23.02.2016

eco Barometer Netzpolitik: eineinhalb Jahre Digitale Agenda

  • 45 Vorhaben auf dem Prüfstand: Ein Drittel umgesetzt, 18 Prozent noch nicht angegangen
  • Wichtiger Agenda-Punkt: Verabschiedung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung
  • Größte Baustellen: Netzneutralität, WLAN-Gesetz und Urheberrechtsreform

Die Bundesregierung hat im vergangenen Halbjahr entscheidende Fortschritte bei der Umsetzung ihrer Digitalen Agenda 2014 – 2017 gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt das neue Barometer Netzpolitik, das eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. halbjährlich seit Vorstellung der Digitalen Agenda veröffentlicht. Eineinhalb Jahre nach Erstveröffentlichung zieht eco erneut Bilanz auf bereits erfüllte und noch offene Ziele, die die Bundesregierung in insgesamt sieben Handlungsfeldern selbst definiert hat. Im Fokus des eco Barometers Netzpolitik stehen dabei die für die Internetwirtschaft politisch besonders relevanten Arbeitsbereiche. Das Ergebnis: Von den untersuchten 45 Vorhaben wurde ein Drittel bereits umgesetzt, rund die Hälfte der Vorhaben befindet sich noch in der Umsetzung. Acht Vorhaben und damit 18 Prozent der untersuchten Punkte wurden noch gar nicht angegangen. „Rund zwei Drittel der Vorhaben aus der Digitalen Agenda sind noch nicht umgesetzt – eine sportliche Herausforderung für die entsprechenden Ministerien“, sagt Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht beim eco.
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Wichtiger Agenda-Punkt: Verabschiedung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung

Mit der Verabschiedung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung im Dezember 2015 konnten sowohl das Wirtschafts- als auch das Innenministerium einen Agenda-Punkt von ihrer To-Do Liste streichen. Nach fast vier Jahren Verhandlungen liegt die Verordnung nun vor. „Die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung ist mit Sicherheit die wichtigste Weichenstellung des vergangenen Halbjahres. Die Branche verspricht sich von dem einheitlichen europäischen Regelwerk langfristig mehr Rechtssicherheit und erhebliche Einsparpotenziale bei zeitlichen und finanziellen Ressourcen“, so Süme.

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Größte Baustellen: Netzneutralität, WLAN-Gesetz und Urheberrechtsreform

Wie auch beim letzten Update des eco Barometers Netzpolitik sind wichtige Handlungsfelder beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie immer noch offen. Hier befinden sich mit den Themen Netzneutralität, WLAN-Gesetz und Urheberrechtsreform die größten Baustellen aus Sicht der Internetbranche.

Ende Oktober hat das EU-Parlament einer Regelung zur Netzneutralität zugestimmt, jetzt muss die Umsetzung in den Mitgliedstaaten erfolgen. „Es sind noch viele Fragen offen geblieben. Diese müssen präzisiert werden, damit Klarheit herrscht. Das sehr komplexe und vor allem kontrovers diskutierte Thema Netzneutralität darf von der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur nicht aus den Augen verloren werden. Deutschland muss sich bei diesem elementaren netzpolitischen Grundsatzthema engagiert in die weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene einbringen“, so Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht.

Auch bei dem Thema WLAN-Störerhaftung wäre ein baldiges Ende der politischen Diskussion wünschenswert. Alle Argumente sind ausgetauscht und der Bundesrat hat einen konstruktiven Lösungsvorschlag gemacht. „Hier erwarten wir innerhalb des nächsten halben Jahres eine finale Regelung, die tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber beiträgt und aus der die Vorschrift zu ‚gefahrengeneigten Diensten‘ ersatzlos gestrichen wurde. Alles andere wäre ein Fiasko für die Anbieter von Hosting-Diensten und würde der Branche schaden“, sagt Süme. „Beim Urheberrecht muss und kann sich das Ministerium dagegen noch etwas Zeit lassen. Änderungen hier zu schnell einführen zu wollen hätte weitreichende Konsequenzen, denn auch auf europäischer Ebene gibt es bisher nur erste Überlegungen“, warnt Süme.

Das eco Barometer Netzpolitik bewertet halbjährlich, welche Fortschritte die Bundesregierung in verschiedenen für die Internetwirtschaft besonders relevanten Bereichen der Digitalen Agenda macht. Das erste eco Barometer erschien im Februar 2015.

Hier finden Sie die aktuelle Infografik zum eco Barometer Netzpolitik .

