19.03.2021

Identifizierungspflicht für Messenger: eco warnt vor Hintertüren im Gesetzgebungsverfahren

Das Bundesinnenministerium (BMI) fordert bei der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) kurzfristige Änderungen, die weitreichende Folgen für alle Internetnutzer:Innen hätten. Die Anfang März bekannt gewordene „Formulierungshilfe“, die das Ministerium außerhalb des Regelprozesses an die Fraktion der CDU/CSU im Bundestag gereicht hat, sieht eine Identifizierungspflicht für sogenannte nummernunabhängiger Dienste vor – das betrifft Messenger, Audio- und Videochats sowie E-Mail-Kommunikation. Diese sollen künftig von der Nutzung Name, Anschrift und Geburtsdatum ihrer Nutzer:Innen erheben, überprüfen und speichern.

eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. übt scharfe Kritik am Vorgehen des Bundesinnenministers und lehnt eine derartige Verpflichtung entschieden ab: „Die geplanten Maßnahmen sollen faktisch eine Identifizierungspflicht vor der Inbetriebnahme von Geräten wie Mobiltelefonen, Notebooks und Tablets bedeuten, da die Nutzeraccounts bei jedem Hersteller standardmäßig mit mindestens einem Kommunikationsmittel verknüpft sind. Auch viele weitere Dienste ermöglichen eine Kommunikation der Nutzer und müssten in Folge Angaben zur Identität der Nutzer nicht nur erheben, sondern diese Angaben auch überprüfen – mit anderen Worten, sich den Ausweis zeigen lassen.“

Vertrauensverlust und negative Folgen für Digitalstandort Deutschland

Eine solche Regelung würde aus Sicht des Verbands die Vertrauenswürdigkeit und Integrität von Kommunikation im Internet weiter schwächen. Landefeld befürchtet außerdem, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in diesem Bereich überfordert wären, denn eine Überprüfung von Daten zur Ermittlung der Identität von Nutzern sei stets mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Erhebung und Verifikation verbunden. Darüber hinaus könnte es auch zu einer Abwanderung von Nutzern kommen, welche in einer globalisierten Welt die ohne großen Aufwand nutzbaren („clickbaren“) Dienste aus dem Ausland bevorzugen werden.

Überwachungsgesamtrechnung lässt weiter auf sich warten

Insgesamt bereitet eco die Fülle neuer gesetzlicher Maßnahmen und Verpflichtungen aus den gegenwärtig vorliegenden Gesetzesentwürfen große Sorge. Dazu Landefeld: „Die systematische und kontinuierliche Erweiterung der Überwachungsmaßnahmen wie sie in den Gesetzentwürfen zum Telekommunikationsgesetz, dem IT-Sicherheitsgesetz, dem BND-Gesetz, dem Verfassungsschutzgesetz und zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung vorgesehen sind, ist in dieser Quantität und Qualität besorgniserregend. Unabhängig von der Tatsache, dass die Umsetzung all dieser Überwachungsmaßnahmen die betroffenen Anbieter vor erhebliche Herausforderungen und Belastungen stellt, schwächt der deutsche Staat die Vertraulichkeit von Kommunikation durch heimliche Überwachung und gefährdet zudem die Sicherheit von IT-Infrastrukturen durch Hacking und Staatstrojaner.“ Von der verfassungsrechtlich gebotenen und angekündigten Überwachungsgesamtrechnung des Staates fehle hingegen weiterhin jede Spur. „Hier hält sich das BMI bedeckt“, so Landefeld.

Gesetzgeber muss Alternativen prüfen

eco fordert den Gesetzgeber dazu auf, endlich ernsthaft nach Alternativen zu Überwachungs-maßnahmen zu suchen und empirisch Forschung zu diesem Thema stärker zu fördern. Zudem müssen personelle und sachliche Ausstattung der Ermittlungsbehörden besser werden, denn meist verhindern diese fehlenden Ressourcen eine Aufklärung.

„Es darf beim Thema Überwachung nicht nur eine Richtung geben. Unser Grundgesetz gebietet es, solche Maßnahmen zu hinterfragen und auch aufzuheben, falls mildere, gleich wirksame Mittel zur Hand sind oder die Wirkungslosigkeit der Überwachungsmaßnahmen festzustellen ist“, sagt Klaus Landefeld.

Kritik an Staatstrojanern in geplantem Bundespolizeigesetz

Diese Kritik wird Landefeld auch im Rahmen einer für Montag, den 22.3. im Bundestag geplanten Expertenanhörung zum Bundespolizeigesetz wiederholen, das den Einsatz von Staatstrojanern vorsieht: „Der Einsatz von Staatstrojanern schwächt die IT-Sicherheit von Bürgern, der Wirtschaft und letztlich des Staates. Er unterminiert die Vertrauenswürdigkeit von Kommunikation im Netz. Für einen Einsatz zur Gefahrenabwehr sind Staatstrojaner gänzlich ungeeignet. Denn das Aufbringen der Software auf dem IT-Gerät der Zielperson erfordert so viel Zeit, dass ein sofortiges Handeln der Bundespolizei zur Abwehr der Gefahr fast unmöglich ist“, so Landefeld.

 

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