Mit dem Abschluss der Koalitionsverhandlung zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in den einzelnen Facharbeitsgruppen für den gemeinsamen Koalitionsvertrag stehen nun die Verhandlungen der Parteispitzen über offen gebliebene und strittige Fragen und die Ressortverteilung der zukünftigen Regierungskoalition an. eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. hat die bisherigen Beratungen verfolgt und bereits im Vorfeld der Wahlen mit seiner internetpolitischen Agenda wichtige Erfolgskriterien für die Digitalpolitik der kommenden Jahre formuliert.
eco möchte die Gelegenheit nutzen, um in dieser letzten Phase der Koalitionsverhandlungen auf einige ausgewählte Aspekte hinzuweisen, mit denen die Koalitionäre jetzt noch weitere Weichenstellungen für die Netz- und Digitalpolitik in Deutschland vornehmen können.
Impulse für die Koalitionsverhandlungen:
Ressourcen für Digitalisierung in einem Digitalressort bündeln
Damit zentrale Fragestellungen der Digitalisierung koordiniert und strategisch adressiert werden können, muss die neue Bundesregierung eine konsistente Digitale Strategie mit eindeutigen Prioritäten, Zielen und messbaren Erfolgskriterien aufstellen. Nur wenn Prioritäten und Ziele klar sind, kann deren Umsetzung systematisch vorangetrieben werden. Als Mittel der Wahl für die Umsetzung ist ein Digitalministerium der optimale Ansatz, um diese Herausforderungen und Anforderungen in der Bundesregierung bestmöglich anzugehen und zu bewältigen.
Planung und Ausbau digitaler Infrastrukturen beschleunigen
Damit die Gigabitgesellschaft Realität wird müssen leistungsfähige digitale Infrastrukturen auf- und ausgebaut werden. Die Dauer und die Anforderungen von Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren sind ein Nachteil für den Standort Deutschland. Um die Ansiedlung strategisch wichtiger und zukunftsfähiger digitaler Infrastrukturen und Telekommunikationsnetze sicherzustellen, müssen die Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren beschleunigt und effizient ausgestaltet werden.
Förderung von Resilienz und digitaler Souveränität
Unternehmen müssen ihre Strukturen und Wertschöpfungsketten robuster gestalten, um für Krisen besser vorbereitet zu sein. Es bedarf hierzu kontinuierlicher Anstrengungen. Um die notwendigen Investitionen in die Digitalisierung voranzutreiben, sollten daher in den kommenden Jahren Prozessmanagement und Cloudinfrastrukturen gefördert werden. Hierzu gehört auch im Sinne einer gesteigerten digitalen Souveränität Deutschlands die Bereitstellung und Verfügbarkeit leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen, die Entwicklung offener Standards und die Forcierung entsprechender Strukturen wie GAIA-X.
Standards für effiziente digitale Infrastrukturen
Damit die Energiewende durch alle Wirtschaftssektoren und die gesamte Gesellschaft ein Erfolg wird, bedarf es eines massiven Ausbaus an erneuerbaren Energien damit die ökologische Modernisierung des Energiesystems in Deutschland gelingt. Für die Nachhaltigkeit digitaler Infrastrukturen ist nicht nur der Einsatz erneuerbarer Energien notwendig, sondern ebenso deren effizienter Betrieb erforderlich. In Deutschland gibt es zwar mit dem Blauen Engel einen Ansatz für energieeffiziente Rechenzentren. Fehlende internationale Anschlussfähigkeit und zu starre Anforderungen sorgen für mangelnde Akzeptanz. Geeignete Ansätze für Standards sollten daher insbesondere im europäischen Kontext gesucht werden.