Die einzelnen Handlungsfelder der Digitalen Agenda in der Detailauswertung

Digitale Infrastrukturen (BMVI)

Digitale Infrastrukturen
Netzausbau geht voran

Beim Thema Finanzierung des Netzausbaues ist im letzten halben Jahr einiges passiert. Nach der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen im Juni 2015 hat das BMVI das Bundesförderprogramm für den Netzausbau im November 2015 letzten Jahres gestartet. Insgesamt 2,7 Milliarden Euro Fördergelder werden an Kommunen und Landkreise vergeben, um das schnelle Internet zu fördern. Erste Förderanträge für die Planung des Netzausbaus vor Ort wurden schon bewilligt. Das Geld für die Umsetzung der Planung ist allerdings noch nicht vergeben und muss ebenfalls in einem zweiten Schritt beantragt werden. Es wird sich zeigen, ob dieser Ansatz erfolgreich ist. Derzeit fehlen noch 70 % im ländlichen Bereich. Das Ministerium geht derzeit davon aus, dass es 2018 keine weißen Flecken mehr in Deutschland geben wird und damit das Versprechen (50 Mbit pro Sekunde) in ganz Deutschland eingelöst ist. Auch die TK-Unternehmen wollen in 2016 erneut 8 Mrd. EUR in den Ausbau digitaler Netze investieren.

eco zweifelt, ob die bereitgestellten finanziellen Mittel für die notwendigen Investitionen in den Breitbandausbau genügen und das angestrebte Ausbauziel von 50 Mbit/s ausreichend ist, um den Standort Deutschland zu einer Gigabitgesellschaft zu machen und damit den Wirtschaftsstandort langfristig zu sichern. Eine Grundversorgung scheint aber bis 2018 erreichbar zu sein.

Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten (BMWi/BMAS/BMJV)

Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten
Weiterhin schlechteste Umsetzungsquote

Im letzten Halbjahr hat die Bundesregierung hier ihren ersten Agendapunkt umgesetzt: Die Verabschiedung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung mit der Festschreibung des Marktortprinzips. Alle anderen Punkte im Bereich Wirtschaft und Arbeit befinden sich weiterhin in der Umsetzung.

Im Vergleich zum letzten Halbjahr sind bei den wichtigen Themen wie Netzneutralität und WLAN-Gesetz einige Meilensteine erreicht worden. Ergebnisse sind allerdings bei beiden Themen in der politischen Debatte nicht absehbar:

  • Der Gesetzentwurf der Regierung zur WLAN-Störerhaftung wurde im November 2015 im Bundesrat beraten: Die geplante Einführung einer Haftungsverschärfung für Anbieter sogenannter „gefahrengeneigter Dienste“ sowie die Änderungen bei der WLAN-Störerhaftung wurden abgelehnt. Ein neuer Entwurf liegt noch nicht vor und wird derzeit intern intensiv diskutiert. Ein Fortschritt für die Bundesregierung und die Verwirklichung der Ziele der Digitalen Agenda wäre es, wenn man sich auf eine sinnvolle Regelung verständigen würde, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit für die WLAN-Betreiber beiträgt.
  • Auf EU-Ebene ist im November 2015 eine Regelung zur Netzneutralität in Kraft getreten, die ab 30.4.2016 anzuwenden ist. Die Bundesnetzagentur ist in Diskussion mit den betroffenen Unternehmen. Die europäische Regelung muss noch an vielen Stellen weiter präzisiert und definiert werden, damit diese handhabbar ist. Es gibt derzeit noch viele klärungsbedürftige Fragestellungen bei diesem komplexen Thema, wie das Zusammenspiel von Netzneutralität und Vertragsfreiheit, Verkehrsmanagement sowie die Definition von Spezialdiensten.
  • Bei der Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter ist leider kein Fortschritt in Sicht. Die langwierige Diskussion um die sogenannten „gefahrengeneigten Dienste“ beim Telemediengesetz zeigt, dass das Wirtschaftsministerium vor allem die Interessen der Rechteinhaber vertritt und sich der wirtschaftspolitischen Tragweite der Regelung für Anbieter von Speicherdiensten nicht bewusst zu sein scheint.
  • Nach wie vor fokussieren sich die Bestrebungen zur Reform des Urheberrechts zumeist auf die Rechtsdurchsetzung und weniger auf Anpassungen die die Digitalisierung und die informations- und wissensbasierte Gesellschaft weiter befördern. Dabei hat gerade eine Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, eine Einrichtung des Europarats, festgestellt, dass sich keine einheitlichen Aussagen über die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen illegaler Downloads treffen lassen. Viele Studien kämen zu dem Schluss, dass durch illegale Downloads zwar Einnahmeeinbußen zu verzeichnen seien, sich an anderer Stelle aber auch Mehreinnahmen nachweisen ließen. Es wäre wünschenswert, dass das Wirtschaftsministerium solche Erkenntnisse bei der Anpassung des Urheberrechts mit einbezöge.
  • Im Bundesarbeitsministerium wird der Dialogprozesses Arbeiten 4.0 weiter vorangetrieben. Ergebnisse, wie auch z.B. ein Weißbuch Arbeiten 4.0, liegen noch nicht vor.

