15.09.2022

EuGH entscheidet über deutsche Vorratsdatenspeicherung: eco Verband und SpaceNet AG halten Urteil zugunsten der Grundrechte für realistisch

Massiver Privatsphäre-Eingriff: Vorratsdatenspeicherung betrifft 2,35 Mrd. Datensätze pro Tag.

Im Rechtsstreit zwischen der SpaceNet AG und der Bundesrepublik Deutschland will der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 20. September darüber entscheiden, ob die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung mit EU-Recht vereinbar sind.

eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. unterstützt die Klage der SpaceNet AG von Beginn an. Nach Einschätzung des Verbands betrifft die generelle und anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten mit rund 2,35 Milliarden Datensätze pro Tag (IP-Adressen und Telefonie) fast alle deutschen Nutzer:innen und kostet die Branche mehr als 600 Millionen Euro.

Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender eco – Verband der Internetwirtschaft:

„Die Vorratsdatenspeicherung greift massiv in unsere Privatsphäre ein, bringt aber keinen nachgewiesenen Mehrwert für die Strafverfolgung. Anstatt ernsthaft nach Alternativen zu suchen, trägt Deutschland noch immer das Mantra vor sich her, schwere Kriminalität könne nur mit Vorratsdatenspeicherung bekämpft werden – doch das ist falsch. Wir müssen dringend über alternative Ansätze, wie quick-freeze oder punktuelle, wie anlassbezogene Maßnahmen diskutieren. Hält der EuGH die deutschen Regelungen unvereinbar mit EU-Recht, sollte die Bundesregierung diese Chance für eine politische Weichenstellung ergreifen und rasch die Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung in die Wege leiten.“

Sebastian von Bomhard, Gründer und Vorstand SpaceNet AG:

„Folgt der Europäische Gerichtshof der Einschätzung des Generalanwalts und erklärt die deutsche Vorratsdatenspeicherung ebenfalls für unionrechtswidrig, wäre das ein wichtiger Meilenstein für die Internet- und Telekommunikationsbranche. Sechs Jahre nach Beginn des Verfahrens kann der EuGH endlich Rechtssicherheit im Umgang mit der Speicherung von Daten schaffen. Es müssen geeignetere Methoden zu Prävention und Verfolgung von Straftaten gefunden werden. Der Konflikt darf auch in Zukunft nicht auf dem Rücken von Internetnutzern, also auch unserer Kunden ausgetragen werden.“

Bereits 2016 hatte die SpaceNet AG Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Das Bundesverwaltungsgericht legte daraufhin im September 2019 dem EuGH mehrere Grundsatzfragen zur Klärung vor. In seinen Schlussanträgen erklärte EuGH-Generalanwalt Campos Sá­n­chez-Bor­do­na im November vergangenen Jahres die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit dem EU-Recht – ein wichtiger Etappensieg für eco und SpaceNet.

Der Verband und der Internetprovider halten es für realistisch, dass nun auch das eigentliche EuGH-Urteil zugunsten der Grundrechte ausfällt.

Dr. Matthias BäckerProfessor für Öffentliches Recht, Universität Mainz, Prozessbevollmächtigter:

„Eine nationale Regelung, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung vorsieht, ist und bleibt unzulässig. Bereits im Oktober 2020 hat der EuGH zum ersten Mal Vorschriften aus Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Estland beanstandet, die der deutschen Vorratsdatenspeicherung sehr ähnlich waren.“

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