der KI-Strategie.“

 

Civey-Befragung: Deutsche bewerten Cybersicherheit als dringlichste Ampel-Aufgabe

Neben dem netzpolitischen 12-Punkte-Check hat eco das dritte Jahr in Folge eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegeben. Bei der Frage, welche Themenbereiche die Ampelregierung am dringlichsten angehen sollte, gab knapp die Hälfte der Bevölkerung wie schon 2022 den Bereich Cybersicherheit an (48,1 Prozent).* „Militärische Konflikte, der Klimawandel und die Pandemie: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Menschheit wiederholt und langfristig großer Unsicherheit und Krisen stellen muss“, sagt Süme. „Besonders jetzt muss die Ampel Resilienz und eine starke Cybersicherheit sicherstellen.“ Knapp hinter dem Bereich Cybersicherheit sehen 47,9 Prozent der Befragten zudem die Verbesserung Digitaler Verwaltung als besonders dringlich an. An dritter Stelle steht der Ausbau digitaler Infrastruktur mit 44,1 Prozent.

 

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Süme: „Ampel darf digitalpolitische Koalitionsziele nicht aus den Augen verlieren“

Nicht viel besser steht es auch um die Punkte, die bei der Civey-Umfrage im Mittelfeld liegen. Knapp ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr Datenschutz im Internet (29,9 Prozent); knapp ein Viertel mehr Digitalisierung in der Bildung (23,9 Prozent). Weitere 15,5 Prozent sehen die Förderung von Zukunftstechnologien wie KI als besonders dringend an. Süme: „Die Bundesregierung darf ihre im Koalitionsvertrag gesetzten ambitionierten digitalpolitischen Ziele jetzt nicht aus den Augen verlieren. Statt Stau bei der Netzpolitik brauchen wir jetzt freie Fahrt für die Digitalisierung.“

* Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat im Auftrag vom eco Verband in der Zeit vom 25. bis zum 27. Oktober 2023 rund 5000 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Einwohner:innen der BRD ab 18 Jahren. Der statistische Fehler liegt bei 2,5 Prozent. Die Befragung im Jahr 2022 wurde im Zeitraum vom 9. Oktober bis 8. November durchgeführt. Die Befragung im Jahr 2021 vom 2. bis zum 29. September. Auch hier lag die Anzahl der befragten Personen bei rund 5000. Der statistische Fehler betrug ebenfalls 2,5 Prozent.

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