eco macht den netzpolitischen 12-Punkte-Check und fordert Ende der Verantwortungsdiffusion
• eco Vorstandsvorsitzender Süme: „Dem Projekt Digitales Deutschland fehlt ein:e Gesamtprojektleiter:in“
• In elf von zwölf digitalpolitischen Themenfeldern sieht eco nur mäßige bis gar keine Fortschritte.
• Rote Ampel in den Bereichen digitalpolitische Zuständigkeit, Vorratsdatenspeicherung und digitale Bildung
• Grünes Licht im Bereich Datenpolitik
• Civey-Umfrage bestätigt netzpolitische Baustellen aus Bevölkerungssicht: Viele Bürger:innen sehen besondere Dringlichkeit bei Cybersicherheit (48,1 %), digitaler Verwaltung (47,9 %) und dem Ausbau digitaler Infrastrukturen (44,1 %)
Der 12-Punkte-Check im Überblick
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Digitalpolitische Zuständigkeiten
Die Zersplitterung der Digitalthemen vergangener Wahlperioden setzt sich auch in der Ampel fort. Statt Verantwortungsdiffusion braucht es ein starkes Digitalministerium, das ressortübergreifend agiert und die Federführung in den strategisch relevanten Digitalisierungsvorhaben Deutschlands übernimmt.
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Digitalstrategie
2022 hat die Ampel eine neue Digitalstrategie vorgelegt. Zwar wurde ein Großteil der darin inkludierten Projekte bereits begonnen. Doch müssen insbesondere Vorhaben in den Bereichen Verwaltungsdigitalisierung, Ausbau digitaler Infrastrukturen und Cybersicherheit beschleunigt werden. Auch bestehen Umsetzungsdefizite im Bereich Digitale Bildung. .
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Europäische und internationale Netzpolitik
Das BMDV veröffentlichte einen Entwurf für die internationale Digitalstrategie als Basis für stärkeres Engagement auf internationaler Ebene. Die finale Ausgestaltung bleibt abzuwarten. Der Referentenentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung wurde durch das Bundeskabinett beschlossen. Das Gesetzgebungsvorhaben Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) ist positiv zu bewerten. Klärungsbedarf besteht bei der Rolle der BNetzA als Digital Services Coordinator.
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Digitale Infrastruktur
Die Ampel verhandelt aktuell das Verbot von chinesischen Komponenten in 5G-Netzinfrastrukturen. Ein pauschales Verbot ohne geeignete Übergangslösung könnte den Netzausbau verzögern, Kosten erheblich erhöhen und die Versorgungssicherheit gefährden. Laut BMDV wurden Stand Juli 2023 bereits 1/3 der Vorhaben der Gigabitstrategie umgesetzt. Ein Entwurf des TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetzes wurde Ende August an Länder und Verbände versandt.
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Künstliche Intelligenz
Neuer KI-Aktionsplan seitens des BMBF. Die Bundesregierung will sich bei der EU-KI-Verordnung für pragmatische Lösungen und gegen Überregulierung einsetzen. Es steht zu befürchten, dass die Koalition mit dem geplanten Beschäftigtendatenschutzgesetz zumindest für den Einsatz am Arbeitsplatz einen Sonderweg gehen könnte. Eine notwendige ganzheitliche Überarbeitung der KI-Strategie ist nicht geplant.
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Nutzung von Daten
Das Kabinett hat im August 2023 die Datenstrategie beschlossen. Das Recht auf Open Data auf Bundesebene ist positiv, allerdings bleiben die Einzelregelungen auf Länder-Ebene ein Problem. Die Gründung eines Dateninstituts ist geplant für 2024. Der Data Act verbessert den Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten.
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Cybersicherheit
Der Entwurf des KRITIS-Dachgesetz bietet einen nachvollziehbaren Rahmen für den Schutz kritischer Anlagen, steht jedoch im unklaren Verhältnis zu anderen relevanten Gesetzen wie NIS2. Inwieweit Sicherheitslücken künftig mit Unternehmen und Infrastrukturbetreibern geteilt werden, ist derzeit noch unklar.
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Vorratsdatenspeicherung
Nach den Urteilen des EuGH und BVerwG Leipzig sollte die Bundesregierung die VDS aufheben. Stattdessen führt sie weiter Debatten über VDS und Quick-Freeze. Das BKA forderte noch im Juni 2023 die Wiedereinführung von VDS; die BMI-Position bleibt unklar.
