10.05.2023

eco: „CSAM-Verordnung beschneidet gravierend Freiheitsrechte und wird spätestens vor dem EuGH scheitern“

  • CSAM-Verordnung beschneidet Recht auf Privatsphäre bei Minderjährigen wie Erwachsenen
  • Beschwerdestellen-Netzwerk muss in Regulierungsvorhaben implementiert werden

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (kurz: CSAM-Verordnung) hat seit seiner Veröffentlichung im Mai 2022 für viele Diskussionen und massive Kritik gesorgt. Medienberichten zufolge hat aktuell auch der juristische Dienst des EU-Ministerrats in einem internen Gutachten gravierende Bedenken gegen den umkämpften Entwurf der EU-Kommission geäußert. Die verdachtsunabhängige Chatkontrolle ist im Ergebnis keine zielgerichtete Maßnahme, sondern allgemeine Suchpflicht, und verletzt das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, somit ist die CSAM-Verordnung spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Scheitern verurteilt. Auch die Bundesregierung behält sich aufgrund noch zahlreicher strittiger Punkte in einem Positionspapier „weitere Forderungen“ vor und plant sich weiterhin „aktiv“ in die Verhandlungen einzubringen.

Zum aktuellen Stand der Verhandlungen rund um die CSAM-Verordnung sagt eco- Beschwerdestellenleiterin Alexandra Koch-Skiba: „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt ist ein wichtiges Ziel, für das sich eco mit den Aktivitäten der Beschwerdestelle seit Jahren stark engagiert. Dennoch bzw. gerade deshalb bewerten wir den Verordnungsentwurf der EU-Kommission kritisch, weil die darin aktuell enthaltenen Vorgaben letztlich zu einer allgemeinen Überwachung führen, wichtige Ende-zu-Ende Sicherheitstechnologien konterkarieren und auf Netzsperren setzen statt sich konsequent durch den Ausbau und das Stärken von Kooperationen für das Löschen von Missbrauchsdarstellungen zu engagieren. Zwar begrüßen wir, dass sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme nun gegen Suchpflichten bei verschlüsselter Kommunikation und gegen ein Client-Side-Scanning ausspricht, doch damit sind längst nicht alle unsere Bedenken zu den Themen: Suchpflichten für Unternehmen und Chatkontrolle ausgeräumt. Auch die nicht verschlüsselte, private Kommunikation sowie die Nutzung von (Cloud-) Speicherdiensten müssen als schützenswert bewertet werden.“

CSAM-Verordnung beschneidet Recht auf Privatsphäre

Der Verband der Internetwirtschaft appelliert mit Blick auf den fortlaufenden europäischen Gesetzgebungsprozess und die weiteren Abstimmungen zur CSAM-Verordnung innerhalb der Bundesregierung, die Suchverpflichtungen grundsätzlich zu überdenken bzw. explizit als ultima ratio auszugestalten, an strenge und klare Voraussetzungen zu knüpfen sowie inhaltlich strenger einzugrenzen und ausschließlich auf bekannte Missbrauchsdarstellungen zu begrenzen:

„Laut CSAM-Verordnung sollen Online-Anbieter auf Anordnung aktiv nach bekannten oder unbekannten Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs sowie Grooming-Aktivitäten suchen müssen. Die Einbeziehung von unbekannten Materialien und Grooming birgt aber in der Folge die große Gefahr, dass auch rechtlich nicht zu beanstandende Inhalte gemeldet werden, zum Beispiel erotische Inhalte im Rahmen von zulässigem Sexting. Dies führt nicht nur zu einer unnötigen Überlastung der Strafverfolgungsbehörden, sondern auch zu ‚falschen Verdächtigungen‘ sowie der ‚Sichtung‘ von erlaubter privater Kommunikation inklusive des erlaubten Versendens erotischer Inhalte im Rahmen von zulässigem Sexting. Die CSAM-Verordnung beschneidet damit gravierend die Privatsphäre, insbesondere im Bereich der Intimsphäre, einem der am stärksten geschützten Bereiche des Rechts auf Privatsphäre. Das betrifft Erwachsene wie Minderjährige. “

Unter anderem aus diesem Grund sieht eco auch den am 26.04.2023 veröffentlichten Entwurf für einen Bericht zur CSAM-Verordnung durch den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres kritisch. Dieser schlägt zwar vor, die Suchpflichten stärker als „letztes Mittel“ auszugestalten, plant aktuell jedoch keine inhaltliche Eingrenzung auf bereits bekannte Missbrauchsdarstellungen.

Beschwerdestellen-Netzwerk muss in Regulierungsvorhaben implementiert werden

Auch das europäische Vorhaben, neue Behörden bzw. Einrichtungen für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch etablieren zu wollen, sieht der Verband der Internetwirtschaft kritisch, viel eher sollten etablierte funktionierende Strukturen stärker in die aktuellen Pläne einbezogen, bereits bestehende Kooperationen und Synergien gefördert und ausgebaut werden.

„Hier hätten wir uns ein noch stärkeres Bekenntnis der Bundesregierung zur Einbeziehung der bereits etablierten Beschwerdestellen gewünscht. Die Beschwerdestellen von eco, FSM und jugendschutz.net sind in Deutschland seit vielen Jahren wichtige Partner des Bundeskriminalamts bei der Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen, wobei der Zusammenarbeit seit über 15 Jahren auch eine schriftliche Kooperationsvereinbarung zugrunde liegt. Sie sind zudem eine enorm wichtige Anlaufstelle für Internetnutzer, die Missbrauchsdarstellungen melden möchten; insbesondere auch weil sie anonyme Meldungen ermöglichen. Diese wichtige Brückenfunktion sollte keinesfalls gefährdet werden!“, sagt Beschwerdestellen-Leiterin Koch-Skiba.

Der Verband der Internetwirtschaft fordert den LIBE Ausschuss dazu auf, bei seiner Finalisierung des Berichts zur CSAM-Verordnung, die wichtige Rolle der Hotlines und des INHOPE Netzwerks stärker hervorzuheben und diese als Kooperationspartner und wichtigen Akteur im Rahmen der CSAM-Verordnung explizit vorzusehen.

 

Die ausführliche eco STELLUNGNAHME zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern können Sie hier lesen: https://www.eco.de/download/202996/

25 Jahre eco Beschwerdestelle Leiterin