- Gesetz befördert wahllose Löschkultur im Netz
- Lieber schnell als gründlich: Notifizierung vor Abschluss der Kommentierungsfrist
- Ausreichende gesetzliche Regelungen, Rechtsdurchsetzung muss Sache des Staates bleiben
Der vom Bundesjustizminister vorgestellte Entwurf für das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Netz, kritisiert eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. Der Verband wendet sich damit insbesondere gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene festen Fristen zur Löschung: 24-Stunden bei eindeutig rechtwidrigen Inhalten bzw. bei anderen rechtswidrigen Fällen 7 Tage nach Erhalt der Beschwerde: „Jede Entscheidung über das Löschen fraglicher Inhalte muss sich in erster Linie am Grundsatz juristisch gründlicher Prüfung orientieren. Die Erfahrungen der eco Beschwerdestelle im Umgang mit rechtswidrigen Internetinhalten aus über 15 Jahren zeigen deutlich, dass die zu prüfenden Sachverhalte in vielen Fällen juristisch sehr komplex sind. 24 Stunden reichen zur juristischen Einordnung häufig ganz einfach nicht aus, gerade wenn es sich um juristische Grenzfälle handelt. Grundsätzlich sehen wir bei starren Fristen die Gefahr der wahllosen Löschkultur, sogenannte Chilling Effects, es wird Zweifel mehr gelöscht, als notwendig wäre“, sagt eco Vorstand Politik & Recht Oliver Süme. Exorbitant hohe Bußgelder befördern den Druck zu Löschen zusätzlich.
Durch eine Ausweitung des Straftatenkatalogs mit dem neuen Referentenentwurf vom 27. März 2017 äußert eco im Rahmen einer aktuellen Stellungnahme zum Gesetzentwurf Zweifel daran, ob der Regelungszweck, nämlich die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken bei bestimmten Delikten, die Aspekte der Themenkomplexe „Fake-News“ und „Hasspostings“ adressieren, tatsächlich verfolgt werden soll oder ob grundsätzlich neue Vorgaben für den Umgang mit rechtswidrigen Inhalten gemacht werden sollen. Fraglich ist auch, wieso diese Straftatbestände aufgenommen wurden, da bis jetzt keine Kritik an der Rechtsdurchsetzung bei eben diesen geäußert wurde, wie auch der aktuelle Löschbericht der Bundesregierung unterstreicht.
Lieber schnell als gründlich: Notifizierung vor Abschluss der Kommentierungsfrist
eco bedauert außerdem, dass die Bundesregierung bei diesem Gesetzesvorhaben offenbar eher auf Schnelligkeit statt auf Gründlichkeit setzt und einen bereits deutlich veränderten Entwurf bereits vor Abschluss der angesetzten schriftlichen Konsultation bei der EU notifiziert. „Die vorschnelle Verabschiedung einseitig regulativer Maßnahmen, die gravierende Folgen für elementare Grundrechte haben können und in ihrer Wirkung noch nicht abzusehen sind, halten wir für verantwortungslos“, so Oliver Süme.
Ausreichende gesetzliche Regelungen, Rechtsdurchsetzung muss Sache des Staates bleiben
Hinzukommt, dass sich das Problem Hate Speech aus Sicht von eco nicht durch weitere Gesetze auflösen lässt. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch hier gilt das Strafgesetzbuch und auf europäischer Ebene haben wir die eCommerce-Richtlinie, die festlegt nach welche Grundprinzipien Provider für Inhalte haftbar gemacht werden können“, so Süme. „Fake News“ und „Hate Speech“ seien zwar bislang keine definierten Straftatbestände. Dennoch sei das deutsche Recht bereits jetzt gut aufgestellt: Insbesondere Volksverhetzung, verfassungsfeindliche Propaganda und die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen sind strafbar. Auch das Verbreiten von Lügen kann strafrechtlich verboten sein, beispielsweise die üble Nachrede, und kann zu Unterlassungs- bzw. Berichtigungsansprüchen gegenüber dem Äußernden führen. „Der geltende Rechtsrahmen bietet alle Möglichkeiten, die eigentliche Herausforderung ist eher die Rechtsdurchsetzung. In erster Linie ist der Staat in der Verantwortung, durch effektivere Strafverfolgung der Täter die Ursache des Problems zu bekämpfen und in der Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein für illegale Äußerungen und Inhalte zu schaffen. Strafverfolgung und Rechtsdurchsetzung muss Aufgabe des Staates sein. Ein Abwälzen der Verantwortung für die Einhaltung geltenden Rechts nur auf die Provider wäre nicht akzeptabel. Provider dürfen nicht zu Hilfssheriffs des Staates gemacht werden.“ so Süme weiter.
Schon heute müssen Plattformbetreiber und ISPs Strafverfolgungsbehörden bei der Rechtsdurchsetzung unterstützen und tun dies über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaus im Rahmen von Selbstverpflichtungen wie beispielsweise der eco-Beschwerdestelle.