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Nachhaltige Digitalisierung
Das Energieeffizienzgesetz wurde im parlamentarischen Verfahren deutlich verbessert, weist jedoch weiterhin schwer zu erreichende Regelungen auf. Das Gesetz wurde im September 2023 verabschiedet. Eine Verzahnung mit Wärmeplanung ist noch nicht ausreichend gegeben.
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Digitaler Staat
Die Umsetzung des OZG bis Ende 2022 ist gescheitert. OZG 2.0 hat das Kabinett im Mai 2023 verabschiedet, bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Im Bereich der digitalen Identitäten ist der Status einiger Projekte unklar. Bei der Registermodernisierung erzielte die Ampel bzgl. der Nutzung der Steuer-ID als Ordnungsmerkmal / Personenkennziffer Fortschritte.
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Fachkräfte / New Work
Der Bundesrat hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Juli 2023 beschlossen. eco befürwortet das neue Gesetz, da es mehr Chancengerechtigkeit schafft und dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Das Mobile-Arbeit-Gesetz ist erneut in Vorbereitung. Der derzeitige Stand ist unklar.
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Digitale Bildung
Obwohl die Ampel mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Stärkung der digitalen Bildung gestartet ist, sind kaum Aktivitäten erkennbar. Der Digitalpakt 1.0 läuft im Mai 2024 aus. Der Status des Digitalpakts 2.0 ist unklar. Gleichzeitig fehlen im Koalitionsvertrag Punkte zur Förderung der Medienkompetenz.
Berlin, 17. November 2023 - Nach rund zwei Jahren Ampel-Koalition zieht eco – Verband der Internetwirtschaft eine durchwachsene Bilanz hinsichtlich der digitalpolitischen Fortschritte. In drei von zwölf im Rahmen des eco Ampelchecks untersuchten digitalpolitischen Handlungsfeldern steht die Ampel aus Sicht des Verbands auf Rot, d.h. es ist keine positive Entwicklung im Vergleich zu den entsprechend im Koalitionsvertrag formulierten Zielen erkennbar. Dies betrifft die Bereiche digitalpolitischer Zuständigkeiten, digitaler Bildung und Vorratsdatenspeicherung. Gelbes Licht gibt es in weiteren acht Handlungsfeldern. Lediglich im Bereich der Datenpolitik sieht eco die Digitalpolitik der Ampel-Koalition aktuell im grünen Bereich.
„Die Verantwortungsdiffusion und Zersplitterung der digitalpolitischen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung bringt die digitale Transformation in Deutschland zunehmend ins Stocken“, sagt eco Vorstandsvorsitzender Oliver Süme. „Statt ambitionierter Digitalpolitik erleben wir nach zwei Jahren Ampelregierung allenfalls ein Stop-and-Go.“
Es fehle an einer zentralen Instanz, die die Gesamtkoordination des Projekts Digitales Deutschland übernehme, um bestehende netzpolitische Baustellen noch in dieser Legislaturperiode systematisch zu beheben, so Süme weiter. „In Unternehmen und eigentlich in jeder Organisation ist es üblich, dass man größere Projekte durch eine:n Projektleiter;in steuern lässt, der oder die sicher nicht alle Aufgaben selbst erledigt, aber eben den Gesamtüberblick behält und die beteiligten Akteure steuert. Es dürfte unstrittig sein, dass die digitale Transformation ein mehr als komplexes Projekt ist. Insofern würde ich dazu raten, dass in der Bundesregierung endlich jemand die Federführung übernimmt, Ziele vorgibt, Prioritäten setzt und die Umsetzung von Teilprojekten überwacht. Ansonsten dürfte dieses Projekt eher früher als später gegen die Wand fahren“, sagt Oliver Süme.