Digitale Lebenswelten (BMFSFJ)

Digitale Lebenswelten
Medienkompetenz für alle stärken

Das Bundesministerium für Bildung, Forschung, Wissenschaft, Kultur und Medien hat nur ein netzpolitisches Handlungsfeld: die digitale Medienkompetenz für alle Generationen stärken. Bisher hat sich das Ministerium auf die Medienkompetenz der Kinder und Jugendliche fokussiert und hier verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht. Das Handlungsfeld umfasst aber auch ältere Menschen und alle Nutzerinnen und Nutzer, die selbst mediale Inhalte und Daten erstellen sowie Software entwickeln. Das Ministerium sollte die verbleibenden anderthalb Jahre der Legislaturperiode nutzen, Informationsplattformen einzurichten und die Medienkompetenz aller Bürger und Bürgerinnen zu stärken.

Die Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags steht kurz vor dem Abschluss. . Der neue JMStV soll Mitte 2016 in Kraft treten. Die fortschreitende Medienkonvergenz sowie nutzergenerierte Inhalte sind eine der großen Herausforderungen in diesem Bereich. Dabei ist es wichtig den Jugendmedienschutz in eine Gesamtstrategie einzubetten, die Medienkompetenz, internationale Ansätze zum Jugendschutz sowie Jugendschutzprogramme berücksichtigt und einbezieht. Eine der Herausforderungen des Jugendmedienschutzes wird es sein, neben nationalen Reglungen zunehmend auch europäische und internationale Ansätze zu verfolgen und anschlussfähig zu sein.

Bildung, Forschung, Wissenschaft, Kultur und Medien (BMBF/ Bundeskanzleramt)

Bildung und Forschung
Moderner Rechtsrahmen nach wie vor in weiter Ferne

Im letzten Halbjahr wurde das Thema Medienkonvergenz im Rahmen der Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste weiter vorangetrieben. Die eingerichtete Bund-Länder-Kommission hat sich im letzten Halbjahr vor allem mit der Regulierung sogenannter Intermediäre wie etwa Suchmaschinen beschäftigt.

eco spricht gegen eine solche zusätzliche Regulierung aus. Stattdessen sollte der künftige Rechtsrahmen so ausgestaltet sein, dass konsistente und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure der Wertschöpfungskette herrschen. Dabei sollten Innovationen und Investitionen in Infrastruktur, Inhalte und neuartige Dienste unterstützt und gefördert werden.

Die Entwicklung einer Open Access Strategie sowie einer Strategie Digitales Lernen ist noch nicht in der Umsetzung. Gerade die „Open Access Strategie“ kann sich noch als ein Hindernis bei der erfolgreichen Umsetzung aller Agendapunkte herausstellen.

Sicherheit (BMI/BMJV)

Sicherheit
Vertrauen ins Internet immer noch ausbaubar

Mit der Verabschiedung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung konnte das Innenministerium einen wichtigen Agendapunkt umsetzen. Die Mitgliedstaaten haben sich dabei unter anderem auf folgende Punkte geeinigt: Marktortprinzip, Nutzereinwilligung, Portabilität, Privacy by Design, Recht auf Vergessenwerden. Diese Punkte müssen die betroffenen Unternehmen nun umsetzen. Ab 2018 erschließt sich ihnen aber auch endlich ein großer europäischer Markt mit einem einheitlichen Datenschutzniveau. Das bedeutet langfristig hoffentlich mehr Rechtssicherheit und erhebliche Einsparpotenziale.

Gleichzeitig weist dieses Handlungsfeld noch die meisten nicht umgesetzten Agendapunkte auf. Das Innenministerium darf sich jetzt nicht auf dem verabschiedeten IT-Sicherheitsgesetz ausruhen, sondern muss auch die anderen Agendapunkte wie beispielsweise die Förderung von Verschlüsselungstechniken fokussieren. Dazu ist in der Digitalen Agenda immerhin das ambitionierte Ziel formuliert, Deutschland zum „Verschlüsselungsstandort Nr. 1“ zu machen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für mehr Vertrauen und Sicherheit im Internet.

Das Justizministerium hat im Rahmen der Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung auch einen Agendapunkt gleich mit erledigt. Das Strafrecht wurde an das digitale Zeitalter angepasst und die Datenhehlerei unter Strafbarkeit gestellt.

Europäische und Internationale Dimension (AA/BMWi)

Europäische und internationale Dimension
Einheitliche Netzpolitik in weiter Ferne

Wie bei allen internationalen Aktivitäten ist auch ein weltweit einheitliches Vorgehen bei der Netzpolitik noch in weiter Ferne: Zu unterschiedlich sind die Meinungen über und die Bedeutung des Internets für die Länder der Welt. Jedoch geht der Multi-Stakeholder-Dialog zu Internet Governance weltweit weiter. Hier bringt sich die Bundesregierung weiterhin aktiv ein, nicht zuletzt auch durch die Wiederbelebung des Internet Governance Forums in Deutschland mit Unterstützung der Bundesregierung.



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