Wettbewerbsfähige Energiekosten für digitale Infrastrukturen
Digitale Infrastrukturen weisen ein vergleichbares Stromabnahmeverhalten auf wie energieintensive Industrien. Allerdings entrichten sie den jeweils geltenden Strompreis samt Abgaben, Umlagen sowie Steuern aber partizipieren nicht an entsprechenden Entlastungen. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit insbesondere von Rechenzentren in Deutschland zu sichern, müssen Energiepreise wettbewerbsfähig sein. Neben der Abschaffung der EEG-Umlage sollte das Abgaben-, Umlagen- und Steuersystem für Strom überarbeitet werden.
IT-Sicherheit von Anfang an konsequent gestalten
Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft kann nur erfolgreich Gelingen, wenn Vertrauen in die IT-Sicherheit besteht. Hierzu bedarf es einer staatlichen Unterstützung und Förderung von IT-Sicherheit, insbesondere von Verschlüsselung. Die Bundesregierung sollte Innovation und Verbesserung von IT-Sicherheit vorantreiben und ein klares, eindeutiges Bekenntnis zu starker Verschlüsselung abgeben und dafür Sorge tragen, dass Schwachstellen schnellstmöglich an die Entwickler von Produkten und Diensten kommuniziert werden.
Überwachungsbefugnisse prüfen
Die in den Sondierungsgesprächen avisierte gesamtheitliche Betrachtung der Eingriffsbefugnisse des Staates und die damit verbundene Revision der Sicherheitsarchitektur sollte Ausgangspunkt der weiteren Sicherheitspolitik der Koalition sein. Dabei sollte die Einführung von Befristungen geprüft und qualitative Evaluationen vorgesehen werden. Bestehende Gesetze zum Einsatz von Staatstrojanern müssen an die aktuellen verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst werden. Die zukünftige Bundesregierung kann ein Zeichen setzen, indem sie die Initiative ergreift und die Aufhebung der Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland anstößt. Damit würden die Bürgerrechte auch bei der digitalen Kommunikation gestärkt und die Unternehmen bekämen die dringend benötigte Rechts- und Planungssicherheit.
Ansatz “Löschen und Verfolgen” stärken
Der Ansatz „Löschen und Verfolgen“ ist für die Bekämpfung von illegalen Inhalten zentral. Hierzu sind personell und technisch gut ausgestattete Strafverfolgungsbehörden ebenso wie niedrigschwellige Meldemöglichkeiten für Internetnutzer:innen essentiell. Internet-Beschwerdestellen bieten solche niedrigschwelligen und zudem anonymen Meldemöglichkeiten. Sie bewerten gemeldete Inhalte unabhängig und setzen sich für eine schnelle Löschung illegaler Inhalte ein. Um die wichtige Arbeit der Internet-Beschwerdestellen zu unterstützen und zu stärken, bedarf es einer kontinuierlichen staatlichen Co-Finanzierung.
Keine Verschiebung staatlicher Aufgaben auf private Unternehmen
Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sind umfangreiche Verpflichtungen zur Eindämmung illegaler Inhalte für die Betreiber sozialer Netzwerke geschaffen worden. Die Betreiber sind aufgefordert, bestimmte strafrechtsrelevante Inhalte an das Bundeskriminalamt samt Nutzernamen, IP-Adresse und Portnummer auszuleiten. Anstatt die Unternehmen zunehmend in die Wahrnehmung von originär staatlichen Aufgaben einzubeziehen und die Verpflichtungen zur Mitwirkung an strafrechtlichen Verfahren auszudehnen, sollten Strafverfolgungsbehörden personell und technisch besser ausgestattet werden damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.
Ganzheitlicher Ansatz für Digitale Bildung
In der digitalen Bildung wurden erste punktuelle Fortschritte wie beim Digitalpakt Schule gemacht. Neben dem Ausbau digitaler Lernplattformen und Investitionen in moderne Informations- und Kommunikationstechnologie sind bundesweite Konzepte für die Umsetzung des digitalen Unterrichts erforderlich. Der Zugang zu digitaler Bildung in allen Stufen des Bildungssystems und während aller Phasen des Bildungsweges ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung der Arbeitswelt und leistet einen Beitrag zur Beseitigung des Fachkräftemangels.