Gelbes Licht in acht von zwölf netzpolitischen Kategorien
Mäßige digitalpolitische Fortschritte erkennt der Verband in acht von zwölf weiteren bewerteten Themenfeldern, die eco entsprechend mit gelb bewertet. Hierzu zählen die europäische und internationale Netzpolitik, der Ausbau digitaler Infrastruktur sowie Maßnahmen in den Bereichen Künstlicher Intelligenz, nachhaltiger Digitalisierung, Cybersicherheit, der Digitalen Verwaltung sowie New Work. Auch für die 2022 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Digitalstrategie vergibt der Verband nur ein gelbes Licht. „Zwar hat die Ampelkoalition einen Großteil der in der Digitalstrategie aufgegriffenen Projekte bereits begonnen, was durchaus positiv ist“, so Oliver Süme. „Insbesondere Vorhaben in den Bereichen Verwaltungsdigitalisierung, dem Ausbau digitaler Infrastrukturen und der Cybersicherheit muss die Ampel-Koalition jetzt jedoch dringend beschleunigen.“ Grundsätzlich begrüße der Verband die in der Digitalstrategie formulierten Hebelprojekte wie den Netzausbau, die Einführung einheitlicher technischer Normen und Standards sowie die Etablierung sicherer digitaler Identitäten.
Die Themenfelder im Überblick
- Digitalpolitische Zuständigkeiten
- Digitalstrategie
- Europäische und internationale Netzpolitik
- Digitale Infrastruktur
- Künstliche Intelligenz
- Nutzung von Daten
- Cybersicherheit
- Vorratsdatenspeicherung
- Nachhaltige Digitalisierung
- Digitaler Staat
- Fachkräfte / New Work
- Digitale Bildung
2 Jahre Ampel:
Digitalpolitischer 12-Punkte-Check
Grünes Licht für Datenstrategie & Data Act
Lediglich in einer Kategorie hat eco grünes Licht für die bisherigen netzpolitischen Fortschritte der Bundesregierung vergeben: Der Nutzung von Daten. Zu dieser Einschätzung kommt der Verband aufgrund der im August dieses Jahres beschlossenen Datenstrategie und dem Data Act, der auf EU-Ebene den Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten verbessert hat. Zudem plant die Ampelregierung für 2024 die Gründung eines Dateninstituts. Auch das Recht auf Open Data auf Bundesebene bewertet Süme als positiv, mahnt gleichzeitig jedoch: „Die vielen Einzelregelungen auf Länder-Ebene bleiben weiterhin ein Problem. Für einen echten Mehrwert braucht es eine Verzahnung mit der KI-Strategie.“
Civey-Befragung: Deutsche bewerten Cybersicherheit als dringlichste Ampel-Aufgabe
Neben dem netzpolitischen 12-Punkte-Check hat eco das dritte Jahr in Folge eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegeben. Bei der Frage, welche Themenbereiche die Ampelregierung am dringlichsten angehen sollte, gab knapp die Hälfte der Bevölkerung wie schon 2022 den Bereich Cybersicherheit an (48,1 Prozent).* „Militärische Konflikte, der Klimawandel und die Pandemie: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Menschheit wiederholt und langfristig großer Unsicherheit und Krisen stellen muss“, sagt Süme. „Besonders jetzt muss die Ampel Resilienz und eine starke Cybersicherheit sicherstellen.“ Knapp hinter dem Bereich Cybersicherheit sehen 47,9 Prozent der Befragten zudem die Verbesserung Digitaler Verwaltung als besonders dringlich an. An dritter Stelle steht der Ausbau digitaler Infrastruktur mit 44,1 Prozent.
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Süme: „Ampel darf digitalpolitische Koalitionsziele nicht aus den Augen verlieren“
Nicht viel besser steht es auch um die Punkte, die bei der Civey-Umfrage im Mittelfeld liegen. Knapp ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr Datenschutz im Internet (29,9 Prozent); knapp ein Viertel mehr Digitalisierung in der Bildung (23,9 Prozent). Weitere 15,5 Prozent sehen die Förderung von Zukunftstechnologien wie KI als besonders dringend an. Süme: „Die Bundesregierung darf ihre im Koalitionsvertrag gesetzten ambitionierten digitalpolitischen Ziele jetzt nicht aus den Augen verlieren. Statt Stau bei der Netzpolitik brauchen wir jetzt freie Fahrt für die Digitalisierung.“
* Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat im Auftrag vom eco Verband in der Zeit vom 25. bis zum 27. Oktober 2023 rund 5000 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Einwohner:innen der BRD ab 18 Jahren. Der statistische Fehler liegt bei 2,5 Prozent. Die Befragung im Jahr 2022 wurde im Zeitraum vom 9. Oktober bis 8. November durchgeführt. Die Befragung im Jahr 2021 vom 2. bis zum 29. September. Auch hier lag die Anzahl der befragten Personen bei rund 5000. Der statistische Fehler betrug ebenfalls 2,5 Prozent.